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Idiopathische Skoliose - kurz zusammengefasst

Bei einer Skoliose handelt es sich um eine dreidimensionale Verkrümmung der Wirbelsäule, das heißt, die Wirbelsäule ist zur Seite verkrümmt und verdreht. Die Ursache für die Entwicklung ist unbekannt, es werden aber unter anderem genetische Faktoren vermutet. Diagnostiziert wird eine Skoliose durch eine klinische Untersuchung und Röntgenaufnahmen. Anhand der Röntgenbilder kann der Cobb-Winkel bestimmt werden, dieser ist mitentscheidend für das weitere therapeutische Vorgehen. Ab einem Cobb-Winkel von 25 Grad und nicht abgeschlossenem Wachstum wird eine Korsett-Behandlung empfohlen, begleitend sollte Krankengymnastik erfolgen. Ab einem Cobb-Winkel von über 40 Grad lumbal (der Lendenwirbelsäule) oder 50 Grad thorakal (der Brustwirbelsäule) mit rascher Verschlechterung sollten operative Verfahren erwogen werden.

Was ist eine idiopathische Skoliose?

Eine Skoliose ist als eine dreidimensionale Verkrümmung der Wirbelsäule charakterisiert (siehe auch: Übersicht Skoliose). Das heißt, die Wirbelsäule ist zur Seite verkrümmt und die Wirbekörper sind zueinander verdreht. Idiopathisch bedeutet, die Ursache für die Entstehung ist bisher unbekannt, eine genetische Komponente wird aber angenommen. Häufig tritt sie im Wachstumsalter auf.

Mit einem Anteil von 80 bis 90 Prozent aller Skolioseformen ist die idiopathische Skoliose die häufigste Form.

Ursache: Wodurch wird eine idiopathische Skoliose bedingt?

Idiopathisch bedeutet, dass keine genaue Ursache für die Erkrankung gefunden werden kann. Es wird zwar eine Vererbbarkeit und damit eine genetische Disposition vermutet, allerdings ist dies noch nicht gesichert. Auch weitere Faktoren wie eine muskuläre Ungleichheit (Muskelimbalancen), veränderte Nervensignale (neurologische Ursachen) oder auch Hormoneinwirkungen (endokrine Ursachen) werden diskutiert. Das Tragen von schweren Lasten, Fehlbelastungen oder Sport sind als Verursacher nicht der Grund.

Erkrankungsrisiko: Wie wahrscheinlich ist es, an einer idiopathischen Skoliose zu erkranken?

Das Erkrankungsrisiko für eine idiopathische Skoliose liegt bei circa zwei bis vier Prozent (Cobb-Winkel über 10 Grad). Für eine höhergradige Ausbildung (Cobb-Winkel über 20 Grad) bei circa 0,5 Prozent.

Cobb-Winkel

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Das Krümmungsausmaß wird anhand der Methode nach Cobb bestimmt. Hierbei wird eine Gerade an die Deckplatte des obersten und die Grundplatte des untersten Endwirbels der Krümmung gelegt. Der Winkel, der aus den beiden Senkrechten gebildet wird ist der Cobb-Winkel.

Als Endwirbel werden die zueinander am stärksten geneigten Wirbelkörper einer Krümmung definiert. Zudem weisen die Endwirbel meist die parallelsten Grund- und Deckplatten auf und sind am wenigsten rotiert.

Symptome: Welche Beschwerden bereitet eine idiopathische Skoliose?

Meist fällt eine idiopathsiche Skoliose in der Pubertät durch ein asymmetrisches Erscheinungsbild auf. Je nach Ausprägung der Verkrümmung können folgende Veränderungen auffallen:

  • ein einseitiger Schulterhochstand
  • ein hervorstehendes Schulterblatt
  • das einseitige Verstreichen der Taillendreiecke und beim Vornüberbeugen das Auftreten einer Lendenwulst
  • ein Beckenschiefstand
  • hervorstehende Rippen auf der einen Seite des Brustkorbes von hinten betrachtet (Rippenbuckel). Vor allem beim Vorbeugen kommt er deutlicher zum Vorschein.

