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Bevor ich mit meinen Fragen beginne: Ist es für Sie in Ordnung, wenn ich das Fenster schließe? Mir ist ein wenig kalt.

Das macht mir jetzt etwas Sorgen. Ich habe die Raumtemperatur gerade nachgemessen: Es hat exakt 21,2 Grad. Sie sind sicher, dass bei Ihnen kein Infekt im Anzug ist? Rücken Sie doch etwas näher. Wir können das gleich mal nachmessen.

Vielen Dank! Ich fühle mich gesund. Wobei Sie mich auf eine interessante Frage bringen: Wenn man Fieber bekommt, steigt bekanntlich die Körpertemperatur. Wie kann es sein, dass man fröstelt und nicht schwitzt?

Eine gute Beobachtung. Wie Sie sehen, ist Fieber eine Wissenschaft für sich. Sie müssen sich das so vorstellen: Wie das Thermostat hier die Temperatur im Raum regelt, so gibt es im Gehirn einen Bereich, der das für den Körper erledigt. Er sitzt im sogenannten Hypothalamus, im Zwischenhirn. Normalerweise ist dieser Temperaturregler auf etwa 37 Grad eingestellt. Verbreiten sich Krankheitserreger im Körper, kann das dazu führen, dass das Thermostat im Gehirn verstellt wird, zum Beispiel auf 40 Grad. Im Körper ist es also kälter, als es sein sollte – und das führt dazu, dass man fröstelt. Man kann also vor Kälte schlottern, obwohl man bereits hohes Fieber hat. Und umgekehrt: Oft ist man schweißgebadet, wenn das Fieber schon sinkt.

Sehr interessant. Das war mir so nicht klar.

Sehen Sie, da geht es Ihnen wie den Ärzten, als wir ihnen noch nicht als zuverlässige Assistenten zur Seite standen. Davor konnte man, um die Körpertemperatur zu beurteilen, höchstens die Hand auf die Stirn eines Kranken legen. Oder ihn fragen, wie er sich fühlt. Dass das mit wissenschaftlicher Exaktheit nichts zu tun hat, brauche ich nicht zu sagen. Dennoch gab es unter Medizinern anfangs hitzige Debatten, ob es wichtig ist, die Körpertemperatur zu messen. Zumal man lange nicht wusste, dass Fieber die wahre Krankheit nur begleitet. Man hielt es selbst für die Krankheit.

Verständlich, so hundsmiserabel wie man sich dabei fühlt. Gut, dass es heute fiebersenkende Medikamente gibt.

Die sind aber nicht immer nützlich! Und das sage ich nicht, weil ich ohne Medikamente mehr zu tun habe. Glauben Sie, der Körper heizt uns umsonst so ein? Bei Fieber läuft sich die Körperabwehr richtig heiß – während manche Krankheitserreger die Hitze schlecht vertragen. Wenn Sie sich mit Arzneimitteln einen kühlen Kopf verschaffen, hemmen sie damit den Angriff des Immunsystems. Das wissen sogar Frösche und Leguane – und setzen auf Fiebertherapie.

Jetzt verschaukeln Sie mich aber. Man lernt ja schon im Biologie-Unterricht, dass diese Tiere wechselwarm sind. Sie sind also immer so kalt oder heiß wie ihre Umgebung – und können gar kein Fieber bekommen.

Sie müssen schon genau zuhören. Ich habe nicht gesagt, dass sie Fieber bekommen. In Untersuchungen haben Forscher zum Beispiel Frösche und Leguane mit Bakterien infiziert. Und siehe da: Sie suchten einen wärmen Ort auf als gewöhnlich, etwa um zwei Grad. Aber ich sehe, dass Sie ihre Jacke wieder angezogen haben. Wollen Sie nicht doch mal messen? Nur so können wir sicher sein.

Wenn es unbedingt sein muss. (Öffnet den Mund)

Nein, nein! Zumal Sie ja gerade einen heißen Kaffee getrunken haben. Das verfälscht die Ergebnisse. Würde Sie sich bitte frei machen?

Ich höre ja wohl nicht recht? Auf keinen Fall!

Jetzt entspannen Sie sich mal. Unangenehm wird es nur, wenn man die Pobacken zusammenkneift. Ich bin eine geprüfte medizinische Fachkraft. Wo ich messe, lässt mich völlig kalt. Für mich zählt nur die Exaktheit. Und die ist rektal, also im Po, noch immer am größten.

