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Warum wird jetzt darüber geredet?

Den Tumor so früh wie möglich erkennen, um ihn wirksam bekämpfen zu können: So lautet seit vielen Jahren das Mantra der Krebsmedizin. Für einige häufige Krebsarten gibt es inzwischen gut etablierte Methoden der Früherkennung. Sie haben die Heilungschancen vieler Patientinnen und Patienten deutlich erhöht. Doch Tumore können in allen Geweben des Körpers entstehen – und für jede Krebsart eine eigene Früherkennungsmethode zu entwickeln, ist kaum praktikabel. In der Forschung wird daher nach Methoden gesucht, um mehrere Krebsarten gleichzeitig erkennen zu können, möglichst früh und mit einfachen Mitteln. Am besten im Blut.

Dafür macht man sich die Erkenntnis zunutze, dass Krebszellen Spuren im Blut hinterlassen. Zu diesen Spuren gehört etwa Erbgut aus zerstörten Tumorzellen, die sogenannte zellfreie DNA. Dieses Erbgut weist die für Krebs typischen Veränderungen auf. Allerdings lässt es sich oft erst aufspüren, wenn der Tumor streut und nur noch schwer zu behandeln ist.

Auf der Suche nach anderen, früher im Blut nachweisbaren Spuren ist die Wissenschaft auf Zuckermoleküle gestoßen. Die sogenannten Glykosaminoglykane, kurz GAGs, sitzen in einer jeweils typischen Zusammensetzung auf der Oberfläche von gesunden wie kranken Zellen. Die Zusammensetzung lässt sich ebenso im Blut messen wie andere biologische Moleküle. So konnte ein Forschungsteam aus Schweden einen Test für 14 Krebsarten entwickeln.

So funktioniert der Bluttest auf Krebs

Was ist das Besondere daran?

Tatsächlich weisen veränderte Zuckerprofile in Blut und Urin bis zu 18 Monate im Voraus auf eine spätere Krebsdiagnose hin. Das konnte das schwedische Team an einer großen Gruppe von mutmaßlich Gesunden zeigen, die im Rahmen einer allgemeinen Gesundheitsstudie über einen längeren Zeitraum beobachtet und bei denen immer wieder Blut- und Urinproben genommen wurden.

„Ein Teil dieser Menschen erkrankte im Verlauf der Untersuchung an Krebs“, erläutert Professorin Almut Schulze vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. „Und bei diesen Menschen konnte man im Blut zum Teil eineinhalb Jahre vor der Diagnose Veränderungen im Profil der Glykosaminoglykane sehen.“ Darunter waren Tumore, die auch zum Zeitpunkt der späteren Diagnose noch relativ klein waren und noch nicht gestreut hatten.

Zudem zeigte eine andere Untersuchung, dass die Zuckerprofile einen Hinweis auf die Aggressivität der Tumore geben können. In derselben Analyse fand man heraus, dass Krebserkrankte mit einem zuvor gänzlich unauffälligen Zuckerprofil in Blut und Urin mit größerer Wahrscheinlichkeit eine gute Prognose hatten.

Wann profitieren Erkrankte?

Tauglich für den Einsatz an Patientinnen und Patienten ist das Verfahren derzeit noch nicht. Das macht das Forschungsteam in seiner Veröffentlichung deutlich. Und auch Almut Schulze sieht derzeit noch keinen Anlass, den Test anzuwenden. „Die Frage ist, welche Schlüsse in der Praxis aus solchen Testergebnissen zu ziehen wären“, sagt die Expertin.

Ein Test auf der Grundlage der Zuckerreste gebe vielleicht Hinweise darauf, in welchem Gewebe sich möglicherweise Krebs entwickelt. Er könne jedoch keinen genauen Ort angeben und auch nicht sicher sagen, ob tatsächlich ein Tumor vorliegt. „Solange entsprechende Tests nicht sehr präzise und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Krebserkrankung im jeweiligen Organ erkennen, wäre es sehr heikel, darauf aufbauend weitere Untersuchungen vorzunehmen oder sogar Gewebeproben zu veranlassen.“

Nach Auffassung der Professorin müsste das Verfahren deutlich verfeinert werden – nicht zuletzt, um andere Erkrankungen auszuschließen, die hinter einem veränderten Zuckerprofil in Blut und Urin stecken können. Schließlich sei zu bedenken, was eine mögliche Krebsdiagnose für Betroffene bedeutet. Trotz der inzwischen guten Therapiemöglichkeiten löst sie oft große Angst aus.


Quellen:

  • Bratulic S, Limeta A, Dabestani S et al.: Noninvasive detection of any-stage cancer using free glycosaminoglycans. In: PNAS online 05.12.2022, 119: 0