Da anfangs meist noch keine Schmerzen bestehen, ist es vor allem der ästhetische Aspekt, der zunächst im Vordergrund steht und einen Arztbesuch bedingt.

Bei fortgeschrittener Skoliose und zunehmender Gradzahl nach Cobb kommen häufig auch Schmerzen hinzu. Zum einen durch eine muskuläre Imbalance, welche durch unterschiedliche Beanspruchung vor allem der Rückenmuskulatur besteht als auch durch zunehmende Verschleißerscheinungen (degenerative Veränderungen).

Des Weiteren kann es bei ausgeprägteren Verformungen zu einer zunehmenden Beeinträchtigung der Beweglichkeit des Brustkorbes kommen. Dies entsteht durch eine zunehmende fixierte Fehlhaltung aufgrund einer Verknöcherung. Dies kann sich auf die Funktion der Lunge und des Herzens auswirken. Betroffene merken dann, dass sie unter Belastung wie beispielsweise Treppensteigen, kurzatmig werden. Besteht eine Krümmung im Lendenwirbelbereich, berichten Betroffene zum Beispiel auch über Verdauungsprobleme oder rasch auftretendes Völlegefühl beim Essen.

Diagnose: Wie wird eine idiopathische Skoliose festgestellt?

Anamnese

Zunächst wird die Krankengeschichte (Anamnese) im Gespräch erhoben. Hierbei wird auch Augenmerk auf Skoliose-Erkrankungen innerhalb der Familie gelegt, um eventuell Rückschlüsse über den zu erwartenden Verlauf ziehen zu können. Ebenfalls werden der Erkrankungsbeginn, bereits durchgeführte Therapien und Vorerkrankungen oder Unfälle im Bereich der Wirbelsäule erfragt.

Auch das noch zu erwartende Wachstum (Skelettreife) ist ein wichtiger Faktor um den wahrscheinlichen Verlauf besser beurteilen zu können. Hierfür wird bei Mädchen das Eintreten der Regelblutung herangezogen. Nach Eintreten der sogenannten Menarche ist mit einem Restwachstum von 2 bis 2,5 Jahren zu rechnen. Auch die zu erwartende Körpergröße anhand der Größe der Eltern kann herangezogen werden. Röntgenaufnahmen können Hinweise auf die aktuelle Skelettreife geben.

Bestimmung des Wachstumsalters anhand von Röntgenaufnahmen:

In den Röntgenaufnahmen des Beckens kann anhand der Risser-Stadien (Einteilung in 6 Grade anhand der zunehmenden Verknöcherung des Beckenkamms) bzw. der Y-Fuge die Skelettreife abgeschätzt werden. Wenn nötig erfolgen noch Röntgenaufnahmen der linken Hand. Mit Vergleichsröntgenaufnahmen kann so das zu erwartende Restwachstum abgeschätzt werden.

Körperliche Untersuchung

Die Untersuchung der Patientin oder des Patienten erfolgt am bis auf die Unterwäsche entkleideten Patienten, um den Verlauf der Wirbelsäule gut beurteilen zu können. Es werden auf die natürlichen Krümmungen der Wirbelsäule (Lordose, Kyphose) sowie Fehlstellungen wie beispielsweise Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) geachtet. Ebenfalls wird auf Asymmetrien von Schulter-, Lenden- oder Becken-Bereich geschaut sowie eine Beinlängendifferenz ausgeschlossen (oder zunächst durch Absatzerhöhungen behandelt).

Neben der körperlichen Untersuchung wird auch der neurologische Status dokumentiert. Hierzu gehören das Auslösen bestimmter Reflexe, die Überprüfung der Sensibilität (werden Berührungen gefühlt) oder auch die Bestimmung des Kraftgrades der sogenannten Kennmuskulatur, welche über die aus dem Rückenmark austretenden Nerven versorgt werden.

Beim Vorneigetest (Adams-Test) kann ein Rippenbuckel oder eine Lendenwulst zum Vorschein kommen und mithilfe eines Skoliometers vermessen werden. Werte über fünf Grand sollten weiter radiologisch (mit Röntgenaufnahmen) abgeklärt werden.

