Prostatavergrößerung – wenn Urinieren zur Tortur wird
Was ist eine gutartige Prostatavergrößerung?
Der medizinische Fachausdruck für eine gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse (Prostata) lautet „benigne Prostatahyperplasie (BPH)“.
Die Vorsteherdrüse ist eine etwa kastaniengroße Drüse, die nur Männer haben. Sie liegt unterhalb der Harnblase und umschließt die Harnröhre. Zusammen mit den Samenbläschen und den Hoden ist die Prostata für die Bildung der Samenflüssigkeit verantwortlich.
Schon ab dem Alter von etwa 35 Jahren kann die Vorsteherdrüse sich allmählich vergrößern. Ab dem 75. Lebensjahr findet sich bei nahezu allen Männern eine gutartige Vergrößerung der Prostata, die aber nicht allen Betroffenen Beschwerden macht.
Vergrößern sich die Drüsenanteile, die die Harnröhre umgeben, wird die Harnröhre allmählich eingeengt. Dadurch kann es zu Beschwerden beim Wasserlassen kommen.
Achtung: Die gutartige Vergrößerung der Prostata hat nichts mit Prostatakrebs zu tun! Mehr über Prostatakrebs erfahren Sie im Ratgeber Prostatakrebs.
Was erhöht das Risiko für eine gutartige Prostatavergrößerung?
Es ist normal, dass die Prostata im Alter wächst. Bei manchen Männern nimmt sie jedoch außergewöhnlich stark zu. Die genauen Gründe für diese übermäßige Vergrößerung sind bislang unbekannt. Es gibt aber einige Faktoren, die das Prostatawachstum begünstigen.
Hormonelle Veränderungen
Mit zunehmendem Alter nimmt der Testosterospiegel im Blut ab, aber die Aktivität des Enzyms 5-Alpha-Reduktase nimmt zu. Dieses Enzym wandelt das Hormon Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) um, welches das Wachstum der Prostatazellen fördert. Ältere Männer haben außerdem einen höheren Anteil an Östrogen im Verhältnis zu Testosteron. Studien legen nahe, dass ein höherer Östrogenspiegel die Prostata empfindlicher für DHT machen könnte, was das Wachstum weiter stimuliert.
Natürlicher Alterungsprozess
Mit dem Älterwerden treten Veränderungen in der Zellregulation auf, die zu einer Vermehrung der Prostatazellen führen können. Eine gutartige Prostatavergrößerung tritt selten bei Männern unter 40 auf. Mit steigendem Alter nimmt die Zahl der betroffenen Männer deutlich zu. Ein Hinweis darauf, dass das Lebensalter in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle spielt.
Erbliche Faktoren
Es gibt zudem Hinweise darauf, dass genetische Veranlagungen eine Rolle bei der Entwicklung einer gutartigen Prostatavergrößerung spielen. Männer, deren Verwandte ersten Grades (Väter und Söhne) daran leiden, haben ein höheres Risiko, ebenfalls betroffen zu sein.
Lebensstil und Ernährung
Das sogenannte metabolische Syndrom kann zur Entwicklung einer gutartigen Prostatavergrößerung beitragen. Das ist die Kombination aus starkem Übergewicht (Adipositas), Typ-2-Diabetes, Fettstoffwechselstörungen sowie Bluthochdruck. Diese Faktoren beeinflussen den Hormonhaushalt und können das Wachstum der Prostata begünstigen.
Woran merkt man, dass man eine gutartige Prostatavergrößerung hat?
Die Symptome einer gutartigen Prostatavergrößerung können das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen. Sind sie ausgeprägt oder verschlimmern sich, sollten sie unbedingt ärztlich abgeklärt werden.
Häufiger Harndrang
Betroffene spüren öfter als sonst den Drang, zur Toilette zu gehen und das nicht nur tagsüber. Nachts kann dadurch der Schlaf beeinträchtigt sein.
Dringender Harndrang
Ein häufiges Symptom ist ein ganz plötzlich auftretendes, sehr starkes Bedürfnis, urinieren zu müssen. Dies kann zu unangenehmen Situationen führen, besonders, wenn keine Toilette in der Nähe ist.
Schwierigkeiten beim Wasserlassen
Der Urinfluss kann schwach sein und er kann unterbrochen oder tröpfelnd erscheinen. Das Wasserlassen kann dadurch mühsam und zeitaufwendig werden.
