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Die Impfpflicht ist gescheitert. Und zwar gar nicht so knapp. Im Bundestag wurde am 7. April 2022 zuerst über den Gesetzesentwurf für eine Imfpfplicht ab 60 Jahren abgestimmt, dann über den Antrag für einen „Impfmechanismus“ und über zwei Anträge gegen eine Impfpflicht.

Die Ergebnisse dürften für die meisten Antragsteller eine Niederlage bedeuten. Weder der Gesetzesentwurf für eine allgemeine Impfpflicht ab 60 Jahren von Dirk Wiese (SPD), Andrew Ullmann (FDP) und anderen, noch der von der Union eingebrachte Antrag zu einem „Impfmechanimus“, konnten eine Mehrheit erzielen. Auch die beiden Anträge gegen eine Impfpflicht, zum einen von der Gruppe um Wolfgang Kubicki (FDP), zum anderen von der Fraktion der AfD, sind gescheitert.

Reihenfolge führte zu Diskussionen

Schon vor den Abstimmungen hatte es im Bundestag Diskussionen gegeben. Hier waren nicht nur die Gruppenanträge Thema. Auch die Reihenfolge der Abstimmung wurde teils sehr hitzig diskutiert. Die Ampel-Koalition hatte einen Antrag eingebracht, nachdem der Gesetzesentwurf zu einer allgemeinen Impfpflicht ab 60 Jahren zuletzt zur Abstimmung gekommen wäre. Dieser Antrag stieß, vor allem in der Opposition, auf breite Kritik.

Zwar existieren in der Geschäftsordnung des Bundestags keine festgelegten Regeln bezüglich der Abstimmungsreihenfolge, Tradition ist es jedoch, über den „einschneidendsten“ Entwurf zuerst abzustimmen. Der Antrag auf Änderung der Abstimmungsreihenfolge wurde mit 345 zu 339 Stimmen abgelehnt.

Die darauf folgende Abstimmung über die Gruppenanträge hatte zum Ergebnis, dass der Gesetzesentwurf für eine allgemeine Impfpflicht ab 60 Jahren mit 296 zu 378 Stimmen, und der Antrag für einen „Imfpmechanimus“ mit 172 zu 497 Stimmen abgelehnt wurde. Auch die beiden Anträge gegen eine Impfpflicht der Gruppen um Wolfgang Kubicki (FDP) und der AfD-Fraktion wurden mit 85 zu 590, beziehungsweise 79 zu 607 Stimmen abgelehnt.

Weitere Entwicklungen unklar

Kurz nach den Abstimmungen gab es bereits erste Stellungnahmen der Antragsteller. Andrew Ullmann (FDP) signalisierte, als Unterstützer einer allgemeinen Impfpflicht ab 60 Jahren, die Bereitschaft, sich weiterhin um einen Kompromiss zu bemühen. Ob es nun tatsächlich zu erneuten Verhandlungen kommen wird, ist unklar. Bislang gab es viele Diskussionen über die Gesprächsbereitschaft der Union, die sich wiederum gegen eine mangelnde Kompromissbereitschaft vieler Koalitionsabgeordneten aussprach.

Eines ist wohl klar: Der einzige Gewinner dieses Tages ist das Virus.

Im Überblick: die Entwürfe, die in die Abstimmung gingen

Gesetzesentwurf: Impfpflicht ab 60 mit der Möglichkeit einer Aktivierung der Impfpflicht ab 18

Antragsteller: Die Antragssteller setzen sich aus den Gruppen um Dirk Wiese (SPD) und um Andrew Ullmann (FDP) zusammen. Mitinitiatoren sind Abgeordnete der SPD, FDP und des Bündnis 90/Die Grünen. Dieser Antrag wird aller Voraussicht nach unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Gesundheitsexperte Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) unterstützt.

Inhalt: Nachdem eine allgemeine Impfpflicht ab 18 außer Reichweite geraten war, einigten sich die Gruppen um Andrew Ullmann (FDP) und Dirk Wiese (SPD) auf einen Kompromiss: Die Beratung und Aufklärung ungeimpfter Personen steht an erster Stelle. Gleichzeitig soll zunächst eine Impfnachweispflicht für alle Personen ab 60 Jahren gelten. Laut Dirk Wiese solle diese „ab Oktober erfüllt sein“. Hat die Impfpflicht ab 60 bereits im Juni zu einer ausreichenden Steigerung der Impfquote geführt, kann der Bundestag die Regelung durch einen Beschluss auch aussetzen. Im Herbst, vermutlich im September, soll das Parlament auf Grundlage neuer Erkenntnisse über die Aktivierung einer Impfnachweispflicht für alle Personen zwischen 18 und 59 Jahren entscheiden. Zudem soll ein Impfregister entwickelt und implementiert werden.

Begründung: Da Menschen über 60 Jahre den Großteil der Corona-Toten ausmachen, sei dieser Kompromiss ein guter, um die Stabilität des Gesundheitssystems zu gewährleisten.

Gruppenantrag: Der Impfmechanismus in drei Stufen

Antragsteller: Mitglieder der CDU/CSU- Fraktion im Bundestag

Inhalt: Der Antrag sieht ein „Impfvorsorgegesetz“ vor. Dieses Gesetz soll einen „Impfmechanismus“ in drei Stufen enthalten, der erst dann greift, wenn sich die Corona-Lage verschärft und eine unmittelbare Gefahr für das Gesundheitssystem darstellt. Die erste Stufe würde alle Personen ab 60 Jahren enthalten. Die zweite Stufe dann alle Personen ab 50. In der dritten Stufe sollen dann alle Angestellten der kritischen Infrastruktur, etwa Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher und Beschäftgte der Polizei und des Ordnungsamts, zu einer Impfung verpflichtet werden.

Begründung: Eine Allgemeine Impfpflicht sei sehr fraglich, da sie weder das Virus komplett stoppen, noch die Omikron-Welle aufhalten könne. Das Gesetz soll deswegen nur dann vom Bundestag aktiviert werden können, wenn es die Corona-Lage erfordert.

Gruppenantrag: Informationen statt Pflicht

Antragsteller: Initiator des Antrags ist der FDP-Abgeordnete und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki. Unterstützt wird dieser Antrag von einer Gruppe von Mitgliedern aller Fraktionen des Bundestags, mit Ausnahme der AfD.

Inhalt: Der Bundestag wird aufgefordert zu bekräftigen, dass es keine Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 geben wird. Außerdem fordern die Antragsteller eine Ausweitung der Impfkampagne durch mehrsprachige Aufklärungsangebote, Werbespots, persönliche Anschreiben und weitere Mittel.

Begründung: Eine Impfpflicht sei nicht zu rechtfertigen, da auch eine vollständige Immunisierung der Bevölkerung nicht ausreichen würde, die Ausbreitung von Sars-CoV-2 zu stoppen. Außerdem hegen die Antragsteller Zweifel an der Durchsetzbarkeit einer Impfpflicht und verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich einer Impfpflicht, die durch polizeiliche Maßnahmen durchgesetzt wird.

Gruppenantrag: Nein zur Pflicht

Antragsteller: Mitglieder der AfD-Fraktion im Bundestag

Inhalt: Der Antrag spricht sich klar gegen jede Form einer Impfpflicht aus und fordert den Bundestag auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal wieder aufgehoben wird.

Begründung: Die Antragsteller sehen die nötige Verhältnismäßigkeit für eine Impfpflicht nicht gegeben und halten eine Impfplicht deshalb für verfassungswidrig.