Muss eine Skoliose behandelt werden oder nicht? Verschiedene Faktoren sind bei dieser Entscheidung wichtig:

Der Schweregrad

Sehr leichte Verkrümmungen (siehe auch Kapitel Diagnose) haben eventuell gar keine negativen Auswirkungen, so dass eine Therapie nicht zwingend erforderlich ist. Sehr schwere Verformungen dagegen könnten langfristig zu vorzeitigem Verschleiß und Schmerzen führen. Hier wird man sich üblicherweise zur Therapie entscheiden. Ob behandelt wird, ist also unter anderem eine Frage der Röntgenbefunde.

Alter und voraussichtlicher Verlauf

Sollte der Arzt bei einem Erwachsenen zufällig eine leichte Skoliose feststellen, dann wird er vermutlich keine Therapie mehr vorschlagen. Denn es ist eher unwahrscheinlich, dass sich die Krümmung in Zukunft noch verschlechtern wird. Außerdem ist eine Skoliose – beispielsweise mit einer Korsett-Behandlung – nur noch schwer oder gar nicht mehr beeinflussbar, wenn die Wirbelsäule einmal ausgewachsen ist.

Anders beim Kind: Hier befindet sich die Wirbelsäule noch im Wachstum. Oft verformt sie sich gerade während der Wachstumsschübe vor und in der Pubertät. Und diese Verformung kann rasch entstehen. Denn sobald sich die Wirbelkörper auch nur ein wenig verschoben haben, geraten die Muskeln ins Ungleichgewicht. Die Kräfte, die auf die Wirbelsäule wirken, verteilen sich ungleichmäßig – das fördert wiederum die Verkrümmung. Der Prozess kann sich also selbst verstärken. Unter Umständen bildet sich so aus einer leichten Skoliose innerhalb weniger Monate eine schwere Verformung.

Deshalb ist es wichtig zu wissen, inwieweit sich das Skelett noch im Wachsen befindet. Diese sogenannte Skelettreife von Kindern und Jugendlichen können Ärzte auf dem Röntgenbild einschätzen: Dazu untersuchen sie, wie weit der Darmbeinkamm bereits verknöchert ist (Risser-Zeichen). Die Wachstumspotenz kann auch aus einer Röntgenaufnahme der Hand ermittelt werden. Im Wachstumsalter ist eine Skoliose oft noch gut zu behandeln.

Welche Therapie ist die beste?

Eine Therapie kann folgende Ziele haben: Eine weitere Verschlechterung soll nach Möglichkeit verhindert werden. Die bestehende Verkrümmung soll möglichst dauerhaft korrigiert werden. Die Frage, ob und wie eine Skoliose behandelt werden muss, ist nicht pauschal zu beantworten. Die Entscheidung hängt auch nicht allein von einem einzelnen Röntgenbefund ab, sondern muss individuell getroffen werden. Ärzte, Betroffene und bei Kindern auch ihre Eltern sollten gemeinsam überlegen, welches Vorgehen am besten geeignet ist. Wichtig sind regelmäßige Verlaufskontrollen, um den Erfolg der gewählten Therapie zu überprüfen.

Krankengymnastik

Eine Skoliose, die einen Krümmungswinkel kleiner als 20 Grad aufweist (siehe Kapitel Diagnose), wird – wenn überhaupt – überwiegend krankengymnastisch behandelt. Die Übungen haben zum Ziel, die Rumpfmuskulatur gezielt zu stärken und dadurch der Wirbelsäule mehr Halt zu geben. Dehn- und Kräftigungsübungen für geschwächte, beziehungsweise überdehnte Muskelpartien zählen dazu, dreidimensionale Übungen, Unterstützung durch gezielte Atemgymnastik. Betroffene sollten Eigenübungen täglich machen.

Korsett

Wirbelsäulenkrümmungen über 20 bis 25 Grad werden bei noch großer Wachstumspotenz meistens mit einem individuell angefertigten Korsett aus leichtem Kunststoff behandelt, um eine (weitere) Deformation der knöchernen Strukturen zu vermeiden. Die Korsett-Konstruktionen (auch Orthese genannt) sollen dreidimensional der eingetretenen Verdrehung der Wirbelsäule entgegen wirken.

