Springerknie (Jumpers Knee)
Was ist ein Springerknie?
Durch Überbelastung der Kniescheibensehne (Patellarsehne) kommt es an ihrem Ursprung am Unterrand der Kniescheibe zu kleinsten Verletzungen und Auffaserungen der Sehne. In der Nähe bildet sich neues Bindegewebe, Nerven und Blutgefäße sprießen ein. Ärzte sprechen auch von degenerativen Veränderungen. Der allgemeine Fachbegriff ist Tendinopathie (= Sehnenleiden). Zu einer Überlastung der Patellarsehne kommt es vor allem durch sportliche Aktivität, insbesondere bei sogenannten Schnellkraft-Sportarten mit raschen Richtungswechseln, abruptem Abbremsen ("stop and go") und starker Belastung beim Springen und Landen wie beispielsweise Volleyball oder Handball. Daher auch der Begriff Springerknie (englisch: jumpers knee). Betroffen können ein oder beide Knie sein. Meist ist die Sehne am unteren Pol der Kniescheibe betroffen (Insertionstendinose).
Tendinopathien, also Schmerzen an den Sehnen können an verschiedenen Stellen auftreten. Beim Jumpers-Knee handelt es sich um eine Entzündung am Ansatz der Sehne (Insertionstendinose) am unteren Pol der Kniescheibe. Diese tritt vor allem beim sportlichen Erwachsenen auf. Treten die Beschwerden bereits beim Jugendlichen auf handelt es sich meist um einen Morbus Sinding-Larson-Johansen. Auch hierbei kommt es durch Überbelastung zu einer Entzündung am Ursprung der Patellarsehne, bei welcher aber ein Teil der Kniescheibe mitabsterben kann (Osteonekrose).
Hintergrundinformation - Das Kniegelenk
Ursachen: Wie kommt es zu einem Springerknie?
Das Springerknie gehört zu den orthopädischen Überlastungssyndromen. Syndrom steht für ein Krankheitsbild mit mehreren, mehr oder minder typischen Symptomen. Sowohl die Intensität als auch die Art der Belastung spielen bei dem Knieproblem eine entscheidende Rolle. So führen starke Belastungen durch zu intensives, zu häufiges oder ungewohntes Training im Sport und Bewegungsabläufe mit schnellen Richtungswechseln, Sprüngen und abruptem Abbremsen (stop and go) zu kleinsten Schädigungen und Auffaserungen der Kniescheibensehne. Mediziner sprechen hier auch von Degeneration. Zunächst findet sich eine Störung der Blutzirkulation im Gewebe, eine begleitende Entzündungsreaktion kann hinzukommen. Ungünstig sind nicht nur abrupte Zugbelastungen beim Springen, sondern auch beim Landen nach dem Sprung. Das Gleitgewebe um die Sehne herum kann ebenfalls in den Verschleißprozess eintreten. Bei anhaltenden Belastungen können die Mikro-Verletzungen auch in einen Sehnenriss münden.
Bei diesen Sportarten tritt ein Springerknie besonders häufig auf:
- Basketball
- Volleyball
- Handball
- Hochsprung
- Weitspung
Gelegentlich kommt ein Springerknie auch bei Leistungssportlern in folgenden Disziplinen vor:
- Fußball
- Gewichtheben
- Squash
- Joggen auf hartem Untergrund
- Bodybuilding
- Tennis
- Radfahren
Neben Sprungsportarten, mit Abstand die wichtigsten Ursachen des Springerknies, können bestimmte andere Risikofaktoren am Knie selbst die Sehnenschädigung begünstigen, etwa Verkürzungen der Oberschenkelmuskulatur, Bindegewebs- und Bandschwäche, ein erblich bedingter Hochstand der Kniescheibe, Achsenfehlstellungen wie X- und O-Bein, ferner Beinlängenunterschiede. Auch Übergewicht beziehungsweise Fettsucht (Adipositas) belastet die Knie. Medikamente wie zum Beispiel Statine und Antibiotika vom Typ der Chinolone können Sehnenschäden auslösen, unter anderem an der Kniescheibensehne. Scheidet eine Überlastungsverletzung aus, spricht man jedoch nicht von einem Springerknie, sondern von einer Tendopathie (Sehnenleiden).
Symptome: Welche Beschwerden bereitet ein Springerknie?