Das Hinzuziehen einer standardisierten Fotodokumentation oder Rasterstereografie kann helfen, den Verlauf besser zu dokumentieren. Bei der Rasterstereografie wird mithilfe von Lichtstrahlen die Wirbelsäule vermessen und anschließend digital über ein Softwareprogramm dargestellt. Die Rasterstereografie kann als ergänzendes diagnostisches Mittel verwendet werden, ist aufgrund ihrer mangelnden Genauigkeit aber kein Ersatz für eine Röntgenuntersuchung.

Bildgebende Verfahren

  • Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule im Stehen

Bei Erstvorstellung werden Röntgenaufnahmen der gesamten Wirbelsäule in zwei Ebenen angefertigt und reichen von der Schädelbasis bis zum Becken. Zwei Ebenen bedeuten eine Röntgenaufnahme mit Aufsicht von Hinten, und eine seitliche Ansicht. Die seitliche Aufnahme ist nicht bei jeder Verlaufskontrolle notwendig.

EOS-Röntgenaufnahmen

Bei EOS handelt es sich um einen auf Röntgentechnik basierenden Ganzkörperscanner. Die zwei benutzten Röntgen-Röhren sind im rechten Winkel zueinander angeordnet und ermöglichen einen direkten Scan der benötigten zwei Ebenenen (seitlicher und frontaler Scan). Dabei sind die Aufnahmen technisch verzerrungsfrei und größenneutral und ermöglichen die Darstellung von dreidimensionalen Modellen. Insbesondere für Kinder und sehr schlanke Menschen kann die Strahlendosis im Vergleich zu normalen Röntgenaufnahmen (konventionelle Aufnahmen) deutlich reduziert werden. Dieser Aspekt ist besonders bei Personen wichtig, die im Verlauf ihres Lebens häufiger Röntgenbilder zur Verlaufskontrolle benötigen. Allerdings bedingt die Technologie eine etwas geringere Auflösung von Linienpaaren, so dass die EOS-Technologie nicht uneingeschränkt die konventionellen Röntgenaufnahmen ersetzten kann und will. Ein Nachteil der EOS Technologie ist die Scandauer von mehreren Sekunden, die zu Bewegungsartefakten der Bilder führen kann.

In Zukunft ist zu erwarten, dass auch weitere neue Bildgebungstechniken zur Verfügung stehen werden, welche die Bildqualität optimieren und die Strahlenbelastung minimieren können. Zum jetztigen Zeitpunkt sind allerdings Studien noch ausstehend.

  • Röntgen-Bendingaufnahmen

Zur besseren Unterscheidung zwischen struktureller und funktioneller Skoliose (siehe Skoliose allgemein) sowie zur operativen Planung erfolgen Bending-Aufnahmen. In maximaler Seitbeugung werden hier Röntgenaufnahmen angefertigt um die Restbeweglichkeit der Wirbelsäule zu erkennen.

  • Computertomographie

In den meisten Fällen ist eine Computertomographie nicht notwendig, da sie mit einer hohen Strahlenbelastung verbunden ist. In manchen Fällen ist sie aber unabdingbar, beispielsweise bei stark verdrehten Wirbelkörpern und Verformungen im Rahmen einer kongenitalen Skoliose, zur Ausmessung der Pedikeldurchmesser oder bei navigierten Korrekturen, um die Operation besser planen zu können. Bei navigierten Systemen werden bestimmte Landmarken des Knochens berechnet, wofür die dreidimensionale Darstellung der Wirbelkörper benötigt wird.

  • Magnetresonanztomographie

Eine MRT-Untersuchung ist vor allem bei atypische Skolioseformen als Zusatzuntersuchung notwendig, um Begleiterkrankungen am Spinalkanal zu erkennen. Auch beim Auftreten von radikulärer Symptomatik oder neurologischen Ausfallserscheinungen ist sie indiziert. In vielen Klinken wird sie präoperativ, also vor der geplanten Operation ebenfalls durchgeführt. Bei der MRT-Untersuchung kommt es zu keiner erhöhten Belastung durch Röntgenstrahlen.

