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Zu Hause bleiben oder lieber ins Heim ziehen, wo es professionelle Hilfe gibt? Diese Frage beschäftigt so manchen, sobald sich die ersten körperlichen Einschränkungen bemerkbar machen. Zukünftig wird die Suche nach dem passenden Wohnraum im Alter oft aber noch weitaus schwieriger werden. Das legt eine aktuelle Arbeit des Pestel Instituts Hannover mit dem Titel „Wohnen im Alter“ nahe[1]. Stichwort: Wohnungsnot.

Wohnungsnot in Deutschland

Bereits zum Ende des letzten Jahres fehlten in Deutschland in sogenannten Defizitregionen insgesamt rund 700.000 Wohnungen. Und das, obwohl sich der Wohnungsbau im ganzen Land von 2010 bis 2020 sogar verdoppelt hat[2]. In anderen Regionen hingegen gibt es – zumindest rechnerisch – 400.000 Wohnungen zu viel. Viele der vermeintlich freien Wohnungen stünden aber aus unterschiedlichsten Gründen gar nicht zur Verfügung, so das Pestel Institut.

Hinzu kommt: Gerade ältere ­Menschen­ haben besondere Anforderungen – zum Beispiel Barrierefreiheit – an ihr Wohnumfeld. Mit den geburtenstarken Jahrgängen der jetzt alternden Generation ­„Babyboomer“­ wird auch die Nachfrage speziell nach altersgerechtem Wohnraum stark zunehmen. Der ­Pestel-Arbeit zufolge könnte der ­Anteil der Bevölkerung im Ruhestand bis 2050 mancherorts sogar bis über 40 Prozent betragen.

Alt und allein zu Haus

Auch heute schon ist die Wohnsituation für viele kritisch: Auf der einen Seite stehen Seniorinnen und Senioren, die bis ins hohe Alter alleine in einem Einfamilienhaus wohnen. Auf der anderen Seite müssen junge Familien auf zu engem Raum leben. Das Dilemma zeigt, dass es nicht nur an neuem Wohnraum mangelt. Bestehende Ressourcen würden oft nicht sinnvoll genutzt, bewertet die Studie „Wohnen im Alter“.

Könnte ein Wohnungstausch-Modell zwischen Jung und Alt helfen, wie es sich etwa die wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Caren Lay, wünscht[3]? Wohl eher nicht. Alteingesessene würden so ihre für sie wichtige Nachbarschaft verlieren. Davon abgesehen gäbe es nur wenige altersgerecht gebaute Wohnungen für sie: Von 39 Millionen für den Mikrozensus 2022 erfassten bewohnten Wohnungen waren nur knapp 17 Prozent stufen- und schwellenlos zu erreichen.

Sie wollen auch im Alter in den vertrauten vier Wänden bleiben?

Kümmern Sie sich frühzeitig: Je früher Sie sich darüber Gedanken machen, wie Sie im Alter wohnen möchten, desto besser. Ist die Größe der Wohnung oder des Hauses angemessen? Komme ich dort später auch ohne Partnerin oder Partner zurecht? Befindet sich die Wohnung in einem Quartier, in dem Supermarkt und Arztpraxis auch ohne Auto erreichbar sind? Sind die Räume barrierefrei oder stehen größere Umbauten an? „Stellen Sie sich diese Fragen, solange Sie nicht eingeschränkt sind und sich noch gut selbst kümmern können“, rät Yvonne Jahn von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung.

Lassen Sie sich beraten: Wer größere oder kleinere Umbauten plant, kann sich fachlich beraten lassen. „Der Blick von außen auf das eigene, vertraute Wohnumfeld kann sehr hilfreich sein“, sagt Jahn. So können beispielsweise versteckte Stolperfallen identifiziert werden. Auch bei finanziellen Fördermöglichkeiten haben Anlaufstellen den Überblick.

