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Die Inzidenzwerte sind hoch und Kliniken in Deutschland überlastet. Für Eltern fünf- bis elfjähriger Kinder stellt sich jetzt vielleicht die Frage, ob sie ihre Kleinen impfen lassen sollten. Die Europäische Arzneimittelagentur gibt grünes Licht für die Zulassung. Aber, wie sicher ist die Impfung für junge Kinder? Und wie hoch sind die Risiken einer Corona-Erkrankung im Vergleich zur Impfung? Darüber spricht Peter Glück mit der pädiatrischen Infektiologin Dr. Henriette Rudolph.

Peter Glück - Einen schönen guten Tag. Sollte man jüngere Kinder, also Kinder ab 5 Jahren gegen das Corona-Virus impfen lassen? Das ist die Frage, mit der wir uns jetzt eingehend beschäftigen.

Klartext Corona – Infos, Hilfe, Zusammenhalt. Ein Podcast von gesundheit-hören.de und der Apotheken Umschau.

Peter Glück - Ich bin Peter Glück von gesundheit-hören.de und heute ist Dienstag, der 30. November 2021. Die EMA, die Europäische Arzneimittelbehörde, die hat entschieden, der Impfstoff von Biontech/Pfizer ist jetzt auch in Europa für Kinder zugelassen. Also konkret für Kinder ab 5 Jahren. In Deutschland ist es derzeit noch so, dass die Ständige Impfkommission, die STIKO, die Impfung weiterhin ab 12 Jahren empfiehlt. Man geht aber davon aus, dass die STIKO entsprechend der EMA Empfehlung nachziehen wird. Wann genau, das ist noch unklar. Bundesgesundheitsminister Spahn, der hat kürzlich auf jeden Fall den 20. Dezember als Datum ins Spiel gebracht und zwar als Datum, an dem die ersten 2,4 Millionen Impfdosen speziell für Kinder zur Verfügung stehen sollen. Wir wollen die gegenwärtige Faktenlage besser verstehen und deswegen die Situation heute mal tiefergehend einordnen. Dafür habe ich eine Expertin zu dem Thema zu Gast, das ist Dr. Henriette Rudolph. Sie ist Kinderärztin für Infektionskrankheiten und auch die stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie.

Frau Dr. Rudolph. Vielen Dank, dass Sie uns mit Ihrem Fachwissen hier heute zur Seite stehen.

Dr. Henriette Rudolph - Schönen guten Tag! Danke für die Möglichkeit, hier zu diesem spannenden Thema Stellung nehmen zu können.

Peter Glück - Also wenn es darum geht, junge Kinder zu impfen, da herrscht auf jeden Fall viel Verunsicherung und viele Eltern möchten gerne wissen wie hoch sind die Risiken für mein Kind. Wenn es Covid bekommen sollte auf der einen Seite. Und auf der anderen, was für Risiken bringt möglicherweise eine Impfung mit sich? Deswegen möchte ich das gerne mit Ihnen mal kurz abgleichen. Zum Start, also fangen wir mal mit den Risiken einer Corona-Erkrankung bei Kindern zwischen fünf und elf Jahren an. Wie gefährlich ist das genau?

Dr. Henriette Rudolph - Also aktuell ist es so, dass aus den bisherigen Studien hervorgeht - und da gibt's es inzwischen sehr weitreichende Daten. Da gibt's zum Teil Metaanalysen, die von China, Italien, Spanien, Südkorea, Malaysia, Singapur, Vietnam und USA den Verlauf einschließen. Und da wurden insgesamt in jetzt in einer aktuell publizierten Arbeit über 34.000 Kinder und Jugendliche mit einer Labor bestätigten Covid-19-Infektion verglichen und die symptomatischen Infektionen bei diesen Kindern lagen nur zwischen 14 und 42 Prozent. Und da sind die Hauptsymptome eigentlich Fieber und Husten gewesen, seltener Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Muskelschmerzen oder gastrointestinale Symptome.

Also den Magen und oder Darm betreffende Symptome wie Durchfall oder Übelkeit.

