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Sie beide engagieren sich in der Initiative „Omas gegen Rechts“. Ein ironischer Name, oder?

Irene Fromberger: Ja, selbstironisch. Er spielt mit der klassischen Rolle einer Oma, die kocht, strickt, die Familie umsorgt. Wir meinen: Alt sein bedeutet nicht, dass man verstummt, sich zurückzieht und ausklinkt – oder von der Gesellschaft ausgeklinkt wird, was leider auch passiert. Wir backen, kochen und kümmern uns. Aber das Private ist nur ein Teil von uns. Wir engagieren uns politisch und auch auffällig. Manchmal kleben wir etwa unsere Schilder an einen Teppichklopfer.

Zeigt das Wirkung?

Jutta Shaikh: Als die Initiative 2018 in Deutschland startete, hat man uns sicher belächelt. Inzwischen sind wir eine Kraft in der zivilen Bewegung gegen den Rechtsextremismus. Wir betreiben Aufklärungsarbeit. Wir werden zu Diskussionen eingeladen und unsere Beiträge werden ernst genommen. Übrigens sind bei uns nicht ausschließlich ältere Frauen engagiert, sondern auch Opas sowie jüngere und junge Menschen.

Also muss man keine „Oma“ sein?

SHAIKH: Nein, das Wort „Oma“ symbolisiert für uns eine Grundhaltung, unabhängig vom Alter: Wir sind eine friedliche Bewegung. Wir richten uns gegen Rechtsextremismus und jede Form von Diskriminierung. Wir äußern uns deutlich und kritisch. Gewaltsame Mittel lehnen wir ab.

Wie reagieren die Menschen auf Ihr Engagement?

Shaikh: In diesem Jahr finden viele Wahlen statt. Da passiert es, dass Menschen fragen, ob wir „Omas gegen Rechts“ sie dazu bringen wollen, links zu wählen. So ist das nicht. Wir sind überparteilich und wenden uns nur gegen eine Partei, die AfD, weil wir dort eine Gefahr für die demokratische Grundordnung erkennen. Analysiert man das Parteiprogramm, bemerkt man schnell, dass wir durch deren Ziele alle verlieren würden – gerade auch die Älteren, wenn es beispielsweise keine qualifizierte Zuwanderung mehr gäbe. Im Prinzip geht es um die Menschenwürde. Die darf man niemandem absprechen. Eine wichtige Form dafür einzutreten besteht in der jetzigen Situation darin, wählen zu gehen und dabei nicht rechtsextrem zu wählen.

Was motiviert Sie?

Fromberger: Ich selbst habe weder Kinder noch Enkel. Aber ich spüre eine Verantwortung, dazu beizutragen, dass nachfolgende Generationen weiterhin in einer freien und demokratischen Gesellschaft aufwachsen und leben können. Ich entstamme ja der Generation, die ihre Eltern fragte: „Warum habt ihr damals nichts gemacht?“ Ich finde, uns darf es nicht passieren, dass uns jemand diese Frage stellt.

„Das Wort „Oma“ symbolisiert für uns eine Grundhaltung, unabhängig vom Alter: Wir sind eine friedliche Bewegung“

Shaikh: Wir können es als Gesellschaft nicht tolerieren, wenn in diesem Land Strömungen einen Platz haben, die Menschen in ihrer Würde angreifen. Es darf nicht sein, dass man jemandem Rechte abspricht, weil eine Person die vermeintlich falsche Haarfarbe hat, einen dunkleren Teint oder was auch immer. Das treibt mich an. Diese Grundhaltung ist sicher das verbindende Element zwischen allen, die bei den „Omas gegen Rechts“ mitmachen.

Heißt mitmachen bei Ihnen immer demonstrieren gehen?

Fromberger: Nein. Nicht jede oder jeder will auf die Straße gehen. Und in unserem Alter können das auch nicht mehr alle. Neulich hat mir eine Frau um die 80 mitgeteilt, dass sie sich einbringt, indem sie Leserbriefe an Zeitungen schreibt. Andere Leute helfen uns, die Veranstaltungen zu organisieren oder sie spenden etwas.

Shaikh: Wir in Frankfurt haben zum Beispiel ein Vorlese-Projekt. Eine Oma kommt in den Kindergarten, den Hort oder die Schule und liest aus einem Buch. So sensibilisiert sie die Kinder spielerisch für Themen wie Diskriminierung oder Ausgrenzung. Jede Oma-Gruppe überlegt sich eigene Aktionen. Jede Unterstützung ist willkommen.

Jutta Shaikh, 72 (rechts im Bild), ist 2. Vereinsvorsitzende von „Omas gegen Rechts Deutschland“, Irene Fromberger, 68, Schriftführerin.

Jutta Shaikh, 72 (rechts im Bild), ist 2. Vereinsvorsitzende von „Omas gegen Rechts Deutschland“, Irene Fromberger, 68, Schriftführerin.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Fromberger: Es macht uns Mut, dass wir in den letzten Monaten viele persönliche Kontakte hatten, bei denen Menschen sagten: „Politik war mir bisher nicht so wichtig, aber ich schaue jetzt mal genauer hin.“ Wir haben erlebt: Es stärkt die Gesellschaft, wenn wir zusammenstehen. Wir hoffen, dass das kein Strohfeuer bleibt.

Shaikh: Ja. Wir haben gezeigt, dass auch ältere Frauen etwas bewegen können. Jetzt wollen wir uns noch stärker über alle Altersgruppen hinweg vernetzen, um die Demokratie zu stärken. Denn das ist ein Anliegen für alle. Wir hoffen, ein ermutigendes Beispiel zu liefern. Nach dem Motto: Wenn die alten Frauen ihre Stimme erheben, können wir das auch.


Quellen: