Logo der Apotheken Umschau

Welche Korsett-Arten gibt es?

Ein Korsett ist eine sogenannte Orthese und wird zur Korrektur einer Wirbelsäulenverkrümmung bei Skoliose angewandt.

Zur Behandlung der idiopathischen Skoliose wird in Europa vor allem das Korsett nach Chêneau verwendet. Es besteht aus einer passgenauen individuellen Kunststoff-Anfertigung. Zur Bestimmung der Passform wird zuvor ein 3D-Scan des Patienten oder der Patientin vorgenommen. Diese Daten können auf einem Computer ausgemessen werden. Anhand dieser Daten wird von einem spezialisierten Orthopädietechniker eine Maßanfertigung erstellt. Mithilfe des Korsetts wird die Krümmung der Wirbelsäule korrigiert. Daher verhält sich die Orthese spiegelbildlich zur Krümmung. Des Weiteren muss das Becken in die Orthese miteingefasst sein, damit ein guter Sitz der Orthese gegeben und kein Verrutschen möglich ist.

Wirkung des Derotationskorsetts nach Chêneau

Die genaue Anfertigung des Korsetts richtet sich nach dem Ausmaß und der Art der Krümmung der Wirbelsäule. Wirkprinzip ist, durch bestimmte Druck- und Enlastungszonen (auch Druckpelotten und Expansionsräume genannt) die Wirbelsäule bei jedem Atemzug aufzurichten und zu derotieren. Daher spricht man auch von einem dynamischen System. Insbesondere zu Beginn einer Korsett-Therapie kann dies als sehr anstrengend empfunden werden.

Daher ist es auch sinnvoll, eine Korsett-Therapie immer mit einer Physiotherapie zu kombinieren. Hierbei können zum Beispiel bestimmte Atemtechniken und auch das persönliche „Hinfühlen“ erlernt werden, was den Betroffenen eine Selbstanleitung und Verbesserung des persönlichen Körpergefühls gibt.

Bei der neuromuskulären Skoliose kann je nach Orthopädietechnik zur Erstellung eines individuellen Korsetts ebenfalls eine 3-D-Anfertigung anhand mehrerer Fotoaufnahmen erstellt werden, manchmal wird auch ein Gipsabdruck genommen. Für das Korsett werden hier gegebenenfalls weichere Materialien verwendet, da das Ziel die Aufrichtung und Stabilisierung des Oberkörpers ist, um beispielsweise aufrecht im Rollstuhl sitzen zu können.

Wieviele Stunden sollte das Korsett pro Tag getragen werden?

Damit eine Korsett-Therapie wirksam ist, sollte das Korsett für mindestens 18 bis 20 Stunden am Tag getragen werden. Neuere Modelle sind teilweise mit einem Tragezeitsensor ausgestattet, anhand welchem in einer App auf dem Handy die Tragedauer ausgelesen werden kann.

Das Einhalten der Tragezeit ist für den Therapieerfolg sehr wichtig. Man sollte sich nicht dazu verleiten lassen, aufgrund fehlender Rückenschmerzen darauf zu verzichten. Auch das anfänglich einengende Gefühl sollte kein Hinderungsgrund sein. Es ist eine Gewohnheitssache und wird mit der Zeit besser werden.

Darf das Korsett beim Sport weggelassen werden?

Bei ausreichender Tragedauer während des Schlafens, in der Schule oder bei den Hausaufgaben kann das Korsett für den Sport abgenommen werden.

Prinzipiell gilt, dass Sport für Skoliose-Patienten gut ist. Denn es verbessert nicht nur die allgemeine Fitness und wirkt sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus, sondern fördert auch den Muskelaufbau unter anderem der Rücken- und Bauchmuskulatur. Und starke Muskeln helfen der Wirbelsäule bei der Aufrichtung und der Vermeidung von Fehlhaltungen und Verspannungen.

Sportarten, die zu einer starken Stauchung der Wirbelsäule führen wie zum Beispiel Joggen oder Trampolinspringen, sollten eher vermieden werden. Am besten bespricht man dieses Thema auch mit seinen behandelnden Ärzten und den Mitarbeitern der Orthopädietechnik.