Und bei dem größten Teil der Kinder sind die nach relativ kurzer Zeit wieder beschwerdefrei. Also meistens sind das wirklich kurzweilige Infekte von ein bis zwei Tagen, die je älter die Kinder, umso mehr Beschwerden hatten, die tatsächlich und aber spätestens nach acht Wochen, war eigentlich der Großteil also über 92 Prozent beschwerdefrei nach so einer Covid-Infektion. Und wenn man sich jetzt überlegt, dass ich ein Kind komplett ohne Vorerkrankungen habe, dann liegt das Risiko aktuell was man angeben kann bei eins zu 10.000, dass dieses Kind, wenn es an Covid erkrankt, in dieser Altersgruppe im Krankenhaus behandelt werden muss.

Peter Glück - Okay, das Risiko hier also verhältnismäßig klein. Aber man muss ja auch natürlich wiederum im Blick haben so rasant wie sich das Virus gerade verbreitet - je mehr Kinder sich dann anstecken, desto größer wird dann ja auch die Zahl derer, die einen schweren Verlauf haben, oder? Und gibt's da eigentlich noch andere Faktoren, die bei den Ansteckungsraten von Kindern eine Rolle spielen?

Dr. Henriette Rudolph - Also es ist so. Viele sehen da vor allem auf die Daten in USA. Da ist es so, da gibt's Regionen, die eine gute Impfungsrate bei Erwachsenen haben und Regionen wo sie eher eine schlechte Impfungsrate bei den Erwachsenen haben. Und die wo sie eine schlechte Impfungsrate haben, da haben wir auch eine sehr hohe Gruppe an Kindern die erkrankt sind. Also schon seit Ende des Sommers hat das angefangen und die Amerikaner haben dann auch berichtet, dass zunehmend Kinder auch stationär aufgenommen werden müssten und auch stationär behandelt werden müssten. Und diese Daten waren primär erst mal beunruhigend, weil man dachte das liegt auch an Delta. Delta scheine schwerwiegendere Verläufe zu machen. Wir haben zu diesen Daten parallel in Deutschland gerade von der Deutschen Gesellschaft für Kinder Infektiologie so ein Survey gestartet, wo wir zum einen die Daten von den Hospitalisierung Kindern mit Covid-Infektionen abfragen, aber auch von denen mit diesen PIMS und zu dem wir später noch kommen. Und da konnten wir diesen Trend nicht bestätigen, da es scheint sogar eher so, dass die Delta Variante eher weniger schwer verläuft bei den Kindern.

Peter Glück - Und wie kommt das jetzt zu dieser Schere zwischen USA und Deutschland?

Dr. Henriette Rudolph - Wir würden das aktuell so erklären. Da ist natürlich zum einen in USA die Kinder deutlich höher als Adipositas und weitere Vorerkrankungen haben als in Deutschland und das Gesundheitssystem anders ist als bei uns. Das ist ja je nachdem, wenn man jetzt in einer ländlichen Region ist, eher schwieriger mit der medizinischen Versorgung und dauert dann wahrscheinlich auch länger, bis die im Krankenhaus sich vorstellen und dann sind sie vermutlich so schwer erkrankt, dass sie tatsächlich dann auch schwere Verläufe entwickeln. Wir konnten jetzt in Deutschland bisher trotz der angestiegenen Zahlen noch nicht bestätigen, dass wir mehr stationäre Aufnahmen gesehen haben und auch mehr Kinder mit schweren Verläufen. Im Gegenteil wir sind im Moment ziemlich ausgelastet mit anderen Infektionen, die jetzt durch die langen Lockdowns letztes Jahr diesen Winter Fahrt aufgenommen haben. Und können jetzt also sagen - Das ist ein Bruchteil der Patienten, die wirklich in der Covid-Infektion behandelt werden stationär in Kliniken.

