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Ab 12 Uhr waren die Türen dicht: In Brandenburg, Schleswig-Holstein, Hamburg und dem Saarland haben am gestrigen Mittwoch viele Apotheken gestreikt. Geöffnet hatten allerdings Apotheken, die für den Notdienst eingeteilt waren. Sie haben Patientinnen und Patienten auch während des Streiks mit Arzneimitteln versorgt.

„Wir sind zufrieden mit der Protestaktion“, sagte Susanne Koch im Gespräch mit der Apotheken Umschau. Die Chefin des Saarländischen Apothekervereins (SAV) ist Mitinitiatorin des Streiks. Mehr als 90 Prozent der Apotheken haben sich nach SAV-Angaben im Saarland beteiligt.

Gewaltige Finanzierungslücke

Hintergrund der Protestaktion sind aktuelle Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der Bundestag hat am heutigen Donnerstag ein Gesetz beschlossen, mit dem die Ampel die gewaltige Finanzierungslücke in der Gesetzlichen Krankenversicherung stopfen will. Rund 17 Milliarden Euro fehlen.

Im kommende Jahr wird bei den Krankenkassen nun der Beitragssatz um voraussichtlich 0,3 Prozentpunkte steigen. Darüber hinaus sollen die Kassen Finanzreserven abbauen, sparen will die Regierung aber auch bei Pharmaherstellern und den Apotheken. Diese müssen den Kassen jetzt schon einen Rabatt auf jedes rezeptpflichtige Arzneimittel gewähren. Nun soll dieser Abschlag von derzeit 1,77 Euro auf dann 2 Euro steigen. Eine Durchschnittsapotheke verliert damit nach Angaben des SAV rund 6500 Euro Gewinn.

Verständnis von Kundinnen und Kunden

Diese Belastung könnten viele Apotheken kaum stemmen, sagte Susanne Koch. Seit zehn Jahren sei das Honorar der Apothekerinnen und Apotheker nicht gestiegen. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Vor den verschlossenen Türen haben die Apotheken-Teams Handzettel verteilt und über die Lage der Apotheken informiert. Das Verständnis der Kundinnen und Kunden sei sehr groß gewesen, so Koch. „Ich denke, wir haben den Rückhalt in der Bevölkerung.“ Übellaunige Kommentare habe es nur selten gegeben.

Auch der Apothekerverband in Brandenburg zog eine positive Bilanz. Dort haben ebenfalls rund 90 Prozent der Apotheken gestreikt. Viele haben mit individuellen Aktionen versucht, mit Patientinnen und Patienten ins Gespräch zu kommen. Sollten der Bundestag die Sparpläne tatsächlich beschließen, müssten weitere Apotheken in Brandenburg schließen, erklärte Verbandschef Olaf Behrend. „Allein verantwortlich für diese Entwicklung ist die Kahlschlagpolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.“

Änderungsantrag aus der Unionsfraktion

In Schleswig-Holstein und Hamburg waren ebenfalls viele Apotheken dabei. „Der Streik war bunt und individuell“, sagte Georg Zwenke Geschäftsführer der dortigen Apothekerverbände. Bei vielen Kolleginnen und Kollegen sitze der Frust angesichts der aktuellen Lage tief. Vor Ort hätten neben Kundinnen und Kunden auch Lokalpolitiker Verständnis für die streikenden Apothekenteams gezeigt.

Auch wenn die Ampel-Regierung an ihrem Sparkurs festhalten wird - SAV-Chefin Susanne Koch spricht von einem starken Signal in Richtung Berlin. „Wir haben uns immerhin Gehör verschafft und sehr deutlich gemacht, dass wir das nicht stillschweigend hinnehmen.“ Zuletzt hatte die Unionsfraktion im Bundestag noch einen Änderungsantrag vorgelegt und gefordert, die Anhebung des Kassenabschlags aus dem Gesetz zu streichen. Im Gesundheitsausschuss fand der Vorstoß allerdings nicht die nötige Mehrheit.