Wie kann eine Korsett-Therapie besser akzeptiert werden?

Anfangs kann es für Betroffene schwer sein, sich mit der Korsett-Therapie abzufinden. Manchmal ist die eigene Akzeptanz dafür gering ausgeprägt, manchmal aber auch die Akzeptanz im Umfeld. Auch Befürchtungen, von Mitmenschen abwertend behandelt zu werden, stehen im Raum.

Man sollte sich aber bewusst sein, dass man eigentlich etwas „für sich tut“. Letztendlich geht es um die eigene Zukunft, die man sich nicht aufgrund anderer Meinungen verbauen sollte. Manchmal hilft es schon, offen mit der Erkrankung umzugehen und mit seinem Umfeld darüber zu sprechen, damit eine breite Akzeptanz entsteht. Auch die Stärkung des Selbstbewusstseins durch Freunde und Verwandte oder auch mit professioneller Hilfe sowie „positiv thinking“, können über anfängliche Schwierigkeiten hinweghelfen. Schließlich ist das Korsett eine individuelle Einzelanfertigung und somit ein Unikat.

Wie häufig wird das Korsett angepasst?

In regelmäßigen Abständen wird die Korsett-Therapie überprüft. Gegebenenfalls kann an den Druckpunkten (Belastungszonen, Korrekturpelotte) mehr Unterfütterung angepasst werden um ein weiteres Aufrichten der Wirbelsäule zu ermöglichen. Des Weiteren werden das Gewicht und die Körpergröße dokumentiert. Ist man aus dem Korsett „herausgewachsen“, wird bei noch relevantem Restwachstumspotential nach oben genanntem Verfahren ein neues, individuell passendes Korsett angefertigt.

Wann ist die Korsett-Therapie beendet?

Da ein Korsett eine wachstumslenkende Maßnahme darstellt, ist die Korsett-Therapie normalerweise nach dem Abschluss des Längenwachstums beendet und es wird mit einer Abschulung begonnen. Hierbei wird die Tragezeit des Korsetts stufenweise reduziert bis es endgültig weggelassen werden kann. Nach dem Abtrainieren sollte auch noch eine Kontroll-Röntgenaufnahme der Wirbelsäule angefertigt werden um festzustellen, wie gut die Korrektur ohne Korsett gehalten werden kann und danach die Reduktion entschieden.

Sind Röntgen-Nachkontrollen nach Beendigung der Korsett-Therapie sinnvoll?

Nach den Leitlinien sollte nach Beendigung der Korsett-Therapie eine abschließende Röntgenkontrolle ohne Korsett nach bis zu 2 Jahren erfolgen. Zusätzliche Kontrollen können abhängig vom Einzelfall durchgeführt werden. Bei weiterhin beschwerdefreien Verlauf ohne weitere Symptome kann im Anschluss an die genannte zwei Jahres Kontrolle alle fünf Jahre eine Rötgenkontrolle erwogen werden. Diese Abstände sind aber individuell in Absprache zu treffen.

Unser beratender Experte

65631885_fbe837786a.IRWUBPROD_9Y2O.jpg

Dr. med. Lorenz Wanke-Jellinek ist Oberarzt und Leiter der Sektion Skoliose- und Deformitätenchirurgie des Wirbelsäulenzentrums Schön Klinik München Harlaching. Als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie spezialisierte er sich seit 2016 auf die Skoliose- und Wirbelsäulenchirurgie. Er ist Mitglied der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG), war Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und wurde 2014 während eines Fellowships an der Harvard Universität mit dem New Investigator Award der Shock Society ausgezeichnet. Dr. Wanke-Jellinek hat zahlreiche wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht und zusammen mit Dr. med. univ. Alexander Krenauer die Patientenplattform „SkoliDoc“ gegründet. Gemeinsam sind sie als Skoliose Experten in mehreren Skoliose-Podcasts zu hören und haben 2023 das Buch „Skoliose Verstehen und Behandeln – mein persönlicher Ratgeber“ veröffentlicht.