Peter Glück - Sie haben es gerade angesprochen dieses PIMS-Syndrom. Das bringt uns schon zur nächsten Frage. Das hängt ja so ein bisschen zusammen und ich würde gerne mal koppeln mit diesem Risiko für Long Covid. Da würde ich gerne wissen, wie ist das so mit dem Langzeit Risiko? Was weiß man da? Also selbst wenn der Verlauf mild war gibt's da möglicherweise trotzdem dann ein Risiko, dass es dieses Long Covid-Symptome irgendwann doch gibt? Und das andere ist eben dieses PIMS-Syndrom, was ja auch als Corona Folgeerkrankung eingeordnet wurde, zumindest eine Weile. Ich weiß gar nicht, ob das immer noch so ist. Da können Sie sicherlich auch aufklären.

Dr. Henriette Rudolph - Genau. Ich würde das einmal nacheinander am besten hier erklären, weil das doch ein bisschen komplex ist. Also das Long Covid wird es ja bei Erwachsenen schon relativ gut definiert als Erkrankung, die eben mit vermehrter Müdigkeit, Kopfschmerzen und Belastungsbeschwerden einhergeht. Und da gibt's ganzen definierten Katalog an Symptomen, die die Patienten aufweisen und auch sehr viele Daten. Aber bei Kindern ist das deutlich schwieriger zu erfassen, denn im Moment arbeitet da auch eine Arbeitsgruppe dran intensiv um überhaupt eine exakte Definition für das Kindesalter zu erstellen. Und es ist natürlich auch sehr schwierig zu differenzieren, ob die Symptome jetzt wirklich mit der Corona-Infektion zusammenhängen oder mit den psychischen Belastungen, die wir bei den Kindern sehen. Durch die Pandemie vor allem durch letztes Jahr durch den langen Lockdown. Und da gibt's es eine ganz interessante Studie aus in Sachsen, die haben insgesamt 14 ostsächsische Gymnasien seit Mai 2020 überwacht zu verschiedenen Phasen der Pandemie. Initial war die darauf angelegt, um zu gucken, wie viele sich in der Schule infizieren und wo die Infektionsketten zu finden sind. Aber parallel haben die eben auch was sehr interessantes gemacht. Die haben allen Teilnehmern im März bzw. April 2021 einen Long Covid Fragebogen ausgeteilt. Und da ging's es eben zur Häufigkeit von Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisverlust, Antriebslosigkeit, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Muskelschmerzen, Gliederschmerzen, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen. Und die haben den Schülern aber vorher nicht gesagt, ob sie positiv waren oder nicht, also ob sie eine Covid-Erkrankung hatten oder nicht und haben dann eben im Nachhinein nach der Auswertung dieser Fragebögen genau geguckt, welche Kinder hatten wirklich eine Covid-Infektion und welche nicht. Und das Interessante an dieser Arbeit war, dass im Prinzip kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen entstand und insofern ist es ziemlich schwierig im Moment dieses Long Covid Krankheitsbild wirklich im Kindesalter da Aussagen zu treffen, weil es halt sehr komplex ist. Also es gibt auch ausländische Daten in dem sie speziell aus Italien, die jetzt sich fokussiert haben auf die Patienten, die die wirklich Covid durchgemacht hatten. Und die haben natürlich eine deutlich höhere Rate an Long Covid Symptomen. Aber es ist halt glaube ich bei den Kindern extremst schwierig, das zu differenzieren mit denen Beschwerden, die sie auch entwickelt haben, durch die lange Zeit in Isolation, ohne Hobbys, ohne Freunde, ohne Schule. Ja, das war schon eine außergewöhnliche Belastung. Insofern denke ich, da müssen wir einfach die nächsten Monate abwarten und sehen, was da für Daten jetzt noch kommen.

Peter Glück - Also verstehe ich Sie richtig, dass Sie sagen, also Symptome eben wie starke Müdigkeit und usw. weiter das kann auch eine Folge des Lockdowns sein? Die Folge einer depressiven Verstimmung, möglicherweise in Folge der der sozial schwierigen Situation.

