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Queen Elisabeth und ihr Mann Prinz Philip waren Cousin und Cousine dritten Grades. Auch Prinz William und seine Frau Kate Middleton sind weitläufig verwandt. Ein seltsamer Zufall? Keineswegs. Im Hochadel waren Ehen unter Verwandten über Jahrhunderte hinweg fast die Regel. Aber wohl kein Adelsgeschlecht knüpfte so enge Familienbande wie die Habsburger.

Durch Heirat zu einem Weltreich

„Bella gerant alii, tu felix Austria nube.“ – „Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate.“ Wenn vom Aufstieg des berühmten Fürstengeschlechts die Rede ist, fällt meist früher oder später dieser berühmte Satz. Zwar verlief der Weg der österreichischen Adels-Dynastie zur Herrschaft über ein weltumspannendes Reich nicht völlig unblutig. Entscheidend aber war die Heiratspolitik. Meist schon im frühen Kindesalter wurden Bande geknüpft, welche die Macht sichern und vor allem ausweiten sollten. Geheiratet wurde über 200 Jahre schließlich fast nur noch innerhalb der eigenen Familie. Macht und Reichtum wuchsen unaufhörlich – zu einem hohen Preis. Denn die Ehen im engsten Verwandtenkreis kostete den Habsburgern schließlich ihre Gesundheit.

Risiko für Erbkrankheiten steigt

Werden sie allzu eng geknüpft, bergen Blutsbande nämlich auch Gefahren: Das Risiko für seltene Erbkrankheiten steigt in Ehen zwischen nahen Verwandten stark an. „Jeder Mensch ist Überträger von im Schnitt zehn, manchmal sogar 20 verschiedenen genetischen Erkrankungen“, sagt Professorin Ortrud Steinlein, Humangenetikerin am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Was nicht heißt, dass diese sichtbar werden. Denn nicht immer reicht ein verändertes Gen, um einen krank zu machen. Bei sogenannten rezessiv vererbten Leiden gilt üblicherweise: „Man merkt nur etwas davon, wenn die veränderten Gene im Doppelpack zusammenkommen“, sagt Steinlein. Das heißt: Vom beiden Zeugungspartnern muss dieselbe fehlerhafte Genkopie vererbt werden. Bei seltenen Erbkrankheiten kommt das im Normalfall kaum vor – es sei denn, Mutter und Vater sind eng verwandt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass beide Träger derselben rezessiven Erbkrankheit sind, enorm.

Onkel heirateten ihre Nichten

Das geschah auch bei den Habsburgern. Geheiratet wurde nicht nur unter Cousins und Cousinen, auch Onkel heirateten ihre Nichten, um ihre Töchter wieder mit deren Geschwistern zu verkuppeln – und das über Jahrhunderte. Das blieb nicht ohne Folgen: Markantes Kinn, hervorstehender Unterkiefer mit Wulstlippe und eine lange, herabhängende Nase. Von Generation zu Generation waren die Auswirkungen der vielen Verwandtenehen den Habsburger stärker ins Gesicht geschrieben. Selbst die aufgehübschten Herrscherporträts der Zeit lassen erkennen, dass die Mitglieder der Dynastie zumindest äußerlich nicht gerade mit Schönheit gesegnet waren. Offenstehende Münder, Lippen wie Schlauchboote. „Die Fehlbildung verstärkte sich immer weiter“, sagt Steinlein. Schließlich trafen Ober- und Unterkiefer kaum mehr aufeinander, Kauen wurde schwierig. Eine Folge der Inzucht? Die Vermutung drängt sich auf.

Fehlbildungen nahmen zu

Ein Forschungsteam um den Genetiker Román Vilas von der spanischen Universität Santiago de Compostela machte sich 2019 daran, den Verdacht zu prüfen und untersuchte für eine Studie 15 Mitglieder des spanischen Familienzweiges der Habsburger. Expertinnen und Experten aus der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie analysierten dazu zunächst Dutzende Porträts und bestimmten den Grad der Fehlbildungen. Zudem durchforstete das Team über 20 Generationen den Stammbaum der Habsburger. Das Ergebnis: Je höher der Grad der Verwandtschaft, desto stärker die Fehlbildung. Besonders der hervorstehende Unterkiefer verriet enge Blutsbande. Und diese wurden ständig enger. Im Schnitt waren in der Dynastie der Habsburger Eheleute enger verwandt als Cousin und Cousine, wie Untersuchungen zeigen. Bis zum Erlöschen der spanischen Linie nahm der durchschnittliche Inzuchtgrad immer weiter zu.

Unfruchtbar durch Inzest

Das hatte Folgen, nicht nurfür das Aussehen, sondern vor allem auch für die Gesundheit. Zum Beispiel bei Karl II., von 1665 bis zu 1700 als letzter Habsburger König von Spanien. Karls Vater König Philipp IV. und seine Gattin Maria Anna von Österreich, die eigentlich dessen verstorbenen Sohn heiraten sollte, waren Onkel und Nichte. Mit seinen Mätressen hatte Philipp IV. mehrere Kinder – alle kerngesund. Die Kinder mit Maria Anna kamen dagegen tot zur Welt oder starben in den ersten Lebensjahren. Nach dem Tod zweier möglicher Thronerben wurde schließlich Karl geboren. „Sein Inzuchtkoeffizient lag bei 25 Prozent – als wären seine Eltern Geschwister“, sagt Steinlein. Er konnte erst mit vier Jahren sprechen, mit acht Jahren laufen, war zeugungsunfähig und aufgrund geistiger und körperlicher Erkrankungen kaum regierungsfähig. Das spanische Volk gab dem kranken König den unbarmherzigen Beinamen „el Hechizado“, „der Verhexte“. Als Karl starb, war das das Ende der spanischen Linie der Habsburger. An der Heiratspolitik änderte das nichts. Karls einzig überlebende Schwester Margarita Theresa wurde mit Kaiser Leopold I. verheiratet – ihrem Onkel und gleichzeitig ihrem Cousin. Die von Kindheit an kränkliche junge Kaiserin starb im Alter von 21 Jahren.