Informieren Sie sich über die Kosten: Vom Haltegriff bis zum Treppenlift für mehrere Tausend Euro: Ein altersgerechter Umbau kann teuer werden. Doch es gibt Unterstützung. So bietet die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Kredite bis zu 50000 Euro und die Pflegekassen gewähren bei Pflegebedürftigen bis zu 4000 Euro für Umbauten. „Aber es muss nicht immer der große Umbau sein“, sagt Jahn. „Schon sogenannte Hilfsmittel können den Alltag erleichtern.“ Hilfsmittel wie ein Badewannenlift werden vom Arzt oder von der Ärztin verschrieben, gesetzliche Krankenkassen erstatten sie.

Beseitigen Sie Barrieren: Jahn rät, das Sturzrisiko früh zu minimieren – „damit man möglichst lange mobil bleibt“. Sie verweist auf Teppiche oder rutschige Treppen, die zu Stolperfallen werden können. „Sorgen Sie auch für eine gute Beleuchtung.“ Mehr Sitzmöglichkeiten, etwa zum Schuheanziehen, helfen, Stürze zu vermeiden. Wer alleine wohnt, braucht zudem einen Hausnotruf – nicht immer ist das Telefon in der Nähe, wenn mal was passiert.

Regierung plant Bau von mehr Sozialwohnungen

Barrierefreiheit, zum Beispiel in Form einer ebenerdigen Dusche, gilt als Komfortmerkmal. Und die Frage, wer in barrierefreiem Wohnraum lebt, ist längst keine Frage des Alters oder körperlicher Einschränkung mehr, sondern eine Frage des Geldes. Die Ampelregierung verspricht im Koalitionsvertrag, „das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klima­neutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ (…) gestalten“ zu wollen. Ein konkretes Ziel: 400.000 neue Wohnungen im Jahr, davon 100. 000 Sozialwohnungen[4].

Hierfür hat die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz (SPD), im letzten Herbst das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ gegründet[5]. Wie viele der Wohnungen altersgerecht sein sollen, davon steht im Koalitionsvertrag nichts. Die Zahlen neu gebauter Wohnungen sind derzeit rückläufig. Eine Anfrage des Senioren Ratgebers, ob die vereinbarten Ziele in dieser Legislaturperiode noch erreicht werden können, kann Geywitz’ Ministerium nicht bejahen.

Wo Sie beraten werden

Um Ihre persönlichen Wünsche für das Wohnen im Alter herauszufinden und umzusetzen, können Sie sich kostenlos an Ihre nächstgelegene Wohnberatungsstelle wenden. Eine Adressliste finden Sie unter wohnungsanpassung-bag.de. Die Mitarbeitenden beraten auch zu Zuschüssen bei den Kosten.

Die Initiative „Wohnen für Hilfe“, eine Art Wohnpartnerschaft zwischen Jung und Alt, gibt es in mehreren deutschen Städten. Finden Sie Ihr zuständiges Studierendenwerk unter studierendenwerke.de

Mitarbeitende von Pflegestützpunkten kennen oft Adressen für Pflegebauernhöfe. Beratungsstellen finden Sie unter zqp.de/pflegeberatung

Informationen für an gemeinschaftlichen Wohnprojekten interessierte Personen und Gruppen bietet die Website wohnprojekte-portal.de

Über inklusive Wohnprojekte können Sie sich unter wohnsinn.org informieren.

Der Verein „Barrierefrei Leben“ bietet unter online-wohnberatung.de kostenlose Beratungen per E-Mail für alle,die in den eigenen vier Wänden bleiben wollen. Ob Badewannenlift oder Toilettensitzerhöhung: Welche Hilfsmittel die gesetzlichen Kassen erstatten, listet die Website hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de auf.