Dr. Henriette Rudolph - Ja, auf jeden Fall. Denn wir haben ja im Kindesalter erschreckend gesehen, dass durch diese langen Schulschließungen und Kita Schließungen auch also gerade in Bezug auf die Gewichtsentwicklung bei Kindern, das auch ziemlich aus dem Ruder gelaufen ist. Also wir haben im Prinzip jetzt die Kinder, die schon eine Neigung zum Übergewicht hatten. Die haben massiv zugenommen durch den langen Lockdown. Und die Kinder, die sowieso eine Neigung zu einer Essstörung oder eher Untergewicht hatten, gerade so die jugendlichen Mädchen, die haben nochmal ihre Perzentilen verloren. Also nochmal Gewicht abgenommen. Also wir haben wir sehen in der Praxis quasi fast nicht mehr so normalgewichtige Kinder, sondern man sieht eigentlich durch die Bank weg, eigentlich durch die breite Masse, bei fast allen Kindern Nachwirkungen von diesen langen Lockdown.

Peter Glück - Also wenn ich mal Zusammenfassen würde, korrigieren Sie mich, wenn ich das falsch tue bitte. Was die Ansteckungsgefahr angeht oder die was die Gefahr eines schweren Verlaufs angeht, da sehen Sie das Risiko weiterhin bei Kindern sehr niedrig, was das Risiko bei Long Covid angeht, da sagen Sie, da wissen wir einfach noch nicht viel. Aber was wir auf jeden Fall wissen, dass auch die Folgen des Lockdowns schwere folgenschwere Schäden zum Teil mit sich zu ziehen.

Dr. Henriette Rudolph - So ist der aktuelle Stand der Daten zumindest.

Peter Glück - Dann müssen wir jetzt noch wie angekündigt auf das Thema PIMS kommen. Also diese teils schwerwiegende Corona-Folgerkrankung, die bei Kindern beobachtet wurde. Dabei kann es unter anderem zu hohem Fieber, Hautausschlag, Übelkeit und Erbrechen und teilweise auch zu Organ-Problemen kommen. Wie ist da die Lage?

Dr. Henriette Rudolph - Wir haben dafür in Deutschland ein Survey auch über die Deutsche Gesellschaft für Kinder Infektiologie, wo die Krankenhäuser dazu angehalten sind, die PIMS Fälle zu melden und Stand 28.11. da hatten wir bis jetzt seit Beginn der Pandemie 468 PIMS-Fälle. Und Folgeschäden von diesen 468 Fällen für ganz Deutschland hatten nur 6,4 Prozent. Insgesamt sind Jungen etwas häufiger getroffen als Mädchen und international scheint es eher so, dass das eher so die älteren Kinder die betroffen sind, also eher so um die 9 Jahre plusminus in Deutschland. Komischerweise waren es eher jüngere Kinder, also da waren fast die Hälfte der Kinder, also zweiundvierzig Prozent jünger als 7 Jahre und nur ein Drittel gehörten der Gruppe 7 bis 10 Jahre an und ein Drittel waren über 11 Jahre alt. Genau also insgesamt ist es in Deutschland ein sehr seltenes Krankheitsbild. Und was uns auch aufgefallen ist gerade anhand von diesem Survey dass es gerade während der Delta Variante noch seltener geworden ist und glücklicherweise auch relativ gut einen guten Verlauf nimmt und gut behandelbar ist, wenn man es, wenn man es rechtzeitig feststellt und behandelt.

Peter Glück - Okay, gut danke für die Einordnung an der Stelle. Dann lassen Sie uns jetzt mal zu den Risiken der Impfung schauen. Also bei jüngeren Kindern was ist da bisher bekannt?

