Diabetes: Mit schwankenden Werten klarkommen
Manchmal ist es zum Mäusemelken! Obwohl man sich große Mühe mit seiner Diabetestherapie gibt, spielt der Blutzucker verrückt, rutscht immer wieder plötzlich in den Keller oder steigt stark an. Vor allem Menschen mit Typ-1-Diabetes kennen das Problem. Sie produzieren kein oder kaum noch Insulin. Aber auch wer schon lange Typ-2-Diabetes hat, erlebt manchmal heftige Zuckerschwankungen.
Nicht immer findet sich eine Erklärung für das Auf und Ab. „Dafür gibt es einfach zu viele Dinge, die sich auf den Blutzucker auswirken, die man aber selbst nicht beeinflussen kann. Etwa Stress, auf den jeder anders reagiert, oder hormonelle Schwankungen“, sagt Fachpsychologe Dr. Berthold Maier vom Diabetes Zentrum Mergentheim. Sein Tipp: Seien Sie gnädig mit sich. Es ist nicht Ihre Schuld, wenn Werte manchmal aus dem Ruder laufen.
Gelassenheit lernen
Aber natürlich ist es frustrierend, sich für gute Werte ins Zeug zu legen und dann keinen Erfolg zu sehen. „Das führt zu einem Gefühl, den Zuckerkapriolen hilflos ausgeliefert zu sein“, sagt Susanne Baulig, Leiterin des Schwerpunktes Psychodiabetologie der Poliklinischen Institutsambulanz für Psychotherapie an der Uni Mainz. Um von diesem Gefühl wegzukommen, rät Baulig, zu überlegen, ob es doch noch eine Möglichkeit gibt, den Blutzucker positiv zu beeinflussen. Ansonsten solle man versuchen, gelassen zu bleiben. Und darauf zu vertrauen, dass sich die Werte wieder bessern. „Schauen Sie auch auf das, was bei Ihrer Diabetestherapie gut läuft und nicht nur auf die Tage mit stärkeren Schwankungen“, rät Baulig.
Zurück zu mehr Lebensfreude
Weitere wichtige Strategie gegen Blutzucker-Frust: sich realistische Ziele setzen. „Durchgehend Zuckerwerte wie Menschen ohne Diabetes zu haben, ist mit Typ 1 unmöglich“, sagt Eva Küstner, Fachpsychologin Diabetes aus Gau-Bischofsheim. Allgemein empfehlen Experten beim Typ 1 Werte zwischen 70 bis 180 mg/dl (3,9-10 mmol/l). „Welche Werte Sie anstreben, legen Sie mit dem Arzt fest“, sagt Küstner. Ihr wichtigster Rat: Opfern Sie Ihre Lebensfreude nicht dem Diabetes! „Das bedeutet auch, gelegentliche Ausreißer bewusst in Kauf zu nehmen. Etwa weil man sich bei einem Abend mit Freunden ein Gericht mit schleierhaftem Kohlenhydratgehalt gönnt.“
Viele Menschen mit Typ-1-Diabetes nutzen ein System zur kontinuierlichen Zuckermessung (CGM/FGM). Die Systeme liefern mindestens alle fünf Minuten einen neuen Wert, der etwa auf dem Handy angezeigt wird. Das bietet Sicherheit. „Jedes Auf und Ab des Zuckerspiegels zu sehen, kann aber auch stressen und Frust verstärken“, sagt Psychologe Maier. Sein Rat: Versuchen Sie, nicht ständig nach dem Zucker zu schielen, sondern höchstens alle 15 Minuten, besser nur jede Stunde. So geraten Sie auch weniger in Versuchung, immer wieder gegenzusteuern, was den Blutzucker erst recht aus dem Gleichgewicht bringt.
Austausch mit anderen Betroffenen
Wenn Ihre Werte wochenlang stark schwanken, sollten Sie mit Ihrem Diabetesteam nach den Gründen suchen. Vielleicht können Sie auch eine Schulung besuchen, um Ihr Diabeteswissen aufzufrischen und sich neu zu motivieren. Fühlen Sie sich durch die Schwankungen sehr belastet, kann psychologische Unterstützung helfen. Idealerweise bei einem diabeteserfahrenen Therapeuten (Adressen z. B. unter www.diabetes-psychologie.de). Entlastend ist es auch, sich mit anderen auszutauschen, denen es ähnlich geht. Baulig: „Viele Betroffene wünschen sich einfach jemanden, der versteht, wie frustrierend und belastend ein unberechenbarer Blutzucker ist.“ Das sei oft hilfreicher als all die gut gemeinten Tipps aus dem Umfeld.
Das sagen Betroffene:
Auf unserem Instagram-Kanal @diabetes_ratgeber haben wir Menschen mit Diabetes gefragt, wie sie mit den manchmal unerklärlichen Schwankungen umgehen. Und was ihnen hilft, darauf gelassener zu reagieren. Hier einige Antworten (teils gekürzt oder bearbeitet).
* Manche Namen von der Redaktion geändert