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Knapp 23 Milliarden Euro gab die gesetzliche Pflegeversicherung 2012 für Leistungen aus. 2022 lagen die Ausgaben bei mehr als 60 Milliarden Euro – ein Plus von rund 160 Prozent innerhalb von zehn Jahren. Für den rasanten Anstieg gibt es gute Gründe: Vor allem im ambulanten Bereich wurden Leistungen ausgebaut, die pflegebedürftige Menschen und ihre Familien entlasten sollen. Gleichzeitig stellte die Politik die Definition von Pflegebedürftigkeit auf ein breiteres Fundament, sodass heute mehr Betroffene Hilfe erhalten. Und doch kommt man bei einem solchen Ausgabensprung nicht um die Frage herum: Wohin soll das noch führen?

Viele Ideen - wenig Durchsetzungsmöglichkeiten

Die Zahlen sind nur ein Indiz dafür, dass die Pflege alter und chronisch kranker Menschen in einer Sackgasse steckt. Ideen, es anders zu machen, gibt es viele – so lautet die gute Nachricht. Die schlechte ist: Wer Ideen umsetzen möchte, tut sich im starren Regelwerk des Systems oft sehr schwer.

Das gilt etwa, wenn ein Pflegeheim mehr will, als die ihm anvertrauten Menschen gut zu versorgen – und sich darum bemüht, die Pflegebedürftigkeit zu verringern. Im besten Fall vielleicht so weit, dass die Betroffenen wieder zu Hause leben können. Heimleitungen, die so arbeiten (ja, es gibt sie), stoßen auf erstaunliche ­Hindernisse. Denn die Sozialversicherung zieht hier eine Grenze.

Kaum Nachtpflege in Deutschland

Für therapeutische Maßnahmen ist in erster Linie die Krankenkasse zuständig, für Pflege und Betreuung die Pflegekasse. Beides in derselben Einrichtung zu verbinden erlaubt das System nur in Ausnahmen, etwa in sogenannten Modellprojekten. Hinzu kommt, dass die Leistungen der Pflegeversicherung von einer Abwärtsspirale ausgehen. Je höher der Pflegegrad – je größer also der Pflegebedarf –, desto mehr Geld fließt ans Heim. Wird ­jemand wieder fitter, zahlt die Pflegekasse weniger. Ein Unding.

Ein weiteres Beispiel: Seit einigen Jahren stellt die Pflegekasse ein Budget für die Tages- und Nachtpflege ­bereit. Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr als 4500 Einrichtungen nur für Tagespflege. Nachtpflege ­findet dagegen praktisch nicht statt – bundesweit findet sich nur eine Handvoll Angebote. Ein Grund dürften die Vorgaben sein. Sie untersagen es in der Regel, Tages- und Nachtpflege am selben Tag zu kombinieren. Wer bis Nachmittag in der Tagespflege war, darf anschließend nicht in der Einrichtung bleiben und dort übernachten. Praxisferner geht es kaum, zumal eine Münchner Erhebung zeigt, dass so ein Kombi-Modell Angehörige von demenzkranken Menschen spürbar entlasten könnte.

Kreative Regeln notwendig

Sicher, ein so sensibler Bereich wie die Pflege braucht Regeln. Aber diese sollten Kreativität und Engagement eher befeuern als blockieren. Das würde am Ende allen helfen: Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, etwa indem das Angebot besser zum Bedarf passt. Pflegekräften, denn die Erfahrung zeigt, dass in neuen Pflegeformen auch die Freude am Beruf wächst. Und den Kassen, weil so auch Kosten gespart werden könnten. ­Allein immer mehr Geld ins System zu pumpen reicht nicht aus.

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Quellen:

  • Statistisches Bundesamt: Pflegeheime (Anzahl). Gliederungsmerkmale: Jahre, Deutschland, Pflegeangebot, Träger, Kapazitätsgrößenklassen. https://www.gbe-bund.de/... (Abgerufen am 13.09.2023)
  • AOK-Bundesverband: Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung. Online: https://www.aok.de/... (Abgerufen am 13.11.2023)