Unvollständige Blasenentleerung
Bleibt ständig Harn in der Blase zurück, können sich dort leichter Keime ansiedeln. Das erhöht das Risiko von Harnwegsinfekten oder Blasensteinen. Rund ein Drittel der betroffenen Männer leiden zusätzlich unter Erektionsproblemen, noch mehr unter Schwierigkeiten beim Samenerguss.
Kommt es zu einem akuten Harnverhalt, kann der Betroffene die Blase nicht mehr entleeren, obwohl sie voll ist und er einen deutlichen Harndrang verspürt. Die überdehnte Harnblase kann starke Schmerzen verursachen. Hierbei handelt es sich um einen Notfall! Der Harn muss sofort von der Ärztin oder dem Arzt mithilfe eines dünnen Plastikschlauchs (Katheter) abgeleitet werden.
Bei vielen Patienten kommt es aber nicht zu einem akuten Harnverhalt, sondern die Überdehnung der Blase und die Restharnbildung erfolgt schleichend und unbemerkt (chronischer Harnverhalt). Die Folge ist ein sogenanntes Harnträufeln beziehungsweise eine Überlaufinkontinenz. Der Harnstau kann sich in die Harnleiter und nach oben bis in die Nieren fortsetzen und diese dauerhaft schädigen.
Wie erkennt die Ärztin oder der Arzt, dass man eine gutartige Prostatavergrößerung hat?
Die Diagnose einer gutartigen Prostatavergrößerung erfolgt durch verschiedene medizinische Untersuchungen und Tests.
Anamnese
Der Arzt oder die Ärztin beginnt mit einer ausführlichen Befragung zu den Symptomen, wie häufigem Harndrang, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, schwachem Urinstrahl oder nächtlichem Harndrang. Es wird nach bestehenden Gesundheitsproblemen und früheren Erkrankungen gefragt, um mögliche Zusammenhänge zu klären.
Die American Urological Association hat das internationale Prostata-Symptom-Score (IPSS) entwickelt. Hier können Sie die standardisierten Fragen beantworten:
Prostatafragebogen (IPSS)
1 ) Wie oft hatten Sie im vergangenen Monat das Gefühl, Ihre Blase war nach dem Wasserlassen nicht ganz entleert?
Die Auswertung zeigt, ob die Beschwerden eher mild, mäßig oder schwer ausgeprägt sind. Patienten mit einer gutartigen Prostatavergrößerung und einem IPSS-Punktewert von weniger als acht Punkten, deren Lebensqualität kaum beeinflusst ist, werden "nicht aktiv" behandelt. Das bedeutet: Man wartet ab und kontrolliert regelmäßig die Befunde, um falls nötig einzugreifen. Patienten mit mäßiger oder schwerer Symptomatik benötigen weitere Diagnostik, die bei einer Fachärztin oder einem Facharzt für Urologie stattfinden sollte.
Rektale Untersuchung
Eine rektale Untersuchung ist ein Standardverfahren zur Untersuchung der Prostata. Dabei tastet der Arzt oder die Ärztin mit dem Finger durch das Rektum die Größe, Form und Konsistenz der Prostata ab. Eine vergrößerte Prostata kann so festgestellt werden.
Urinuntersuchung
Eine Urinuntersuchung wird durchgeführt, um Anzeichen von Infektionen, Blut oder anderen Auffälligkeiten im Urin festzustellen. Sie hilft, andere mögliche Ursachen der Symptome auszuschließen.
Blutuntersuchung
Eine Blutuntersuchung gibt Hinweise darauf, ob der PSA-Spiegel erhöht ist. PSA ist ein Eiweiß, das nur in der Prostata gebildet wird. Ein erhöhter Wert kann auf eine gutartige Prostatavergrößerung oder Prostatakrebs hinweisen, aber auch harmlose Ursachen haben. Der Test gilt deshalb als wenig aussagekräftig und ist umstritten.
Ultraschalluntersuchung
Bei einem transrektalen Ultraschall wird ein kleiner Schallkopf in das Rektum eingeführt, um Bilder der Prostata zu erzeugen. Dies hilft, die Größe der Prostata zu messen und Veränderungen festzustellen. Damit und mit einem normalen Ultraschall durch die Bauchdecke ist erkennbar, wie viel Urin sich nach dem Entleeren noch in der Blase befindet.