Therapie: Wie wird eine idiopathische Skoliose behandelt?

Konservativ

Konservativ bedeutet ohne Operation und richtet sich nach der Ausprägung der Skoliose. Sie kann von regelmäßigen Verlaufskontrollen ohne weiteres Prozedere, Korsett- und Gipsbehandlungen und begleitender Krankengymnastik reichen.

  • Reine Verlaufskontrollen

Wenn der Cobb-Winkel weniger als 20 Grad beträgt, genügen zunächst Verlaufskontrollen in regelmäßigen Abständen. Es sollte eine Anbindung an einen Spezialisten erfolgen, damit eine konstante Dokumentation möglich ist. Natürlich können immer Zweitmeinungen eingeholt werden.

  • Korsett-Therapie

Eine Korsett-Therapie soll die Skoliose während der Wachstumsphase lenken und ein weiteres Abknicken sowie einen Cobb-Winkel über 40 Grad verhindern.

Eine vollständige Korrektur der Krümmung ist allerdings nicht zu erwarten, da das in den meisten Fällen nicht möglich ist. Hierüber sollte man sich bewusst sein. Ziel ist, ein Halten der bestehenden Krümmung, um eine spätere Verschlechterung im Erwachsenenalter entgegenzuwirken. Bei der Korsett-Therapie geht es darum, eine Verschlechterung der Krümmung im besten Fall zu verhindern, die Vermeidung/Reduktion von Schmerzen, Verringerung eines zunehmenden Verschleißes und Verhinderung von Beeinträchtigungen des Herzens und der Lunge durch eine zunehmende Veränderung des Brustkorbes. Auch der Erhalt der Ästhetik und der verbundenen Lebensqualität sind wichtige Punkte.

Insbesondere die Ästhetik steht am Anfang im Vordergrund der Betroffenen, da zu Beginn einer Skoliose meist noch keine Schmerzen oder neurologische Defizite vorhanden sind.

Wann sollte mit einer Korsett-Therapie begonnen werden?

Eine Korsett-Therapie ist sinnvoll, wenn:

  • noch mindestens ein Jahr lang mit einem Restwachstum zu rechnen ist
  • eine zunehmenden Verkrümmung zu erwarten ist
  • Vorhandensein eines Cobb-Winkels zwischen 25-40 Grad
  • Auftreten einer Verschlechterung von fünf Grad innerhalb von 6 Monaten
  • die Wirbelsäule noch nicht knöchern fixiert ist und eine gute Restbeweglichkeit besteht. Im Korsett sollte mindestens eine Korrektur der Krümmung von über 30-40 Prozent möglich sein
  • das Korsett die Lokalisation der bestehenden Krümmung gut korrigieren kann. Bei Lokalisationen oberhalb des 7. Bruswirbelkörpers ist dies meist schwierig
  • die Therapie auch konsequent umgesetzt wird. Es wird in der Regel eine Tragezeit von mindestens 18 Stunden pro Tag empfohlen
  • Krankengymnastik

Inwiefern Krankengymnastik eine Skoliose wirklich verbessern oder aufhalten kann, ist nicht abschließend geklärt, da die Studienlage zu gering ist.

Sicher ist allerdings, dass eine starke Rückenmuskulatur zur Vermeidung von Schmerzen sinnvoll ist. Auch muskuläre Dysbalancen können gelöst, eine allgemein bessere Haltung und eine Besserung der Lungen- und Herzfunktion erzielt werden. Insofern hat die krankengymnastische Behandlung eine festen Stellenwert aufgrund ihrer positiven Effekte.

In Deutschland kommt vor allem das von Katharina Schroth eingeführte dreidimensionale Behandlungskonzept zur Anwendung.