Kleinste degenerative Schäden an der Sehne können zunächst unbemerkt bleiben; erkennbar wären sie nur feingeweblich. Wenn Beschwerden auftreten, also eine Tendinopathie, können sie sich ganz unterschiedlich entwickeln. Ärzte unterscheiden dabei vier Schweregrade (siehe extra Box unten). Anfangs macht sich das Springerknie immer erst nach einer sportlichen Aktivität bemerkbar. Es treten stechenden Schmerzen am Unterrand der Kniescheibe, manchmal auch hinter der Kniescheibe oder am Oberrand (oberen Pol) der Kniescheibe auf, die sich bei Belastung verstärken. Nach längerem Sitzen kann sich auch das Gefühl einer Steifigkeit einstellen. Die Sehne ist auch beim Betasten am Unterrand der Kniescheibe schmerzhaft. Sie kann anschwellen. Unter fortlaufender Belastung und Schädigung werden die Beschwerden hartnäckiger. Sie treten schon während der Belastung auf und bleiben danach längere Zeit bestehen. Sportliche Aktivitäten können auf Dauer beschwerlich oder sogar unmöglich sein. Häufig machen dann auch Alltagsbewegungen, etwa Treppensteigen, Probleme. Schließlich kann die Kniescheibensehne einreißen.
Diagnose: Wie wird ein Springerknie festgestellt?
Der Arzt stellt ein Springerknie in erster Linie klinisch fest. Dabei bewertet er zunächst die Beschwerden und ihre Entwicklung, wie der Patient sie beschreibt, ferner dessen Angaben über sportliche Aktivitäten und eventuelle frühere Kniebeschwerden oder -verletzungen (sogenannte Krankengeschichte oder Anamnese). Anschließend erfolgt die orthopädische Untersuchung des Kniegelenkes. Es wird geprüft, ob die Kniescheibensehne an ihrem Ursprung druckschmerzhaft oder hier sogar eine Schwellung fühlbar ist. Außerdem überprüft der Arzt die Stellung und Verschieblichkeit der Kniescheibe in ihrem Gleitlager und ihre Beschaffenheit. Auch testet er die Stabilität der Bänder am Knie sowie die Muskelkraft und -spannung am Oberschenkel. Mituntersucht werden auch die Wirbelsäule, das Hüftgelenke und die Füße, da sie die Knie statisch beeinflussen. Nicht zuletzt kontrolliert der Arzt die Muskelreflexe und tastet die arteriellen Pulse ab.
Verspürt der Patient Schmerzen, wenn er das Knie gegen Widerstand aktiv streckt, weist das ebenfalls auf ein Springerknie hin. Dazu passt, wenn der Druckschmerz in Beugestellung nachlässt.
Routinemäßig sind bildgebende Verfahren nicht erforderlich. Bei einer Ultraschalluntersuchung lässt sich eine degenerativ veränderte Kniescheibensehne zwar darstellen, weniger jedoch das Ausmaß der Schädigung, zum Beispiel ein Teilriss.
Das gelingt jedoch sehr gut mittels Magnetresonanztomografie (MRT). Sie ist vor allem angezeigt, um Diagnose und Therapie so effektiv wie möglich aufeinander abzustimmen, etwa im Leistungssport, außerdem vor einer Operation, um den geschädigten Bereich genau festzulegen.
Andere bildgebende Verfahren wie Röntgen, Computertomografie (CT) oder Szintigrafie kommen nur bei speziellen Fragestellungen zum Einsatz.
Therapie: Wie sieht die Behandlung aus?
Die Therapiewahl richtet sich zum einen nach dem Schweregrad des Springerknies (siehe separaten Kasten weiter oben) sowie dem individuellen sportlichen Anforderungsprofil. Dabei unterscheidet man zwischen konservativer (also ohne Operation) und operativer Versorgung.
- Konservative Therapie
Wichtigste Eckpfeiler der konservativen Therapie sind eine Sportpause oder zumindest die Umstellung auf schonendere Bewegungsabläufe, eine Physiotherapie (Übungsbehandlung, Massagen, Elektrotherapie und Kühlung) ergänzt durch eine spezielle Trainingstherapie (exzentrisches Krafttraining, siehe separater Kasten). Gegebenenfalls können auch schmerz- und entzündungshemmenden Medikamente zum Einsatz kommen.
- Sportpause
Die Notwendigkeit einer kürzeren Sportpause ist Leistungssportlern in dieser Phase 1 des Sehnenleidens und selbst bei einem Schweregrad 2 oft schwer zu vermitteln. Sie wird aber unbedingt empfohlen und sollte der Übungstherapie vorausgehen. Die Kniescheibensehne sollte in dieser Phase (1 und 2) keinesfalls durch Sport zu sehr belastet werden. Anders gesagt: Von Bewegungen, die die Beschwerden verstärken, sollte man unbedingt Abstand nehmen. Ab dem Schweregrad 3 ist eine Sportpause unumgänglich. Eine absolute Ruhigstellung des Knies ist aber zu vermeiden, da es sonst unbeweglicher wird oder sogar einsteifen kann.
Für Leistungssportler erarbeiten die Therapeuten bei Bedarf Programme, die ein sofortiges Übungstraining unter Schonung der Kniescheibensehne ermöglichen.