Dr. Henriette Rudolph - Genau also die Impfung an sich dieser mRNA- Impfstoff von Biontech das Comirnaty. Das ist ja schon sehr gut erforscht an den Erwachsenen. Und jetzt es eben aktuell die Zulassungsstudie, die im September bei der erste Mal bei der amerikanischen Food and Drug Administration eingereicht wurde zur Zulassung und dann in ein paar Wochen später auch bei der EMA bei der Europäischen Arzneimittelbehörde. Und die hatten zwei Kohorten. In der ersten Kohorte hatten sie etwas über 2000 Probanden und zwischen 5 und 11 Jahren und davon etwa 1518 Patienten, die zwei Impfungen im Abstand von drei Wochen erhalten hatten. Der Impfstoff ist derselbe wie der für die Erwachsenen. Allerdings nur ein Drittel der Dosis der Erwachsenen. Und dann hat die FDA in Amerika gesagt, sie brauchen aber noch ein bisschen mehr Daten. Deswegen hat man noch eine zweite Kurorte eingereicht und das waren dann nochmal mal weitere zusätzliche 1400 Patienten. Also für die Zulassungsbeantragung hatte man knapp 4000 Patienten, die diesen Impfstoff erhalten haben, in der Altersgruppe zwischen 5 und 11 Jahren. Und in diesen beiden Kohorten gab es keine schwerwiegenden Nebenwirkungen. Und wenn man das vergleicht mit den Kindern zwischen 12 und 16 Jahren dann waren die Nebenwirkungen sogar sehr sehr viel geringer. Also die Hauptnebenwirkung war eigentlich so ein Schmerz an der Injektionsstelle und Fieber war auch eine Nebenwirkung, wobei das auch deutlich seltener war als bei den 12 bis 16-jährigen. Auch Kopfschmerzen und Müdigkeit waren deutlich seltener als bei den 12 bis 16-jährigen und weitere schwerwiegende Nebenwirkungen wurden bisher nicht berichtet. Und was man dazu sagen kann, dass während diese Zulassungsbeantragung lief bzw. von der FDA abgeschlossen war, das ist jetzt ungefähr 3 Wochen her, sind ja jetzt in USA inzwischen auch die Impfkampagnen gestartet und da sind jetzt noch Daten von über 2 Millionen Kindern dazugekommen. Und auch bei diesen Kindern hat man bisher keine schwerwiegenden Nebenwirkungen feststellen können.

Peter Glück - Das ist auf jeden Fall schon mal beeindruckend, diese Zahl. Ein Risiko, über das ja auch schon viel berichtet wurde in den letzten Monaten, das war die Herzmuskel-Entzündung, die vereinzelt aufgetreten war in Folge einer Impfung bei Erwachsenen. Gibt's dieses Risiko auch bei Kindern weiß man da was?

Dr. Henriette Rudolph - Das ist eine wichtige Frage, also da möchte ich einige Sachen vorab sagen. Also insgesamt ist es ja so, dass die Covid-Infektionen auch ein Risiko der Herzmuskel-Entzündung mit sich bringt. Also wenn man das Risiko von Menschen ohne Corona-Infektion mit dem mit durchgemachten Corona-Infektion vergleicht, dann ist das Risiko um das 16 fache erhöht eine Herzmuskel Entzündung zu entwickeln. Und das Risiko ist besonders hoch auffällig hoch bei Personen unter 16 Jahren. Also es besonders eine junge Altersgruppe, die an diesen Herzmuskel Entzündung betroffen ist.

Peter Glück - Infolge der Erkrankung?

Dr. Henriette Rudolph - Infolge der Erkrankung, wobei es da eben zu den tatsächlich zu dieser kleinen Gruppe zwischen fünf und 11 Jährigen wenig Daten gibt. Aber die FDA hat dazu auch einen sogenannten Benefit-Riks-Ratio berechnet, weil sie natürlich wissen wollten, ist jetzt in der Altersgruppe 5 bis 11, wo ja die Erkrankung relativ milde verläuft das überhaupt gerechtfertigt, dann so eine Impfung zuzulassen, die eventuell potentiellen Risiko so oder Herzmuskel-Entzündung mit sich bringt? Und da fehlten allerdings die Zahlen eben in der Gruppe 5 bis 11 Jahre, weil da eben wenig Herzmuskel-Entzündung bisher berichtet sind. Und man weiß aber von der Gruppe von den 12 bis 17-Jährigen, das hat man allerdings nicht direkt in der Zulassungsstelle gesehen, sondern erst, als man dann eben breitflächig die Impfung angewendet hat - dass tatsächlich Jungs ungefähr durch die Impfung ein Risiko von 1 zu 17 000 haben eine Herzmuskel Entzündung entwickeln. Bei Mädchen ist das Risiko 1 zu 100 000 in der Gruppe von den 12 bis 16-Jährigen. Und die diese Herzmuskel-Entzündungen verliefen aber alle relativ leicht und sind bisher alle ohne Folgen Schäden ausgeheilt. Wobei da natürlich Langzeit-Untersuchungen jetzt über die nächsten fünf Jahre laufen, wo die regelmäßig kontrolliert werden, um das genau abschätzen zu können. Aber im Moment sieht es so aus, dass in der Gruppe von den Fünf bis Elfjährigen, obwohl da jetzt über ein, zwei Millionen Kinder zumindest die erste Dosis erhalten haben, wurden bisher noch keinem Herzmuskel-Entzündung berichtet. Und da muss man allerdings auch einschränkend auch wieder dazu dazusagen, dass aber der Großteil der Herzmuskel Entzündung auch erst nach der zweiten Impfdosen, und zwar ungefähr zwei bis drei Wochen im Nachhinein, entstanden ist. Also muss man da die nächsten Wochen noch abwarten. Und ich denke, das ist auch ein wesentlicher Faktor, warum die STIKO sich im Moment noch Zeit lässt mit der Entscheidung, weil sie gerade diesen Faktor eben besonders als wichtig einschätzt, um das noch genauer abzuchecken. Also zusammenfassend kann man sagen, das Risiko ist wahrscheinlich sehr sehr gering nach der Impfung die Herzmuskel-Entzündung zu entwickeln. Aber ganz ausschließen kann man es im Moment noch nicht.

