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Was ist Candida auris und was macht den Erreger gefährlich?

Candida auris (C.auris) ist ein Hefepilz, der 2009 im Gehörgang einer japanischen Patienten endeckt wurde und daher auch die Bezeichnung „auris“ erhielt. Die Herkunft des Pilzes ist unbekannt. Er siedelt sich bei Menschen zum Beispiel auf der Haut an. Wenn es dem Immunsystem nicht gelingt, ihn unter Kontrolle zu halten, kann er sich im Körper ausbreiten und auch in die Blutbahn gelangen. Eine solche Infektion mit Candida auris kann unter anderem für hohes Fieber sorgen und sogar lebensgefährlich sein.

Candida auris bereitet aus zwei Gründen Probleme. Erstens ist er, im Gegensatz zu anderen Candida-Arten, sehr ansteckend. Entsprechend kann er sich – wenn er nicht rechtzeitig durch Hygienemaßnahmen und Isolation der Erkrankten eingedämmt wird – vor allem in Kliniken recht schnell ausbreiten.

Zweitens hat der Pilz über die Jahre zahlreiche Resistenzen gegen Medikamente entwickelt, die speziell gegen Pilze gerichtet sind. Das steigert nicht nur das Risiko für die jeweils Erkrankten. Auch die Gefahr einer Verbreitung ist damit erhöht. Die US-Seuchenkontollbehörde stuft Candida auris als „dringliche Gefahr“ für die öffentliche Gesundheit ein.

Wie und wo verbreitet sich Candida auris aktuell – und warum ausgerechnet jetzt?

„Der Schlüssel, um eine Ausbreitung von Candida auris zu verhindern, liegt darin, die infizierten Patientinnen und Patienten zu isolieren und entsprechende Hygienemaßnahmen zu ergreifen“, sagt Birgit Willinger, Professorin für klinische Mikrobiologie an der Medizinischen Universität Wien.

Gelingt dies nicht, kann sich der Pilz schnell ausbreiten, wie ein Beispiel von 2019 aus der italienischen Region Ligurien zeigt. Als die Klinikärzte den ersten Infektionsfall erkannten,war es schon zu spät: Im Laufe des Jahres erkrankten in Ligurien mindestens 277 Menschen an Infektionen mit Candida auris[1]. Erst Ende 2021 war der Ausbruch unter Kontrolle. Auch in Spanien und England gab es schon größere Ausbrüche. Während in England keine Todesfälle zu verzeichnen waren, betrug die Todesrate in Spanien knapp 41 Prozent. In den USA war Candida auris bereits 2021 weit verbreitet: Bis Ende des Jahres registrierte man dort 3270 Krankheitsfälle[2].

Doch woher rührt diese Zunahme? „Candida auris hat die Fähigkeit entwickelt, den Menschen zu besiedeln und zu infizieren. Zumindest in den USA ist er zudem in den letzten Jahren noch widerstandsfähiger gegen Anti-Pilz-Medikamente geworden – deshalb ist er aktuell auf dem Vormarsch“, sagt Oliver Kurzai, Vorstand des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie an der Universität Würzburg und Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen.

Wie ist die Situation in Deutschland?

Deutschland[3] ist bisher noch sehr glimpflich davongekommen: 2021 und 2022 wurden gerade einmal jeweils 12 Fälle registriert. Das ist weit weniger als die Infektionsrate mit anderen Pilzen, Einer der Hauptgründe für die niedrige Rate hierzulande ist das gute Management der Infektion: „Die bisherigen Candida auris-Infektionen wurden schnell identifiziert und die Patienten anschließend direkt isoliert. Das hat jeweils die Ausbreitung verhindert“, sagt Willinger.

Zu diesem Schluss kommen auch Oliver Kurzais Team aus Würzburg und Jena sowie Experten vom Robert Koch-Institut in einer neuen im Deutschen Ärzteblatt erschienenen Studie. Doch bis sich Candida auris auch in Deutschland ausbreite, sei es wohl nur eine Frage der Zeit. „Man hat hierzulande wahrscheinlich einfach auch ein Stück weit Glück gehabt“, sagt Kurzai.