Wichtig für den Erfolg ist eine gute Mitarbeit der Betroffenen, welche auch zuhause die Übungen regelmäßig durchführen sollten. Eine begleitende Physiotherapie sollte während der Dauer der Korsett-Therapie erfolgen. Auch stationäre Rehabilitationen können sinnvoll sein, um die Behandlungen zu intensivieren und einen Austausch mit anderen Betroffenen zu ermöglichen.

  • Gipsredression

Eine sogenannte Gipsrederession kann bei Säuglingen angewendet werden. Hierbei wird unter Narkose die Wirbelsäulenverkrümmung so gut wie möglich korrigiert und ein Gips angepasst. In regelmäßigen Abständen muss dieser erneuert werden, bis die Kinder alt genug sind, um mit einer Korsett-Therapie zu beginnen.

Empfohlen wird eine Gipsredression ab einem Cobb-Winkel von 25-50 Grad. Des weiteren ist der RVAD (Rib vertebral Angle Difference, Metha-Winkel) zur Beurteilung von Bedeutung. Er ist ein Winkel zur Bemessung der Rotationsfehlstellung.

Wie häufig sind Verlaufskontrollen ratsam?

Die Häufigkeit der Kontroll-Untersuchungen hängt von den individuellen Faktoren ab. Beträgt der Cobb-Winkel unter 20 Grad sind halbjährliche oder jährliche Kontrollen ausreichend. Bei höhergradiger Ausprägung insbesondere während der Wachstumsphase und laufender Korsett-Behandlung sollte alle drei bis sechs Monate eine Kontrolle erfolgen. Wie häufig hierbei Röntgenbilder anzufertigen sind, ist ebenfalls individuell festzulegen. Bei der radiologischen Diagnostik gilt: So häufig wie nötig und so selten wie möglich, um die Strahlenbelastung gering zu halten.

Operativ

Der Zeitpunkt, ab welchem eine operative Versorgung angestrebt werden sollte ist individuell sehr unterschiedlich. Von den meisten Fachgesellschaften wird ab einem Cobb-Winkel von über 40 Grad lumbal und thorakolumbal (der Lendenwirbelsäule und im Übergang von Lenden- in die Brustwirbelsäule betreffende Bereiche) oder 50 Grad thorakal (die Brustwirbelsäule betreffende Bereiche) bei abgeschlossenem Wachstum eine Operation empfohlen, da ab diesen Cobb-Winkeln mit einer zunehmenden Verschlechterung der Krümmung gerechnet werden muss. Eine Entscheidung für eine operative Therapie sollte immer erst nach individueller Beratung von Betroffenen und ihren Angehörigen durch spezialisierte Ärztinnen und Ärzte getroffen werden.

  • Nichtfusionierende Operationsverfahren (Non-Fusion Operationen)

Unter nicht fusionierenden Verfahren versteht man Operationsmaßnahmen, welche zwar die Krümmung korrigieren, jedoch keine dauerhafte Versteifung der Wirbelsäule darstellen. Hierunter fallen beispielsweise das sogenannte Vertebral Body Tethering oder „mitwachsende“ Stabsysteme welche magnetisch oder durch kleinere operative Eingriffe angepasst werden können.

Daher kommen nicht-fusionierende Verfahren vor allem vor Abschluss des Wachstumsschubes zum Einsatz. Nach Beendigung des Wachstums ist meistens eine nochmalige Operation zum Erhalt des Zustandes notwendig. Hierbei werden dann fusionierende (versteifende) Verfahren angewendet.

Growing-Rod-Systeme

Hierbei handelt es sich um ein mitwachsendes, magnetisch expandierbares Stabsystem. Zur Lenkung und Fixation des Stabes werden in den zu korrigierenden Wirbelsäulenabschnitten Schrauben (Pedikelschrauben) und/oder Haken gesetzt über welche der Stab (Ein- oder Zweistabsysteme, je nach Indikation) fixiert wird. Über einen in die Stäbe integrierten Motor, welcher von außen über einen Magneten zu steuern ist, können die Stäbe während des weiteren Wachstums verlängert werden. Somit entfallen bei diesem System die früher zu einer Verlängerung notwendigen Operationen.

