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Nun kann ich mir sicher sein: Ich habe genauso gut operiert wie meine Kollegen – obwohl ich keinen Penis habe. Meine insgeheime Vermutung hat jetzt eine Studie aus Japan bestätigt. Diese hat untersucht, ob es einen Unterschied macht, wer im Operationssaal das Messer führt: Mann oder Frau. Überraschendes (Achtung, Ironie!) Ergebnis: Es ist egal. Zumindest war das die große Meldung, die in den Medizin- Medien verbreitet wurde: „Frauen operieren genauso gut wie Männer.“

Nicht nur gleich gut, sondern besser

Bei genauerem Lesen der Studie fällt allerdings auf: Das stimmt so nicht. Die Frauen waren nicht „genauso gut“, sie waren besser! Sie operierten früher in ihrer Karriere komplizier­tere Fälle und kränkere Menschen. Und dennoch waren die Komplika­tionsraten bei den von ihnen durchgeführten Eingriffen nicht höher und es kam nicht zu mehr Todesfällen. Obwohl die Bedingungen für die betrachteten Chirurginnen viel schlechter waren als für ihre Kollegen.

Es gibt noch mehr Studien, bei denen Ärztinnen im Vergleich zu Ärzten besser abschneiden: höhere Überlebenswahrscheinlichkeit bei Herzinfarkten, geringere Sterblichkeit bei stationärer Behandlung, weniger Komplikationen nach chirurgischen Eingriffen. Die Ergebnisse werden aber oft mehr als skeptisch betrachtet. Ein Mediziner fragte in einem deutschen Magazin ganz direkt: „Sind Frauen die besseren Ärzte: Kann das wirklich sein?“ Sein (gefühltes) Fazit war: Na ja, sie sind zumindest genauso gut. Schon wieder. Mehr als „genauso gut“ wie Männer kann man als Frau in der Medizin offenbar nicht werden. Dabei beweisen alle hier angeführten Unter­suchungen das Gegenteil.

Eine Frage, die sich dabei natürlich aufdrängt: Wieso sind Frauen denn besser? Auch hierzu findet man Untersuchungen: Frauen halten sich eher an die Leitlinien, nach denen behandelt werden sollte. Sie hören den Patientinnen und Patienten länger zu, ohne sie zu unterbrechen, und bieten ihnen öfter Vorsorgemaßnahmen an.

Geringer bewertet, nicht gesehen, unterschätzt

Aber warum platzen dann nicht die Führungsriegen von Krankenhausabteilungen, medizinischen Gesellschaften und Universitäten vor lauter weiblicher Kompetenz? Die Antwort ist denkbar simpel: weil die bessere ­Arbeit von Frauen schlicht nicht gesehen wird. Dieses Phänomen tritt auch in anderen Bereichen auf, etwa im Online-Marketing oder in der wissenschaftlichen Förderung, und ist in einigen Untersuchungen beschrieben: Die Leistungen von Frauen werden geringer bewertet, nicht gesehen, unterschätzt.

Wir müssen anfangen, Frauen – in ­allen Bereichen der Wissenschaft und insbesondere der Medizin – die Expertise zuzutrauen, die sie tatsächlich haben. Das rettet de facto Leben. ­Ihnen mehr Sichtbarkeit geben, kann ein Anfang sein. Daher sucht die Redaktion der Apotheken Umschau auch immer gezielt nach Expertinnen für Beiträge. So kann sich das Bild langsam etablieren: Medizinerinnen können mehr sein als „genauso gut“ wie Männer.