Peter Glück - Gibt es vor Vorerkrankung bei Kindern, wo man sagen würde ja, hier ist es mit Sicherheit sinnvoller darüber nachzudenken das Kind impfen zu lassen? Und auf der anderen Seite gibt es auch Vorerkrankungen, wo eine Impfung Kindern schaden könnte?

Dr. Henriette Rudolph – Genau. Also inzwischen weiß man, dass es ganz klar Risikogruppen für einen schweren Corona-Verlauf gibt, auch bei Kindern. Die sind im Wesentlichen relativ ähnlich zu den Risikogruppen bei Erwachsenen. Aber bei Kindern ist es insbesondere auch Trisomie 21 und Primärer Immundefekt, das ja bei Erwachsenen eher seltener ist, die eben die Kinder prädisponiert für ihren schweren Verlauf. Kinder unter einem Jahr sind besonders gefährdet, Frühgeborene, Kinder mit Asthma, chronischen Magen-Darm Erkrankungen, Diabetes, die irgendeine Form von Immunsuppression haben, sei es durch eine onkologische Erkrankung, durch eine rheumatologische Erkrankung und eben auch die übergewichtigen Kinder und die Kinder mit angeborenen Herzfehler. Also wir haben klar definierte Risikogruppen und diese Risikogruppen, das war z.b. auch bei der Zulassung durch die STIKO von den 12 bis 16-Jährigen so, so dass man die erst vorgezogen hat und erst mal empfohlen hatte die zu impfen und dann als die sozusagen dann ausreichend immunisiert waren, hat man das ja erweitert. Dann auf alle Kinder zwischen 12 und 16 Jahren. Und ich könnte mir vorstellen, dass diesmal auch die STIKO zuerst diese Risikogruppen vorziehen wird und dann erst die breite Masse für die breite Masse die Empfehlung abgeben wird.

Peter Glück - Und Erkrankungen wo man sagen würde, ah da kann eine Impfung eher schaden gibt es das auch?

Dr. Henriette Rudolph - Da fällt mir jetzt so ad hoc keine ein. Da es ja kein Lebendimpfstoff ist, denke ich. Natürlich muss die Indikation zur Impfung auch immer mit dem betreuenden Arzt mit dem Kinderarzt geht am besten im Idealfall diskutiert werden, der das Kind am besten kennt und das am besten mit einschätzen kann. Aber genau, prinzipiell denke ich da eine richtige Kontraindikation für die Impfung gibt es da eigentlich nicht.

Peter Glück - Wenn jetzt der Impfstoff für die unter 12 jährigen kommt. Ich hatte es eingangs erwähnt Bundesgesundheitsminister Spahn hat so den 20. Dezember in Aussicht gestellt, dass dann wirklich millionenfach Impfdosen zur Verfügung stehen. Dieser Impfstoff dann speziell für die unter 12-Jährigen der unterscheidet sich ja ein bisschen von dem Impfstoff den Erwachsene bekommen.