Nachbehandlung: Eine Korsett-Therapie ist nach einer Versorgung mit einem magetisch expandierbarem Stabsystem in der Regel nicht notwendig.

VBT (Vertebral Body Thetering, Wirbelkörper-Anbindung)

Hierbei handelt es sich um ein relativ junges Operationsverfahren. Es werden in die Seite der Wirbelkörper Schrauben eingebracht, welche über eine Seil miteinander verbunden werden. Diese Anbindung wird auf der Konvexseite (Seite, zu welcher die Verkrümmung geht) fixiert, so dass hier kein Wachstum mehr möglich ist. Durch das Wachstum der nichtfixierten (konkaven) Wirbelkörperseite soll eine langsame Aufrichtung der Wirbelsäule erreicht werden. In Betracht kommt dieses Verfahren nur zu Beginn der Pubertät mit einem zu erwartenden Restwachstum von 2 bis 2,5 Jahren vor allem im thorakalen Bereich.

Die bisher verfügbaren Studien zeigen, dass es im Rahmen der VBT Behandlung häufig zu Über- oder Unterkorrekturen der Krümmungen kommen kann. Zudem kommt es immer wieder zu Seilbrüchen, die eine erneute Operation gegebenenfalls erforderlich machen können. Insgesamt werden Komplikationsraten zwischen 20 bis 40 Prozent beschrieben. Aufgrund der Tatsache, dass der operative Zugang von der Seite des Brustkorbes erfolgt, müssen Patienten für einige Zeit nach der Operation auch mit Einschränkungen der Lungenfunktion rechnen.

Eine generelle Empfehlung für oder gegen die VBT Methode kann aufgrund der begrenzten Datenlage derzeit nicht ausgesprochen werden.

  • Fusionierende Operationsverfahren

Die fusionierende Korrekturspondylodese ist derzeit das sogenannte Gold-Standard Verfahren. Bei fusionierenden Operationsverfahren ist eine Verknöcherung der operierten Wirbelsäulenabschnitte sogar gewünscht, da sie deutlich zur langfristigen Stabilisierung beiträgt. Die Spondylodese kommt in der Regel nach Wachstumsabschluss zur Anwendung. Bei komplexen und sich schnell verschlechternden Skoliosen ist sie allerdings manchmal auch schon vor Wachstumsabschluss indiziert.

Es gibt verschiedene Operationsmethoden, je nach Wahl können verschiedene Zugangswege zum Einsatz kommen. Dabei gibt es Operationsverfahren, welche von hinten (dorsale, posteriore Zugangswege), von vorne (anteriore, ventrale Zugangswege) oder auch eine Kombination beider Zugänge verwenden.

Bei einer Fusions-Operation ist das Ziel eine Versteifung der Wirbelsäule. Angewandt werden hierfür spezielle Schrauben-Stab-Systeme, teilweise werden auch Bandscheiben entfernt und durch spezielle Platzhalter (Cages) ersetzt. Während der Operation wird zusätzlich gewonnener eigener Knochenspan an die Fusion angelagert, um eine noch bessere Verknöcherung zu erzielen.

Zu den allgemeinen Operationsrisiken gehören unter anderem Blutungen, Infektionen, Wundheilungsstörungen, Narbenbildung oder Implantatversagen. Die glücklicherweise sehr seltenen, jedoch am meisten gefürchteten Komplikationen sind Querschnittslähmungen oder neurologische Defizite. Zur Vermeidung dieser neurologischen Komplikationen hat sich ein intraoperatives (während der Operation angewandtes) Neuromonitoring bewährt. Damit kann die Funktion des Rückenmarks und der Nervenwurzeln in Echtzeit überwacht werden. Nur in Ausnahmefällen kann alternativ auch ein Aufwachversuch erfolgen.

Als Spätkomplikationen der Korrekturspondylodeseb sind unter anderem ein Korrekturverlust, Spätinfektionen, Schmerzen oder Anschlussdegenerationen zu nennen.

Postoperatives Nachbehandlungsschema:

Welche Sportarten ab wann wieder ausgeführt werden können, ist von der operativen Versorgung abhängig und sollte individuell mit dem Operateur beziehungsweise den behandelnden Ärzten besprochen werden.

