Chronische myeloische Leukämie
Was ist eine chronische myeloische Leukämie (CML)?
Die CML zählt zur Gruppe der sogenannten myeloproliferativen Neoplasien (MPN). Sie stellt damit eine bösartige Erkrankung der blutbildenen Zellen des Knochenmarkes dar und führt zu einer unkontrollierten Vermehrung der Leukozyten (weiße Blutkörperchen) im Blut, vor allem reife und heranreifende Granulozyten (Vorläuferzellen) sind betroffen. Auch die Zahl der Blutplättchen ist zu Beginn der Erkrankung häufig erhöht (Thrombozytose).
Krankheitsphasen der CML:
Unbehandelt verläuft die CML in drei Krankheitsphasen:
1.) Chronische stabile Phase (CP): Schleichender Beginn der Erkrankung, häufig über mehrere Jahre hinweg
2.) Akzelerationsphase (AP): Sie stellt eine Übergangsphase zum Blastenschub dar und dauert circa ein Jahr, der Anteil der Blasten im Blut und/oder Knochenmark beträgt zehn bis 30 Prozent
3.) Blastenkrise (BC): Es kommt zu einem deutlichen Anstieg der myeloischen Blasten (frühe Vorläuferform der Granulozyten) oder lymphatischer Blasten auf über 30 Prozent im Blut und/oder Knochenmark. Sie gleicht damit einer akuten Leukämie.
An einer chronischen myeloischen Leukämie erkranken im Durchschnitt ein bis zwei Menschen pro 100.000 Einwohner im Jahr. Das typische Erkrankungsalter liegt zwischen 50 und 60 Jahren mit einem leicht erhöhten Erkrankungsrisiko für Männer. Sehr selten kann eine CML bereits im Kindes- oder Jugendalter auftreten.
Ursachen: Welche Ursachen finden sich für eine CML
Zu den Risikofaktoren zählen chemische Substanzen, zum Beispiel Benzol, und radioaktive Strahlung, beispielsweise durch Hiroshima oder Nagasaki. Durch beide Faktoren können Blutstammzellen im Knochenmark eher entarten.
Bei über 90 Prozent der Menschen, die an einer chronischen myeloischen Leukämie erkrankt sind, weisen die Leukämiezellen einen speziellen Gendefekt auf: das sogenannte Philadelphia-Chromosom. Es entsteht durch den Austausch von genetischem Material zwischen den Chromosomen 9 und 22 (ein sogenanntes bcr-abl1 Fusionsgen). Die Vererbung spielt nach derzeitigem Wissensstand dabei keine Rolle.
Symptome: Welche Beschwerden bereitet eine CML?
Die chronische myeloische Leukämie beginnt meist schleichend. Das heißt, anfangs merkt der Patient nichts von der Krebserkrankung. Diese symptomlose Phase kann mehrere Jahre andauern. Schreitet die CML weiter fort, kann es zu unspezifischen Beschwerden kommen. So fühlt sich der Patient beispielsweise abgeschlagen und müde, hat keinen Appetit und verliert ungewollt Gewicht. Häufig wird die Leukämie durch eine routinemäßige Blutuntersuchung im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung festgestellt und ist ein Zufallsbefund. Auch eine Vergrößerung der Milz gehört zu den typischen Symptomen. Aufgrund einer zunehmenden Blutbildung außerhalb des Knochenmarkes in der Milz kann es zum Anschwellen des Organs kommen. Dieses kann sich durch Schmerzen im linken Oberbauch äußern. Manchmal findet sich ein druckschmerzhaftes Brustbein (Sternum) - hier befindet sich unter anderem das an der Blutbildung beteiligte Knochenmark. Besteht anfangs eine erhöhte Zahl an Thrombozyten (Thrombozytose) kann es zu Blutgerinnseln und Gefäßverschlüsse durch Thrombenbildung (sogennante Plättchenthromben) kommen.
In fortgeschrittenen Stadien bewirkt die Leukämie, dass die Zahl der gesunden, funktionsfähigen Blutzellen (aufgrund ihrer Verdrängung durch Krebszellen im Knochenmark) abnimmt. Hierdurch kommt es zu einer Störung aller drei Zellreihen:
- Mangel an Erythrozyten (Anämie): Schwäche, Blässe, Leistungsminderung, Kurzatmigkeit
- Mangel an Thrombozyten (Thrombopenie): Erhöhte Blutungsneigung, was sich durch Nasenbluten oder Blutergüssen (Hämatomen) zeigen kann
- Mangel an funktionsfähigen weißen Blutkörperchen: Erhöhte Infektanfälligkeit
Durch den teils exzessiven Anstieg an weißen Blutkörperchen kann es auch zur Bildung von Gerinnseln und Gefäßverschlüssen kommen - aufgrund der guten Verformbarkeit der ausgereiften Zellen tritt dies aber eher selten auf. Man spricht in diesem Fall von leukämischen Thromben.
Diagnose: Wie wird eine CML diagnostiziert?
- Anamnese und körperliche Untersuchung
Zu Beginn führt der Arzt ein ausführliches Gespräch über bestehende Beschwerden und mögliche Risikofaktoren (Anamnese) durch. Danach tastet er unter anderem Milz und Leber ab, da diese bei einer CML geschwollen sein können. In einer Ultraschalluntersuchung des Bauches kann ebenfalls die Größe der Organe gemessen werden.
- Blutuntersuchung
Im Blut lassen sich charakteristische Veränderungen erkennen. Im großen Blutbild ist die Zahl der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) deutlich erhöht, was vor allem durch die stark erhöhte Anzahl reifer und unreifer Granulozyten zustande kommt. Auch die Anzahl der Blutplättchen kann erhöht sein. Ist die CML bereits fortgeschritten, kommt es zu einem Mangel an roten Blutkörperchen (Anämie) und Blutplättchen.
