Schwangerschaftsdiabetes: Nachsorge enorm wichtig
Streicheleinheiten, Windeln wechseln, Fläschchen machen oder stillen, die Wäscheberge beseitigen… Nach der Geburt sind tausend Dinge wichtig, die das Neugeborene betreffen. Dann kann es passieren, dass Mütter ihre eigene Gesundheit hintenanstellen. Dabei sollte diese nicht vernachlässigt werden. Dies gilt besonders für die Frauen, die während der Schwangerschaft erhöhte Blutzuckerwerte hatten. Etwa die Hälfte von ihnen entwickelt innerhalb von zehn Jahren einen Typ-2-Diabetes. Zudem haben die betroffenen Frauen ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Komplikationen. Doch nur knapp 40 Prozent nehmen die Nachsorge bei Schwangerschaftsdiabetes in Anspruch. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung des Deutschen Diabetes-Zentrums. Wir haben dazu mit Dr. Sofiya Gancheva gesprochen, Oberärztin an der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.
Frau Dr. Gancheva, warum ist die Schwangerschaftsdiabetes-Nachsorge so enorm wichtig?
Man muss wissen, dass alle Frauen während der Schwangerschaft mehr Insulin benötigen, weil in der zweiten Schwangerschaftshälfte eine physiologische Insulinresistenz entsteht. Das ist hormonell bedingt und völlig normal. Die Bauchspeicheldrüse muss allerdings in dieser Zeit mehr leisten. Bei Frauen, die während der Schwangerschaft eine Glukosestoffwechselstörung entwickeln, steigen die Blutzuckerwerte an. Das liegt daran, dass entweder schon eine gewisse Insulinresistenz besteht, etwa, weil sie übergewichtig sind, oder die Bauchspeicheldrüse nicht genügend Insulin produzieren kann.
Während der Schwangerschaft werden die Werte beobachtet und es wird versucht, den Blutzucker mit Maßnahmen wie gesunder Ernährung oder Medikamenten in den Griff zu bekommen. Wie geht es denn aber nach der Geburt weiter?
Oft normalisieren sich die Glukosewerte nach der Geburt, aber eben nicht immer. Deshalb sollten alle Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt zum „postpartalen Diabetes-Screening“ gehen. Dies können am besten Diabetolgische Schwerpunktpraxen durchführen. Die Kosten hierfür werden von der Krankenkasse übernommen. Nach der Entbindung sollte weiterhin auf gesunde Ernährung und Steigerung der körperlichen Aktivität geachtet werden, so dass sich die Blutzuckerwerte möglichst normalisieren.
Was wird bei diesem Screening gemacht?
Wie schon während der Schwangerschaft wird erneut ein 75g Glukosetoleranztest morgens nüchtern durchgeführt. Die Patientin bekommt dafür ein Glas konzentrierte Zuckerlösung zu trinken. Vorher und zwei Stunden danach wird der Blutzucker gemessen. So können wir sehen, ob dieser steigt, oder ob die Werte normal ansteigen oder übermäßig erhöht sind und somit auf eine Glukosestoffwechselstörung hindeuten.
Und wer sollte diesen Test machen lassen?
Wie schon gesagt, sollten diesen Test alle Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes wahrnehmen. Darüber müssten alle Patientinnen auch aufgeklärt werden. – Besonders relevant ist die Untersuchung für diejenigen, bei denen in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft eine Glukosestoffwechselstörung festgestellt wurde. Auch die Frauen, die während der Schwangerschaft mit Insulin behandelt werden mussten, sollten diese Nachsorge unbedingt in Anspruch nehmen. Des Weiteren gilt dies für Mütter, die stark übergewichtig sind beziehungsweiseeinen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30 kg/m2 haben.
Nun ist es ja bei den meisten Müttern so, dass sich gerade in den ersten Wochen nach der Geburt alles ums Baby dreht und keine Zeit für Arzttermine bleibt. Kann dieser Test auch später noch durchgeführt werden?
Natürlich. Allerdings sollten sich die Frauen bewusst sein: Je eher bei ihnen eine Glukosestoffwechselstörung entdeckt wird, desto früher können sie diese in den Griff bekommen oder sogar rückgängig machen. Außerdem können Diabetesfolgen so auch besser vermieden werden.
Welche Komplikationen können denn auftreten?
Diejenigen, die auch nach der Geburt erhöhte Blutzuckerwerte aufweisen, sind nicht nur gefährdet, dass ihr Stoffwechsel entgleist, auch die Nieren können geschädigt werden. Zudem kann es im Verlauf zu Augenproblemen und Herz-Kreislaufkomplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall kommen.
Das macht Angst. Wie schnell können sich diese Komplikationen entwickeln?
Bereits zehn Jahre nach der Entbindung ist das Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse bei Frauen mit Gestationsdiabetes etwa zweifach erhöht. Auch Frauen, die nach dem Schwangerschaftsdiabetes im Laufe der Zeit nicht an Typ-2-Diabetes erkranken, haben ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Vor allem leiden sie häufiger an Bluthochdruck und koronarer Herzkrankheit. Die Typ-2-Diabetes-Diagnose wird meist in den ersten fünf Jahren nach der Geburt des Kindes gestellt.
Abgesehen von der Nachsorge, die wichtig für die Mütter ist, wie lassen sich denn erhöhte Werte wieder in den Griff bekommen bzw. wie lässt sich die Diagnose Typ-2-Diabetes verhindern?
Wer sich gesund ernährt, regelmäßig bewegt und sein Gewicht reduziert, kann sein Diabetesrisiko senken. Auch Stillen kann sich positiv auswirken. Durch eine Gewichtsabnahme lässt sich ein vorliegender neu-diagnostizierter Typ-2-Diabetes rückgängig machen. Das haben Studien gezeigt. - Mein Appell lautet jedoch vor allem: Nehmen Sie die Nachsorge rechtzeitig wahr. So lassen sich Auffälligkeiten im Blutzuckerhaushalt feststellen. Und dann kann man gemeinsam überlegen, wie sich gegensteuern lässt.
Quellen:
- U. Linnenkamp, G. Gordon Greiner, B. Haastert et al.: Postpartum screening of women with GDM in specialised practices: Data from 12,991 women in the GestDiab register. https://onlinelibrary.wiley.com/... (Abgerufen am 14.12.2022)