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Kimaretter hinterlassen knallgrüne Fußabdrücke – zumindest im Berliner Stadtteil Mitte ist das so. Die Spuren schlängeln sich quer durch die Apotheke von Anike Oleski am Oranienburger Tor, biegen einmal scharf nach links und enden abrupt vor einem Arbeitsplatz mit PC. „Papier sparen – beidseitig drucken“, steht dort in Großbuchstaben auf einem Aufkleber. Überall in der Apotheke finden sich solche Botschaften. Es sind Überreste einer Aktion, mit der Oleskis Apotheken an ihren insgesamt vier Standorten den Klimaretter-Award 2022 gewonnen haben.

Die Stiftung Viamedica zeichnet mit diesem Preis besonders klimafreundliche Einrichtungen im Gesundheitswesen aus. Ein Jahr lang dokumentierten die rund 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Apotheken ihr Handeln über eine App: Sie verzichteten auf ein Auto, aßen weniger Fleisch, sparten Wasser und zogen konsequent die Stecker aus der Steckdose, wenn Geräte nicht im Einsatz waren. „Ganze zwölf Tonnen CO 2 konnten wir auf diese Weise sparen“, sagt Anike Oleski.

Klimaschutz in Apotheken nimmt zu

Wie in Berlin gewinnt das Thema Klimaschutz bundesweit in Apotheken an Bedeutung. Drei von vier Inhaberinnen wollen ihre Betriebe in den nächsten Jahren nachhaltiger ausrichten, geht aus einer aktuellen Umfrage der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hervor.

Esther Luhmann begrüßt diese Entwicklung. Die Apothekerin ist aktiv bei den Pharmacists for Future und hat vor Kurzem ein Buch über Nachhaltigkeit in Apotheken veröffentlicht. „Klimaschutz ist immer eng mit Gesundheit verknüpft“, sagt sie. Luhmann sieht Apothekerinnen und Apotheker daher auch in einer besonderen Verantwortung, sich für dieses Thema zu engagieren. Hinzu kommt: In Deutschland ist der Gesundheitssektor für mehr als fünf Prozent der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. „Jede Apotheke kann einen Beitrag dazu leisten, diesen Anteil zu reduzieren.“

Das Einsparpotenzial ist groß

Albrecht Binder tut das bereits seit vielen Jahren in seiner Apotheke im westfälischen Steinheim. Und das erkennt man schon aus der Ferne: Zwei große Fotovoltaikanlagen stehen auf dem Dach der Apotheke. „Wir decken unseren Strombedarf zu 100 Prozent über Solarenergie“, sagt Binder. Die Apotheke arbeitet nach dem Prinzip der sogenannten Gemeinwohlökonomie. Im Mittelpunkt stehen damit auch soziale und ökologische Werte.

Zuletzt konnte Binder den CO2-Ausstoß pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter von rund drei auf 1,9 Tonnen pro Jahr reduzieren. „Im nächsten Jahr wollen wir auf einen Wert von weniger als eine Tonne kommen.“ Dafür hat die Apotheke in den zurückliegenden Monaten viel getan, auch im Bereich Mobilität. Die ist eine Herausforderung im ländlich geprägten Steinheim. Sechs Angestellte besitzen mittlerweile ein E-Auto, finanziell unterstützt durch die Apotheke. Auch der Botendienst erfolgt zu einem großen Teil mit Elektroantrieb. Im Hof der Apotheke lässt Binder dafür gerade eine eigene Stromtankstelle bauen.

Fahrrad statt Auto

In der Berliner Apotheke von Anike Oleski läuft hingegen nichts ohne das Fahrrad. Kaum einer kommt hier mit dem Auto zur Arbeit, die Ständer vor der Tür sind alle bis auf den letzten Platz belegt. Auch die Patientinnen und Patienten würden häufig mit dem Rad beliefert, sagt Oleski. Seit 2018 engagiert sich die Apotheke für Klimaschutz. In einer eigenen Umweltgruppe suchen Angestellte aus allen vier Standorten regelmäßig nach Wegen, um den CO2-Ausstoß weiter zu reduzieren. Was sich nicht einsparen lässt, wird seit 2021 über Investitionen in ein Windkraft-Projekt kompensiert. Damit arbeitet die Apotheke inzwischen offiziell klimaneutral.

Wenig Spielraum bleibt Apotheken, wenn es um das Sortiment geht. Das weiß auch Klimaexpertin Luhmann von den Pharmacists for Future. „Arzneimittel haben einen großen ökologischen Fußabdruck.“ Dennoch seien Apothekerinnen und Apotheker in einer Schlüsselposition. Als Arzneimittelprofis können sie Arztpraxen etwa auf Alternativen zu den besonders klimaschädlichen Dosieraerosolen für Asthmakranke hinweisen. „So kann das pharmazeutische Personal auch Medizinerinnen und Mediziner sensibilisieren“, sagt Luhmann.

Sortiment und Zulieferung klug steuern

Albrecht Binder versucht in Steinheim, sein Nebensortiment aus Kosmetik und Nahrungsergänzungsmitteln möglichst nachhaltig aufzustellen. Produkte mit Mikroplastik gehören nicht zum Angebot. Auch in der Zulieferung achtet Binder auf die Umwelt. „Wir haben nur einen Großhändler – und der kommt zweimal am Tag“, sagt er. Die meisten Apotheken werden deutlich häufiger angefahren. „Über eine kluge Organisation schaffen wir es trotzdem, in der Regel sofort lieferfähig zu sein.“

Buchautorin Luhmann wünscht sich, dass Apotheken das Thema Nachhaltigkeit noch stärker nach außen tragen. „Es geht darum, den Klimaschutz auch im Beratungsgespräch automatisch mitzudenken“, sagt sie. Drei von zehn Apotheken tun das laut ABDA bereits heute regelmäßig. Auch Anike Oleski und ihr Team informieren Patientinnen und Patienten immer wieder, zum Beispiel über die korrekte Entsorgung von Medikamenten. Und sie nutzen die Social-Media-Kanäle der Apotheke. „Wir hatten dort schon einmal eine Reihe zum Thema Klimaschutz und Gesundheit. Die ist auf viel Zuspruch gestoßen“, sagt Anike Oleski.

In Zukunft dürften diesem Beispiel mehr Apotheken folgen. Im September hat sich die Apothekerschaft dafür ausgesprochen, generell klimafreundlicher zu arbeiten. Albrecht Binder bohrt derweil bei Zulieferern nach und fragt nach einer Ökobilanz der Unternehmen. Apotheken seien zwar klein, ihr Einfluss aber nicht zu unterschätzen, sagt er. „Ich denke, dass wir vielleicht sogar Vorreiter in der Branche sein können.“

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