- Physiotherapie
Neben der "klassischen" Physiotherapie kommen auch Massagen, Kälteanwendungen und Elektrotherapie zum Einsatz. Ergänzend können spezielle Tapes oder Bandagen helfen, die Sehne ruhigzustellen und die Kraftübertragung zu entlasten.
Die Behandlung mit Stoßwellen (sogenannte extrakorporale, von außen zugeführte Stoßwellentherapie (ESWT) mit gebündelten Schalldruckwellen) ist beim Springerknie eher nicht erfolgreich.
- Medikamentöse Therapie
Eine vorübergehende Einnahme von schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten wie beispielsweise Ibuprofen oder Paracetamol kann sinnvoll sein und wird mit dem Arzt festgelegt. Einspritzen von Kortison in die geschädigte Sehne sollte unbedingt vermieden werden, da es hierunter zu Rissen der Sehne kommen kann.
Seit neuerem kommen auch Pflaster, welche Nitroglycerin enthalten (gepaart mit einer Trainingstherapie) zum Einsatz.
- Operative Therapie
Falls die Schmerzen trotz intensiver Behandlung nicht nachlassen, raten Ärzte den Betroffenen, besonders Leistungssportlern, zu einer Operation. Sie ist minimalinvasiv arthroskopisch möglich, also mittels Gelenkspiegelung.
Die Kniescheibensehne kann an der Spitze der Kniescheibe (Patellaspitze) gelöst beziehungsweise längs eingekerbt, neu gebildetes Binde-, Gefäß- und Nervengewebe, das bei der Schmerzentstehung eine Rolle spielt, abgetragen werden (elektrothermische Denervierung der Umgebung der Sehne). Die Maßnahmen betreffen aber nur einzelne Fasern um den Schmerzpunkt und Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren), um diese zu beruhigen oder auszuschalten. Anders als bei einem Sehnenriss erfolgt keine Sehnennaht.
Gleichzeitig lassen sich eventuelle Schäden an anderen Strukturen, etwa dem Gelenkknorpel, in allen Kompartimenten im Gelenk beheben.
Nach der Operation wird das Knie mit speziellen Bandagen für drei bis vier Wochen funktionell geführt. Danach schließt sich eine mehrwöchige Physiotherapie an. Ziel ist es, die das Knie führende Muskulatur wieder optimal aufzubauen und es zu stabilisieren, um so die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der sportlichen Aktivität zu schaffen. Die Erfolgsraten erreichen bis zu 85 Prozent.
Prognose: Wie stehen die Heilungschancen?
Die Prognose eines Springerknies ist günstig, ausreichende Schonung, geeignete Therapien und risikobewusstes Verhalten beim Wiedereinstieg in den Sport vorausgesetzt. Geduld ist gefragt, da der Heilungsprozess mehrere Monate dauert. Auch nach erfolgreicher Rehabilitation im Anschluss an eine Operation ist die Rückkehr zum vorher ausgeübten Sport häufig möglich.
Vorbeugung: Wie kann man einem Springerknie vorbeugen?
Die Möglichkeiten reichen vom Wechsel zu einer das Knie weniger belastenden Sportart über den gezielten Muskelaufbau, Propriozeptionstraining (trainiert die Nervenrezeptoren in Muskeln und Gelenken), Konditionstraining, Verbesserung der Sprungtechnik beim Sport und Aufwärmübungen vor sportlichen Aktivitäten bis zur Optimierung der Sportschuhe.
Diese Maßnahmen können das Verletzungsrisiko allgemein und die Gefahr senken, dass sich ein Springerknie entwickelt oder verschlechtert.
Unser beratender Experte:
Univ.-Prof. Dr. med. Andreas B. Imhoff ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle orthopädische Chirurgie und Sportmedizin. Er ist Vorstand der Abteilung für Sportorthopädie an der Technischen Universität München (TUM), Klinikum Rechts der Isar. Zu seinen Spezialgebieten gehören die Diagnose und Behandlung von Erkrankungen und Verletzungen der Schulter, Knie, des Ellbogens und Sprunggelenks, schwerpunktmäßig mit arthroskopischen Verfahren (Gelenkspiegelung).
Eng damit verknüpft ist auch seine wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Knorpelzell- und Sehnentransplantation. Professor Imhoff war lange Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Vorstandsmitglied der deutschen Kniegesellschaft DKG, Ehrenmitglied der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Arthroskopie (AGA; Kongresspräsident 1999 und 2017, Präsident 2000 bis 2004, Vorstandsmitglied 1999 bis 2013) sowie Ehrenmitglied und Korrespondierendes Mitglied mehrerer orthopädisch-chirurgischer Fachgesellschaften in Europa USA, Asien und Südamerika. Er wurde mit verschiedenen Forschungsstipendien in England, Kanada, USA sowie wissenschaftlichen Preisen ausgezeichnet. Seine Veröffentlichungen umfassen zahlreiche Fachbeiträge in nationalen und internationalen Gesellschaften.
Wichtig: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.