Dr. Henriette Rudolph - Richtig, genau. Also zum einen ist es nur ein Drittel der Dosis der erwachsenen Dosis, also Erwachsene erhalten 30 Mikrogramm und Kinder eben nur 10 Mikrogramm. Und zum anderen hat er jetzt eine ein bisschen andere Formulierung, also der erste Impfstoff für die Erwachsene über ein Kochsalz gelöst. Der jetzt hat einen anderen Puffer der ermöglicht, dass es auch ein bisschen länger im Kühlschrank gelagert werden kann, was ja auch ein bisschen mehr Praktikabilität mit sich zieht. Und im Moment gibt's es also diesen Kinder Impfstoff nur in USA und Israel also in Deutschland ist ja leider noch nicht verfügbar. Und dann stellt sich natürlich die Frage, warum nimmt man dann nicht einfach jetzt die erwachsenen Ampullen und zieht da einfach ein Drittel der Dosis heraus? Und da hat aktuell die Deutsche Gesellschaft für Kinder-Infektiologie zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin eine Stellungnahme herausgegeben, dass man das eher nicht empfehlen würde, da das Volumen extrem klein wäre, das man rausziehen würde. Das wären nur 0,1 Milliliter. Und da ist natürlich unklar, ob so eine kleine Menge bei einer Impfung überhaupt ausreichend wirksam ist. Also im Zweifel unterdosiert man dann eventuell den Impfstoff. Und deswegen würde man eher im Moment davon abraten so ein Off-Label-Use zu praktizieren von der erwachsenen Impfung. Natürlich kann ich aus der eigenen Erfahrung sagen, dass einige Kollegen die jetzt mit Risikopatienten zu tun haben, jetzt z.b. Kindern mit Trisomie 21 die natürlich extremst gefährdet sind, auch diese Off-Label-Praktik praktizieren. Und da gibt's es auch jetzt die Online-Forum wo sich Eltern und Ärzte zusammengetan haben um ebenso Termine für solche Off-Label-Impfungen zu kommunizieren. Ich persönlich finde das ziemlich schwierig im Moment. Also so schwierig das ist in der aktuellen Situation mit den ansteigenden Zahlen, muss man doch einfach noch ein bisschen Geduld haben denke ich bis wirklich dieser Kinder-Impfstoff verfügbar ist

Peter Glück - Also von diesen sogenannten Off-Label-Impfungen, also wenn man den Erwachsenen-Impfstoff einfach geringer dosiert an Kinder verabreicht. Da höre ich jetzt, dass davon würden sie eher abraten. Und Sie plädieren dafür, auf den Impfstoff speziell für Kinder zu warten.

Dr. Henriette Rudolph - Ja, also so würde ich das aktuell sagen. Es ist natürlich alles im Fluss im Moment und es kann nächste Woche schon wieder ganz anders sein. Aber zum aktuellen Zeitpunkt haben wir uns als Fachgesellschaft dazu entschieden, auf die wirkliche Kinder-Dosierung zu warten, um eben Fehldosierungen zu vermeiden.

Peter Glück - Frau Dr. Henriette Rudolph, vielen Dank für das Gespräch und die vielen Informationen.

Dr. Henriette Rudolph - Vielen Dank für die Einladung.

Peter Glück - Mein Name ist Peter Glück und ich freue mich, dass Sie heute zugehört haben. Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, dann freuen wir uns, wenn Sie uns kostenlos folgen oder abonnieren. Das geht bei Spotify oder Apple Podcasts zum Beispiel. Und Sie bekommen dann immer sofort Bescheid, wenn es eine neue Folge von uns gibt. Immer mit einem wichtigen Aspekt zur Corona-Pandemie.

Klartext Corona - Ein Podcast von gesundheit-hören.de und der Apotheken Umschau.

Redaktion: Peter Glück, Kari Kungel
Schnitt und Post-Produktion: Peter Glück, Yves Seissler
Wissenschaftliche Prüfung: Dr. Andreas Baum

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