- Knochenmarksuntersuchung
Eine Untersuchung des Knochenmarks ist wichtig, um die Diagnose nach der Blut-Untersuchung zu sichern. Dabei wird unter örtlicher Betäubung Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen (Stanzbiopsie). In der Regel kann diese Untersuchung ambulant erfolgen, das heißt, es ist dafür kein Krankenhausaufenthalt nötig.
- Nachweis genetischer Veränderung: Das Philadelpia-Chromosom
Mit sogenannten zytogenetischen Untersuchungen lässt sich die typische Veränderung der Erbsubstanz in den Zellen nachweisen: das Philadelphia-Chromosom. Mit molekularbiologischen Methoden kann das veränderte Gen im Blut und im Knochenmark bestimmt werden.
Hierbei handelt es sich um eine Translokation der Gene 9 und 22. Diese tauschen bestimmte Genabschnitte untereinander aus (bcr-abl-Translokation). Selten kann ein Philadelphia-Chromosom aber auch bei einer akuten Leukämie gefunden werden.
Bei einem kleinen Teil der CML-Patienten liegt diese typische Genveränderung nicht vor. Der Krankheitsverlauf und die Therapie dieser Erkrankten unterscheiden sich von der üblichen CML.
Therapie: Wie wird eine CML behandelt?
Bei der Therapie der CML gibt es mehrere Etappenziele:
- hämatologisches Ansprechen der Therapie
Das sogenannte hämatologische Ansprechen bedeutet, dass sich das Blutbild unter Therapie wieder normalisiert. Auch die Milz hat wieder ihre normale Größe. Diese Etappe ist bestenfalls nach einigen Wochen nach Therapiebeginn erreicht.
- zytogenetisches Ansprechen der Therapie
Beim zytogenetischen Ansprechen werden die Knochenmarkszellen mikroskopisch in der Teilungsphase untersucht. Das zytogenetische Ansprechen äußert sich in einer verminderten Anzahl an Zellen mit Philadelphia-Chromosom. Von einer kompletten zytogenetischen Remission spricht man, wenn kein Philadelphia-Chromosom mehr nachweisbar ist. Dieses Etappenziel ist bestenfalls nach circa sechs Monaten erreicht.
- molekulares Ansprechen auf die Therapie
Durch eine spezielle Untersuchung, der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) lässt sich das bcr-abl-Transfusionsgen nachweisen. Wenn der bcr-abl Wert unter 0,1 Prozent des Ausgangswertes gesunken ist, spricht man von einer guten molekularen Remission. Dieses Etappenziel sollte 12 Monate nach Therapiebeginn eingetreten sein.
Tyrosinkinasehemmer (Tyrosinkinaseinhibitoren, TKI)
Als Standardtherapie setzen Krebsspezialisten derzeit bei einer chronischen myeloischen Leukämie Tyrosinkinasehemmer ein, vor allem den Wirkstoff Imatinib. Neuere Tyrosinkinasehemmer, die inzwischen ebenfalls für die Erstbehandlung einer CML zugelassen sind, sind beispielsweise Nilotinib und Dasatinib.
Diese Substanzen hemmen eine Tyrosinkinase, ein spezielles Enzym, welches an der Entstehung des Philadelphia-Chromosoms beteiligt ist. Daher können Tyrosinkinasehemmer gezielt eine CML behandeln. Eine Heilung ist nicht möglich, dennoch lässt sich mit dieser Therapie in den meisten Fällen, die Leukämie zurückdrängen und langfristig unter Kontrolle halten. Zu Beginn der Behandlung mit Imatinib kann es durch das Medikament unter anderem zu Blutbildveränderungen, Übelkeit, Durchfällen, Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme), Hautausschlägen und Muskelkrämpfen kommen. Die Nebenwirkungen lassen jedoch mit zunehmender Therapiedauer nach.
Es ist notwendig, dass die Patienten regelmäßig Blut und Knochenmark untersuchen lassen. Nur so kann der behandelnde Arzt rechtzeitig erkennen, ob die Patienten gut auf die Behandlung ansprechen. Wird die Therapie abgebrochen, kommt es bei vielen Patienten zu einem Rückfall. Deshalb ist es besonders wichtig, die verordneten Medikamente regelmäßig anzuwenden. Eine Therapie ist häufig lebenslang nötig. Unter bestimmten Voraussetzungen kann, wenn ein optimales Ansprechen vorliegt, ein Absetzen oder Pausieren des Tyrosinkinasehemmers versucht werden, vorzugsweise im Rahmen einer Studie.
Bei mangelndem Ansprechen auf ein Präparat kommt auch ein Wechsel der Tyrosinkinasehemmer infrage.
Weitere medikamentöse Therapieoptionen
Seit der Zulassung der Tyrosinkinasehemmer 2002 zur Behandlung der CML sind andere Therapieoptionen in den Hintergrund getreten. Dennoch finden sie weiterhin Anwendung, wenn das Ansprechen auf die Tyrosinkinasehemmer unzureichend ist.
Medikamente, die hier zum Einsatz kommen sind beispielsweise Interferon-alpha, Hydroxyurea oder Chemotherapeutika.
Transplantation vom Spender- Stammzellen (allogene Stammzell-Transplantation) Eine vollständige Heilung der chronischen myeloischen Leukämie, bei der alle Krebszellen vernichtet werden, ist derzeit nur durch eine Stammzell-Transplantation (SZT) von einem gesunden Spender (allogen) möglich. Da es sich dabei um ein sehr risikoreiches Verfahren handelt, müssen im Vorfeld Risiken und Nutzen der Behandlung gründlich abgewogen werden
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.