Messungen
Eine Harnstrahlmessung (Uroflowmetrie) liefert Hinweise, ob die Harnwege unterhalb der Blase zum Beispiel durch eine vergrößerte Prostata verengt sind oder die Blasenmuskulatur nicht richtig funktioniert. Welches von beiden allerdings die Ursache der veränderten Messwerte ist, lässt sich mit dieser Untersuchung nicht herausfinden.
Die Unterscheidung kann ausschließlich mit speziellen Tests wie der urodynamischen Untersuchung gemacht werden. Hierbei wird durch Messung der Druckverhältnisse in Blase, Harnröhre und Bauch eine Differenzierung ermöglicht. Eine urodynamische Messung ist nicht immer zwingend erforderlich bei typischen Symptomen und einer eindeutig vergrößerten Prostata. Sie kann jedoch bei komplexen Fällen, unklaren Symptomen oder vor geplanten Eingriffen hilfreich sein.
Wie wird eine vergrößerte Prostata behandelt?
Die geeignete Behandlung einer vergrößerten Prostata richtet sich nach den Beschwerden der Betroffenen. Das Hauptziel der Therapie ist es, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Die wichtigsten Behandlungsmöglichkeiten sind:
Überwachung und regelmäßige Kontrolle
Bei leichten bis moderaten Symptomen kann der Arzt oder die Ärztin empfehlen, zunächst gar keine Behandlung zu beginnen (kontrolliertes Zuwarten). Eine Behandlung wird dann erst begonnen, wenn sich die Symptome verschlimmern.
Lebensstiländerungen
Bewegung und Sport verbessern die allgemeine Gesundheit und eine gesunde Ernährung senkt das Körpergewicht, was positive Effekte auf die Prostata haben kann. Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und fettarme Lebensmittel können vorteilhaft sein. Außerdem sollte man vor dem Schlafengehen nur wenig trinken, um den nächtlichen Harndrang zu minimieren.
Pflanzliche Arzneimittel
Seit Generationen kommen Pflanzenextrakte zur natürlichen Behandlung von leichten Formen der gutartigen Prostatavergrößerung zum Einsatz. Die meisten Präparate werden aus Samen, Rinden, Wurzeln oder Früchten einiger weniger Arzneipflanzen hergestellt. Die größte Rolle spielen dabei Präparate mit den Wirkstoffen des Arzneikürbis, der Sägepalme und der Brennnessel. Diese Arzneien gelten als nebenwirkungsarm. Kurzfristig können pflanzliche Mittel die Beschwerden offenbar lindern. In den ärztlichen Leitlinien zur Behandlung der gutartigen Prostatavergrößerung gibt es aber keine Empfehlung für solche Mittel, weil die Wirkung nicht ausreichend durch Studien belegt ist.
Medikamente
- Alpha-Blocker: Diese Medikamente entspannen die Muskeln der Prostata und des Blasenhalses, wodurch der Harnfluss erleichtert wird. Beispiele sind Terazosin, Doxazosin und Tamsulosin.
- 5-Alpha-Reduktase-Hemmer: Diese Medikamente, wie Finasterid und Dutasterid, reduzieren die Größe der Prostata, indem sie die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) hemmen. Dies kann das Wachstum der Prostata verlangsamen.
- Kombinationstherapie: In einigen Fällen kann eine Kombination aus Alpha-Blockern und 5-Alpha-Reduktase-Hemmern verschrieben werden, um bessere Ergebnisse zu erzielen.
Technische Therapieverfahren
Moderne Medizintechnik bietet verschiedene Ansätze, um die Symptome einer gutartigen Prostatavergrößerung zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Bei verschiedenen Diagnosen, wie zum Beispiel bei wiederkehrendem Harnverhalt, Infektionen, Blut im Urin oder Nierenproblemen sind sie die einzige Option. Ansonsten hängt die Wahl der geeigneten Behandlung von der individuellen Situation des Patienten ab.
Hier einige Beispiele:
- Transurethrale Resektion der Prostata (TURP): Bei der TURP wird überschüssiges Prostatagewebe durch die Harnröhre entfernt. Dies geschieht mithilfe eines Resektoskops, einem speziellen Instrument, das durch die Harnröhre eingeführt wird. Die TURP ist eine bewährte Methode, die eine schnelle Linderung der Symptome bewirkt und als Standardverfahren gilt.