Für wen ist Candida auris gefährlich – und wer ist nicht betroffen?

Selbst wenn sich Candida auris künftig in Deutschland ausbreitet, ist das noch lange kein Grund zur Panik. „Wer gesund ist und ein gesundes Abwehrsystem hat, dem kann Candida auris in aller Regel nichts anhaben“, sagt Willinger. Bei vielen Menschen besiedele der Pilz bereits die Haut, er stelle jedoch keine Gefahr dar, solange das Immunsystem normal arbeitet.

Wenn das Abwehrsystem eingeschränkt ist, kann Candida auris allerdings gefährlich werden. Insbesondere schwerkranke Menschen, die im Krankenhaus liegen, etwa auf einer Intensivstation, können sich mit Candida auris infizieren. Auch Menschen, die an einer Krebserkrankung leiden oder deren Immunsystem wegen anderer Erkrankungen oder der Einnahme von Medikamenten eingeschränkt ist, können sich leichter mit Candida auris anstecken. Ebenso Menschen in Pflegeheimen mit einem Katheter, einem Beatmungstubus oder einer Magensonde. Prinzipiell ist eine Infektion bei jedem Menschen möglich, auch wenn sie meistens in Kliniken erfolgt.

Wie wird eine Infektion mit Candida auris
behandelt?

Eine Infektion mit Candida auris löst etwa Fieber und ein allgemeines Krankheitsgefühl aus. Die Behandlung besteht im Idealfall aus der Gabe von Medikamenten, die den Pilz gezielt angreifen. „Dazu stehen drei Klassen von Antipilzmitteln zur Verfügung. Die Ärzte müssen dann im individuellen Fall jeweils ermitteln, mit welchen Medikamenten der Pilz im konkreten Fall noch behandelbar ist“, sagt Professor Jürgen Wendland, Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Biochemie an der Hochschule Geisenheim.

Wie kann die Ausbreitung von Candida auris noch eingedämmt werden?

Oliver Kurzai plädiert dafür, eine Infektion mit Candida auris in Deutschland meldepflichtig zu machen. Das bedeutet, dass jeder Arzt und jedes Labor jeden Nachweis von Candida. auris an das zuständige Gesundheitsamt melden müsste. Dieses gibt die Information dann an das Robert Koch-Institut weiter. „Auf diese Weise hätten wir nicht nur einen besseren Überblick über das Infektionsgeschehen in Deutschland. Die Ärztekolleginnen und -kollegen würden auch noch auf das Ausbreitungsrisiko des Pilzes aufmerksam“, sagt Kurzai.

Denn das Wissen über die aktuelle Ausbreitung von Candida auris bei Medizinern und Pflegekräften zu verbessern und zu verankern, ist laut Kurzai eine weitere wichtige Maßnahme, um der Ausbreitung des Pilzes entgegenzuwirken. Patientinnen und Patienten sollten jetzt allerdings keinesfalls einen Bogen um Kliniken und Arztpraxen machen. Ob des Pilzes willen womöglich wichtige Behandlungen und Arztbesuche zu verschieben, hält Willinger für unangemessen: „Wegen des vergleichsweise kleinen Risikos einer Ansteckung die eigene medizinische Versorgung einzuschränken, wäre grundsätzlich falsch.“


Quellen:

  • [1] European Centre for Disease Prevention and Control: Candida auris outbreak in healthcare facilities in northern Italy, 2019-2021, Rapid Risk Assessment. https://www.ecdc.europa.eu/... (Abgerufen am 24.05.2023)
  • [2] Centers for Disease and Prevention: Increasing Threat of Spread of Antimicrobial-resistant Fungus in Healthcare Facilities. https://www.cdc.gov/... (Abgerufen am 24.05.2023)
  • [3] Adeljohann, A et al: Anstieg von Candida-auris-Fällen und erste nosokomiale Übertragungen in Deutschland. In: Deutsches Ärzteblatt 11.05.2023, 120: 1-2