Damit die Behandlung effektiv ist, muss das Korsett möglichst viel getragen werden – üblicherweise 22 Stunden am Tag, also auch nachts. Gerade für Kinder und Jugendliche ist das keine leichte Situation. Es hilft, wenn Eltern und Kinder verstehen, warum die konsequente Behandlung so wichtig ist, welches Ziel damit erreicht werden soll, und dass ihre Mitarbeit entscheidend ist. Der Austausch mit anderen Betroffenen – beispielsweise in Selbsthilfegruppen – kann eventuell entlastend wirken. Manchmal ist auch eine professionelle psychologische Unterstützung durch einen Therapeuten oder eine Therapeutin ratsam.

Der Therapieerfolg muss regelmäßig überprüft und das Korsett an das Wachstum des Kindes angepasst werden. In manchen Fällen wird ein Korsett auch zur Nachbehandlung einer Operation empfohlen.

Ergänzend zur Korsett-Behandlung verordnen die Ärzte üblicherweise auch Krankengymnastik. Sind die Bauch- und Rückenmuskeln trainiert, geben sie der Wirbelsäule zusätzlichen Halt.

Operation

Ist die Wirbelsäule bei einer Skoliose um  mehr als 50 Grad nach Cobb gekrümmt (siehe Kapitel Diagnose) oder ist – bei Kindern und Jugendlichen – mit einem weiteren Fortschreiten der Skoliose durch das Wachstum zu rechnen, kann eine operative Behandlung in Betracht gezogen werden. Skoliosen, die auf Nervenstörungen zurückzuführen sind, müssen oft frühzeitiger operiert werden als Skoliosen, deren Ursache nicht bekannt ist (idiopathische Skoliose, siehe Kapitel Ursachen).

Vorbehandlung: Vor einer Skoliose-Operation erfolgt in manchen Fällen eine Vorbehandlung, um die Wirbelsäule zu "lockern". Dadurch sollen vor allem bei stärkeren Krümmungen optimale Voraussetzungen für den chirurgischen Eingriff hergestellt werden. Diese Mobilisation kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen: So kann Krankengymnastik zum Einsatz kommen oder eine spezielle Streckbehandlung über einige Tage (Cotrel-Extension). Dabei werden Schlingen an Kopf und Füßen befestigt und der Körper per Zug über diese Schlingen vorsichtig gedehnt. Das hört sich drastisch an. Die Behandlung ist für die meisten Betroffenen aber nicht schmerzhaft, wenn auch lästig. In manchen Fällen kommt eine Halo-Schwerkraft-Traktion zum Einsatz. Dabei wird unter örtlicher Betäubung ein Metallring mit Schrauben am Kopf des Patienten befestigt. Über den Metallring wird über einige Wochen Zug ausgeübt und die Intensität allmählich gesteigert, so dass der Körper gestreckt wird.

Bei der Operation wird die Form der Wirbelsäule soweit als möglich korrigiert, stabilisiert und die Wirbelsäule abschnittsweise versteift (Spondylodese). Die betroffenen Bereiche werden mithilfe von Implantaten (zum Beispiel Stäben, Schrauben) fixiert und so präpariert, dass die Wirbelkörper miteinander verwachsen – beispielsweise können Knochenspäne aus dem Becken des Patienten zwischen den Wirbelkörpern eingelegt werden. Das bedeutet, dass die betroffenen Wirbelkörper anschließend nicht mehr gegeneinander beweglich sind. Es wäre jedoch ein Irrtum zu glauben, die Betroffenen könnten nach der Operation ihren Rücken gar nicht mehr bewegen. Die Wirbelsäule kann die Einschränkung in vielen Fällen gut kompensieren. Probleme können allerdings schon vorkommen – zum Beispiel werden die nicht versteiften Abschnitte eventuell überlastet.

Die Operation erfolgt entweder von vorne – also über Bauch- oder Brusthöhle. Oder die Wirbelsäule wird von hinten, also vom Rücken aus, operiert. Welches Verfahren besser geeignet ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Beide haben verschiedene Vor- und Nachteile. Wie bei jeder Operation gibt es auch bei einer Skoliose-Korrektur Risiken wie Wundheilungsstörungen, Infektionen oder Nervenverletzungen. Darüber sollte vor dem Eingriff ausführlich mit den behandelnden Ärzten gesprochen werden. Die Skoliose-Operation zählt zu den eher großen Eingriffen. Der zu erwartende Nutzen muss auf jeden Fall höher sein als die möglichen Nachteile.

Im Anschluss an eine Operation sind üblicherweise regelmäßige Nachkontrollen nötig. In welchen Abständen sie erfolgen sollten, wird individuell vom Arzt festgelegt. Es sollte außerdem besprochen werden, wann Sport wieder in vollem Umfang möglich ist, und ob spezielle Sportarten vielleicht eher zu vermeiden sind.

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