- Lasertherapie: Um das vergrößerte Prostatagewebe präzise zu entfernen, kann zum Beispiel eine Holmium-Laser-Enukleation (HoLEP) angewendet werden. Mit einem Laser trennt der Arzt das gesamte überschüssige Prostatagewebe sehr genau und nahezu ohne Blutungen ab. Eine andere Methode ist die Photoselektive Vaporisation (PVP). Hierbei wird ein grüner Laser genutzt, um das Gewebe zu verdampfen und die Harnröhre freizulegen. Alle Lasertherapien sind minimalinvasiv, verursachen weniger Blutungen und haben eine kürzere Erholungszeit im Vergleich zur TURP.
- Transurethrale Mikrowellenthermotherapie (TUMT): Dieses Verfahren nutzt Mikrowellenenergie, die durch einen Katheter abgegeben wird. Das überschüssige Prostatagewebe wird erhitzt und zerstört. Die TUMT ist ein ambulantes Verfahren, das ohne Vollnarkose durchgeführt werden kann und eine relativ kurze Erholungszeit hat.
- Transurethrale Nadelablation (TUNA): Bei TUNA werden Nadeln in das Prostatagewebe eingeführt, die hochfrequente Radiowellen abgeben, um das überschüssige Gewebe zu erhitzen und zu zerstören. Dieses minimalinvasive Verfahren kann oft ambulant durchgeführt werden und hat eine geringere Nebenwirkungsrate.
- UroLift-System: Das UroLift-System verwendet kleine Implantate, um das vergrößerte Prostatagewebe beiseitezuziehen und die Harnröhre offenzuhalten. Der Eingriff ist minimalinvasiv, erfordert keine Schnitte oder Gewebeentfernung und hat eine kurze Erholungszeit, oft ohne die Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthalts.
- Wasserdampfablation: Bei dieser Therapie wird heißer Wasserdampf in das Prostatagewebe eingebracht, wodurch die Zellen absterben und das Gewebe schrumpft. Dieses minimal-invasive Verfahren kann in der Arztpraxis durchgeführt werden, benötigt keine Vollnarkose und hat eine schnelle Erholungszeit.
Operationen
In schweren Fällen kann eine offene Operation (offene Prostatektomie) notwendig sein, um das vergrößerte Prostatagewebe zu entfernen. Dies ist eine größere Operation.
Gibt es eine Früherkennungsmethode?
Einen verlässlichen Schutz vor einer gutartigen Prostatavergrößerung gibt es nicht. Daher ist eine zeitige Diagnose besonders wichtig. Das Krebs-Früherkennungsprogramm kann dabei helfen, Anzeichen sowohl von Krebs als auch einer gutartigen Vergrößerung frühzeitig zu erkennen. Ab dem 45. Lebensjahr übernehmen die Krankenkassen jährlich die Kosten für eine entsprechende Untersuchung.
Diese Untersuchung umfasst ein Gespräch über bestehende Beschwerden und die gesundheitliche Vorgeschichte, eine Untersuchung der Leistenregion und äußeren Genitale sowie das Abtasten der Prostata durch dsa Rektum.
Zusätzlich können Männer einen PSA-Test durchführen lassen. Er kann Hinweise auf Veränderungen der Prostata geben, ist jedoch umstritten. Dieser Test ist nicht standardmäßig in der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten und muss meist selbst bezahlt werden. Die Kosten dafür liegen bei etwa 25 bis 35 Euro.
Alle Infos zum Nachhören gibt es auch hier:
Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann eine ärztliche Beratung nicht ersetzen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine individuellen Fragen beantworten.
Quellen:
- Ingrid Müller: Gutartige Prostatavergrößerung – das sollte Mann wissen!. Prostata Hilfe Deutschland Online: https://www.prostata-hilfe-deutschland.de/... (Abgerufen am 01.08.2024)
- Miernik, Arkadiusz; Gratzke, Christian: Aktuelle Therapie des benignen Prostatasyndroms. In: Dtsch Arztebl Int 2020: 28.07.2020, https://doi.org/...
- Arbeitskreis Benignes Prostatasyndrom (BPS) der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU): S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS). Leitlinie: 2023. Online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 01.08.2024)