Und was ist mit dem ganzen Fortschritt der Technik, mit Infrarot, Stirn-Thermometern, Messungen im Ohr?

Zugegeben, auch meine Kollegen machen keinen schlechten Job. Mit einem Ohr-Thermometer können Sie mittels Infrarot recht exakte Messungen vornehmen, allerdings nicht, wenn Sie an einer Mittelohrentzündung oder zu viel Ohrenschmalz leiden. Bei Messungen an der Stirn liegt man dagegen oft weiter daneben. Bis zu zwei Grad zu wenig misst man unter der Achsel. Auch ich kann dort keine besseren Werte erhalten.

Wie kommen Sie überhaupt zu ihrer Messung? Statt einer Skala sehe ich nur ein kleines graues Fenster.

Dort erscheint die Temperatur, und das auf ein Zehntel Grad genau. Ich bin ein Digitalthermometer und ermittele meine Werte über einen Sensor. Mit der Temperatur verändert sich sein elektrischer Widerstand – eine ganz andere Methode als bei meinen Ahnen, den Quecksilberthermometern. Als der Franzose Daniel Gabriel Fahrenheit Anfang des Jahres 1714 die ersten entwickelte, waren sie übrigens noch mehr als 60 Zentimeter lang.

Autsch! Das will ich mir gar nicht vorstellen.

Zum Fiebermessen taugte das natürlich schlecht. Die heiße Phase unseres Erfolgs begann erst, als der englische Arzt Thomas Clifford Allbutt das Fieberthermometer 1867 auf 15 Zentimeter verkürzte. Darin steckte aber noch lange Quecksilber, ein flüssiges Metall, das sich bei steigender Temperatur stark ausdehnt. Zerbrach ein Thermometer, sprangen silberne Kügelchen durch den Raum, vor denen man sich hüten musste. Quecksilber ist giftig.

Ich erinnere mich. Meiner Großmutter ist das ein Mal passiert. Sie schüttelte das Thermometer heftig und zerbrach es dabei.

Leider ein häufiges Schicksal meiner Vorgänger. Man hatte die Thermometer nämlich so konstruiert, dass die Quecksilbersäule auf dem höchsten Wert stehen blieb. Danach musste man sie wieder herunterschütteln.

Wie unpraktisch.

Im Gegenteil. Es war ein großer Fortschritt. Zuvor musste das Thermometer so lange im Patienten stecken bleiben, bis der Arzt kam, um es abzulesen. Verständlich, dass dem niemand entgegenfieberte. Dennoch erkannte man zunehmend, wie wichtig exaktes Messen ist, um Krankheiten zu beurteilen. Mit uns Fieberthermometern – das kann ich mit Stolz sagen - begann die Zeit einer wissenschaftlichen Medizin. Bald hing am Krankenbett jedes Patienten und jeder Patientin eine Fieberkurve. Bei Tuberkulosekranken, für die es sogar eigene Kliniken gab, waren wir quasi im Dauereinsatz. Auch, wenn meine Kollegen von damals recht blass aussahen. Sie hatten oft keine Skala zum Ablesen der Temperatur.

Warum denn das? Dann wird ja das Messen sinnlos.

Nicht, wenn man die „Stumme Schwester“, wie man die Thermometer nannte, danach in ein Röhrchen steckt, in dem eine Messskala aufgemalt ist. Die Kranken sollten nicht sehen, wie hoch ihr Fieber ist. Das hätte sie beunruhigen können.

Doch bin auch ich etwas beunruhigt. Inzwischen glühen Ihre Backen richtig. Der Kaffee ist nun schon mehr als eine halbe Stunde her. Ich denke, wir können es auch unter der Zunge versuchen.

Einverstanden. Sie geben ja offenbar nicht auf.

Dachte ich es mir doch: 37,8 Grad. Gut, dass wir gemessen haben. Zwar spricht man erst ab 38 Grad von Fieber. Doch würde ich mich an Ihrer Stelle erstmal mit einer heißen Tasse Tee ins Bett legen. Steigt das Fieber auf über 39 Grad oder ist es nach ein paar Tagen nicht weg, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Und auch wenn Sie sich morgen schon wieder besser fühlen: Messen nicht vergessen!

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