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Seit Jahren erlebt Deutschland regelmäßig Hitzewellen im Sommer. Vielen Menschen macht das zu schaffen. Auch für Tabletten, Salben oder medizinische Sprays werden hohe Temperaturen schnell zu einem Problem. Durch Hitze und direkte Sonnenstrahlung können sie ihre Wirkung verlieren oder verändern. Damit sind auch zusätzliche Nebenwirkungen möglich.

Damit es nicht so weit kommt, gibt es strenge Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel vertrieben und gelagert werden müssen. Dazu gehört eine verpflichtende Kontrolle der Temperaturen im Umfeld der Medikamente. Seit 2020 müssen sich neben deutschen Apotheken auch Versender aus dem EU-Ausland explizit an diese Vorschriften halten, wenn sie Medikamente nach Deutschland verschicken. Das hatte die damalige schwarz-rote Bundesregierung mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz geregelt.

Die Lieferfahrzeuge heizen sich auf

Gerade der Versand von Arzneimitteln ist an heißen Sommer-, aber auch an kalten Wintertagen eine Herausforderung. Für die meisten Medikamente gelten Temperaturen zwischen 15 und 25 Grad als ideal. Besonders empfindlich sind kühlpflichtige Präparate wie Insuline. Häufig werden Arzneimittel über normale Logistikdienstleister wie DHL verschickt. An warmen Tagen heizen sich die Lieferfahrzeuge schnell auf – ein Risiko für den Transport der sensiblen Produkte.

Vor allem niederländische Versandapotheken verschicken Medikamente nach Deutschland. Dazu zählt auch DocMorris mit Sitz in Heerlen. Auf Temperaturschwankungen sieht man sich dort gut vorbereitet, wie ein Sprecher auf Nachfrage erklärt. So würden etwa vor dem Versand temperaturempfindlicher Medikamente wie Zäpfchen die Wetterbedingungen auf der Route geprüft und gegebenenfalls Kühlelemente mit in das Paket gelegt. Auch die Shop Apotheke halte die Temperaturvorschriften ein, versichert eine Sprecherin des Unternehmens aus dem niederländischen Sevenum.

Cool bleiben in Freizeit, Arbeit und mit chronischen Erkrankungen.

Mit der Hitze klarkommen

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Unabhängig überprüft werden diese Zusagen der EU-Versender in Deutschland allerdings nicht. Denn: Anders als bei inländischen Apotheken sieht das Gesetz keine verpflichtende Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden vor. Nach Meinung der Ampel-Regierung ist die Überwachung der Vertriebsketten grundsätzlich Aufgabe der einzelnen Bundesländer. Das geht aus der Antwort der Koalition auf eine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag hervor.

Niemand fühlt sich zuständig für die Kontrollen

Die Apotheken Umschau hat bei den Überwachungsbehörden der Länder nachgefragt, wie sie die Einhaltung der Vorschriften kontrollieren. Das Ergebnis: Für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Versandhandels fühlt sich niemand zuständig.

So schreibt etwa die Hamburger Justizbehörde, Versandapotheken aus der Hansestadt würden regelmäßig vor Ort und anhand von Stichproben überprüft. Versender aus dem EU-Ausland hingegen unterlägen der Kontrolle des jeweiligen Mitgliedstaats. Und ein Sprecher des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit erklärt: „Hiesige Aufsichtsbehörden haben keine Zugriffsmöglichkeit auf EU-Versender, um die Versorgungsqualität der Arzneimittel von dort aus sicherzustellen, wenngleich sie zuständig für den sicheren Verkehr mit Arzneimitteln innerhalb Deutschlands sind.“

Eine Kontrolle des Versandhandels aus EU-Mitgliedstaaten gibt es hierzulande also nicht. Zugleich können in den Niederlanden unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen für sogenannten „Grensapotheken“ greifen, wie die dortige Aufsichtsbehörde für Gesundheit erklärt. Gemeint sind damit Apotheken, die zwar in den Niederlanden sitzen, aber vor allem Patentinnen und Patienten in anderen EU-Ländern wie Deutschland versorgen. Das trifft auch auf einige Versandapotheken zu. Sie können in bestimmen Fällen einer gelockerten Aufsicht durch niederländische Behörden unterliegen.

Bundesapothekerkammer kritisiert Regelungslücke

Die Bundesapothekerkammer beklagt schon lange eine Regelungslücke bei der Kontrolle ausländischer Versender. Auch der CSU-Politiker Stephan Pilsinger wirft der Ampel-Regierung vor, das Problem schlichtweg zu ignorieren. Wenn Versandapotheken kühlbedürftige Arzneimittel in normalen Postpäckchen verschickten, könne es gefährlich werden für Patientinnen und Patienten, sagte er gegenüber der Apotheken Umschau. „Im besten Fall wirkt das Medikament gar nicht, im schlimmsten Fall ist es sogar schädlich. Da müssen wir dringend gegensteuern.“

Pilsinger schlägt vor, in Zukunft die Krankenkassen in die Pflicht zu nehmen. Schließlich müssten sie die Medikamente auch bezahlen. Über stichprobenartige Kontrollen sollten sie Pakete von Versandapotheken überwachen – und ihr Geld zurückverlangen, wenn die Temperaturvorschriften nicht eingehalten werden.