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Das war nichts für schwache Nerven an diesem Donnerstag in Berlin. Hitzig und emotional wurde im Bundestag über eine mögliche Impfpflicht für Deutschland diskutiert. Allein die Abstimmung, namentlich und ohne Fraktionszwang, nahm mehr als eine Stunde in Anspruch. Ein Krimi, der bis zuletzt nicht an Spannung verlor. Am Ende schaffte es keiner der vier Anträge durchs Parlament.

Deutschland wird damit keine Impfpflicht bekommen. Das ist bitter mit Blick auf die Infektionszahlen. Und bitter, weil die Zahl der Ungeimpften noch viel zu hoch ist und sich ohne den Druck durch die Impfpflicht scheinbar nicht runterbringen lässt. Zugleich aber hat das Chaos noch ein ganz anderes Problem offengelegt: Die Ampel ist unsicher im Kampf gegen die Pandemie.

Hauptstadtkorrespondentin Stephanie Schersch kommentiert die Bundestags-Entscheidung zur Impfpflicht.

Hauptstadtkorrespondentin Stephanie Schersch kommentiert die Bundestags-Entscheidung zur Impfpflicht.

Ursprünglich hatte der Kanzler höchstpersönlich die allgemeine Impfpflicht zum Ziel der Bundesregierung erklärt. Auch der Gesundheitsminister hatte darauf gesetzt. Doch keiner von beiden schaffte es, die Ampel hinter diesem Vorstoß zu einen. So wurde die Idee immer weiter zusammenschrumpft, bis am Ende nur noch die Impfpflicht ab 60 und unter Vorbehalt übrig war – ein Minimalkonsens, der trotz allem nicht ausreichend Rückhalt bekam.

Keine gute Performance

Bereits in den zurückliegenden Wochen hat die Bundesregierung keine gute Performance in Sachen Corona hingelegt. So hat die Ampel trotz hoher Infektionszahlen viele Coronabeschränkungen gekippt. Ab Mai sollte auch die Quarantänepflicht fallen, kurz darauf kassierte der Gesundheitsminister das Projekt wieder ein. Nun also auch noch das Aus für die Impfpflicht.

In einer Sache hat die Ampel den Karren nicht allein an die Wand gefahren: Die Union hielt mit aller Kraft an ihren Plänen für eine Impfpflicht in drei Stufen fest. Die liegt inhaltlich gar nicht so weit entfernt von der Impfpflicht ab 60. Doch um die Sache schien es ohnehin nur am Rande zu gehen. Zu groß war der Reiz, die Ampel mit einem Dämpfer zu blamieren. Diese Haltung rückt die Union selbst allerdings in kein gutes Licht, wenn Parteitaktik über Inhalten steht.

Neuer Anlauf geplant

Und nun? Die Bundesregierung muss jetzt zügig die Scherben der gescheiterten Impfpflicht aufkehren, denn es gibt viel zu tun. Noch immer ist knapp ein Viertel der Deutschen nicht geimpft, mehr als 40 Prozent fehlt der Booster. Eine neue Infektionswelle ist nicht zu brechen mit diesen Zahlen. Bleibt zu hoffen, dass die Ampel zumindest diese Erkenntnis eint – und sich noch rechtzeitig auf einen einheitlichen Kurs in der Coronapolitik besinnt. Etwa durch einen neuen Anlauf. Der Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann (FDP) signalisierte, als Unterstützer einer Impfpflicht ab 60 Jahren, die Bereitschaft, sich weiterhin um einen Kompromiss zu bemühen. Auch die Union ist scheinbar offen für neue Gespräche.