Prinzipiell sollte die vollständige Wundheilung abgewartet werden. Normale Bewegungen wie Sitzen, Drehen im Bett oder Laufen sind sofort nach der Operation erlaubt. Mit isotonischen Bewegungsübungen kann circa 6 Wochen nach der Operation begonnen werden. Mit krankengymnastischen Übungen sollte circa 12 Wochen abgewartet werden.

Mit Sportarten, welche die Muskulatur schonend aufbauen, wie etwa Schwimmen, kann ebenfalls nach der abgeschlossenen Wundheilung begonnen werden (nach circa vier bis sechs Wochen).

Prognose: Ist der Verlauf einer Skoliose vorherzusagen?

Eine 100-prozentige Prognose ist nicht zu treffen. Allerdings können das Alter beim Erkrankungsbeginn und die Skelettreife hinweisend auf den zu erwartenden Verlauf geben.

Eine infantile Skoliose (Alter bei Erkrankungsbeginn unter drei Jahren, nicht die Säuglingsskoliose) bessert sich bei circa 80 Prozent der Betroffenen die Verkrümmung spontan und verwächst sich (Voraussetzung Metha-Winkel kleiner 20 Grad, Maß für die Rotation). Beträgt hingegen der Metha-Winkel über 20 Grad ist mit einer Verschlechterung in über 80 Prozent der Fälle zu rechnen.

Bei den juvenilen Skoliosen (Alter bei Erkrankungsbeginn 4. bis 10. Lebensjahr) zeigt sich häufig eine zunehmende Verschlechterung (95 Prozent der Fälle). Es kommt häufig zu einer stetigen Seitverbiegung von ein bis drei Grad pro Jahr bis zum Alter von circa 10 Jahren. Im pubertären Wachstumsschub sind dann Verschlechterungen von 5 bis 10 Grad pro Jahr möglich.

Vor Abschluss der Knochenwachstums kann bei der adoleszenten Skoliose keine Prognose abgegeben werden. Nach Wachstumsabschluss ist bei einem Cobb-Winkel von über 40 Grad meist mit einer zunehmenden Verschlechterung zu rechnen, wohingegen bei einem Cobb-Winkel von unter 40 Grad häufig keine weitere Verschlechterung gefunden werden kann. Daher ist es Ziel der konservativen Therapie, möglichst einen Cobb-Winkel von unter 40 Grad zu halten. Allerdings ist anzumerken, dass auch hier individuelle Grenzen zu ziehen sind und die Gradanzahl nur orientierende Hinweise gibt, da die Datenlage zu schwach ist.

Unser beratender Experte:

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Dr. med. Lorenz Wanke-Jellinek ist Oberarzt und Leiter der Sektion Skoliose- und Deformitätenchirurgie des Wirbelsäulenzentrums Schön Klinik München Harlaching. Als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie spezialisierte er sich seit 2016 auf die Skoliose- und Wirbelsäulenchirurgie. Er ist Mitglied der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG), war Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und wurde 2014 während eines Fellowships an der Harvard Universität mit dem New Investigator Award der Shock Society ausgezeichnet. Dr. Wanke-Jellinek hat zahlreiche wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht und zusammen mit Dr. med. univ. Alexander Krenauer die Patientenplattform „SkoliDoc“ gegründet. Gemeinsam sind sie als Skoliose Experten in mehreren Skoliose-Podcasts zu hören und haben 2023 das Buch „Skoliose Verstehen und Behandeln – mein persönlicher Ratgeber“ veröffentlicht.

Weiterführende links:

https://www.bundesverband-skoliose.de/skoliose/info-blaetter-shop/

https://deutsches-skoliose-netzwerk.de/ueber-skoliose/


Quellen:

  • Expertise Orthopädie und Unfallchirurgie, Wirbelsäule, G. Stein, P. Eysel, M. J. Scheyerer, Thieme-Verlag, Kap. 2.3 EOS-Imaging, C. Birkenmaier, S. 63ff