Das steckt hinter dem Streik der Ärzte
Wann und wo bleiben Praxen geschlossen?
Seit Monaten protestieren Medizinerinnen und Mediziner gegen die Gesundheitspolitik der Ampelregierung. Im Rahmen der Kampagne „Praxis in Not“ hat ein Bündnis aus inzwischen 18 Verbänden Praxen bundesweit dazu aufgerufen, am 2. Oktober nicht zu öffnen. Begleitet werden soll das durch regionale Protestaktionen. Wie viele Ärztinnen und Ärzte sich an dem Protest beteiligen, bleibt abzuwarten und dürfte regional sehr unterschiedlich sein. Der Virchowbund geht nach ersten Schätzungen davon aus, dass mehrere zehntausend Praxen geschlossen bleiben werden.
Gegen wen richtet sich der Protest der Ärztinnen und Ärzte?
Der Protest richtet sich gegen Krankenkassen und Politik. Denn aus Sicht der Ärztinnen und Ärzte sind Haus- und Facharztpraxen seit Jahren unterfinanziert. Kritisch sehen sie vor allem die sogenannte Budgetierung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Gemeint ist damit die Vorgabe eines bestimmten Etats, der den Kassen pro Jahr für die Vergütung ärztlicher Leistungen zur Verfügung steht. Ist dieses Budget ausgeschöpft, bekommt die Praxis weniger Geld für die Behandlung weiterer Patientinnen und Patienten. Zudem ist für jede Leistung ein gedeckelter Preis festgesetzt. „Die Praxen werden weiter ausgehungert durch Inflation, Energiepreissteigerungen und seit Jahren unzureichende Finanzierungsabschlüsse mit den Krankenkassen“, erklärt der Virchowbund, der die Kampagne ins Leben gerufen hat.
Auch der Personalmangel macht den Praxen zu schaffen. Neben Ärztinnen und Ärzten fehlen vielerorts auch Medizinische Fachangestellte. Von der Politik alleingelassen fühlen sich viele Mediziner darüber hinaus mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Bislang kommt etwa die Einführung von E-Rezept und elektronischer Patientenakte in den Praxen nur recht schleppend voran.
Was wollen die Ärzteverbände erreichen?
Die Verbände fordern ein Ende oder zumindest eine Reform der Budgetierung und mehr Geld für die ambulante Versorgung. Die gedeckelten Preise für einzelne Behandlungen hätten sich in den letzten 30 Jahren so entwickelt, dass nicht einmal die Inflation ausgeglichen werde, kritisiert das Bündnis hinter „Praxis in Not“. Auch die Honorare für die Behandlung Privatversicherter müssen demnach dringend neu verhandelt werden. Weniger Bürokratie soll die Arbeitsbelastung reduzieren. Darüber hinaus drängen Ärzteverbände im Kampf gegen ihre Nachwuchssorgen auf zusätzliche Medizin-Studienplätze.
Meine Praxis ist geschlossen, aber ich kann nicht warten - an wen kann ich mich wenden?
Patientinnen und Patienten können sich in dringenden Fällen jederzeit an den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Nummer 116117 wenden. Laut Virchowbund ist am Protesttag ein flächendeckender Not- und Bereitschaftsdients über die Kassenärztlichen Vereinigungen organisiert. In aktuen Notfällen sollten Betroffene die 112 wählen.
Wie reagiert die Politik auf die Kritik aus der Ärzteschaft?
Im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) kann man die Kritik in vielen Punkten nicht nachvollziehen. So sind die Ausgaben der Krankenkassen für die ambulante ärztliche Versorgung nach BMG-Angaben zwischen 2013 und 2022 um mehr als 44 Prozent gestiegen und damit stärker als etwa im Klinikbereich (rund 36 Prozent). Zudem verweist das Ministerium auf die Entbudgetierung der Kinder- und Jugendmedizin. Für diesen Bereich wird seit April 2023 kein Krankenkassen-Etat mehr festgelegt, Kinderärztinnen und -ärzte bekommen also nahezu alle Untersuchungen in voller Höhe bezahlt. Auch für Hausarztpraxen soll die Budgetierung fallen, das hatten die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag so festgelegt. Die Umsetzung dieses Schritts werde derzeit vorbereitet, hieß es zuletzt aus dem Bundesministerium für Gesundheit.