„Bedingt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, den Fachkräftemangel am Bau sowie die jüngsten Preis­anstiege und Anstiege von Zinssätzen für Hausfinanzierungen ist Bauen derzeit sehr teuer“, erklärt ein Sprecher dazu. Momentan verbessere das Bauministerium die Rahmenbedingungen, damit zukünftig mehr und schneller gebaut werden könne. Immerhin: Für ein Zuschussprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit dem Namen „Altersgerecht Umbauen“ wurde für das Jahr 2023 ein Budget in Höhe von insgesamt 75 Millionen Euro zur Verfügung gestellt[6]. Auch Privatpersonen können hier zinsgünstige Darlehen beantragen, wenn sie Barrieren in ihrem Zuhause abbauen wollen.

Appell an die Politik

Ganz andere Alternativen hat die Stadtanthropologin und Humangeografin Dr. Carolin Genz im Blick, wenn sie sich das Wohnen der Zukunft vorstellt. Sie arbeitet und forscht beim Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. in Berlin. Die Expertin ist überzeugt, dass man die Prognosen der Pestel-Untersuchung zur Wohnungsnot im Alter ernst nehmen sollte.

Diese zeigen, wie akut der Handlungsbedarf ist. „In erster Linie ist das Aufgabe politischer Entscheidungsträgerinnen und -träger“, sagt sie. Dazu gehöre auch, aber längst nicht nur, der Um- und Neubau von Wohnraum. Auch seine Verteilung müsse für alle Generationen gerechter werden. Ressourcen sollten „gezielter denjenigen zugewiesen werden, die sie am dringendsten brauchen“, findet Genz.

Wohnen anders denken

Bei der Frage, welcher Wohnraum für ältere Menschen geeignet ist, spielen aber laut Genz nicht nur körperliche Aspekte wie Barrierefreiheit eine Rolle. Auch das soziale Umfeld, Integration und Gemeinschaft seien für ein gutes Leben im Alter wichtig. Zu Genz’ Idee von einem integrativen Wohnumfeld gehören zum Beispiel Gemeinschaftsbereiche und Freizeitmöglichkeiten, aber auch die Gesundheitsversorgung. Smarthome-­Technologien oder auch Telemedizin könn­ten helfen, länger selbstständig zu wohnen.

Wer heute noch rüstig ist und selbstständig lebt, aber für die Zukunft vorsorgen möchte, kann selbst aktiv werden. Etwa indem er oder sie sich in gemeinschaftlichen Wohnmodellen wie Mehrgenerationenhäusern engagiert. „So kann man nicht nur das eigene Wohnumfeld gestalten“, sagt die Expertin, „sondern auch als Vorbild für zukünftige Generationen dienen.“

Maria Prepsel lebt auf einem Pflegebauernhof: „Neben mir muhen die Kühe im Stall“

Natur pur: Maria Prepsel mag die schönen Blumen und genießt die Zeit in der kleinen Wohngemeinschaft auf dem Pflegebauernhof in Oberbayern.

Natur pur: Maria Prepsel mag die schönen Blumen und genießt die Zeit in der kleinen Wohngemeinschaft auf dem Pflegebauernhof in Oberbayern.

„Hund, Kühe, Ziegen – hier ist immer was los. Mit vier anderen wohne ich in einer Pflege-WG auf dem Bauernhof von Familie Strein. Täglich kommt der ambulante Pflegedienst, eine Pflegerin wohnt auf dem Hof. Unter der Woche kümmert sich auch Elisabeth um uns, sie ist Hauswirtschafterin. Sie reicht uns Schorle und bringt mir meine Rätselhefte mit. Ich bekomme öfter Besuch, das ist schön. Die Urenkel lieben es, mit Hofhund Chester herumzutollen. Ein Altenheim wär nichts für mich!“

Info: So wie Maria und Josef Strein in Happerg bei Eurasburg bieten immer mehr bäuerliche Betriebe Wohnraum für Pflegebedürftige. Die Mieteinnahmen sind ein wichtiges Standbein. Die Bewohner und Bewohnerinnen wiederum profitieren vom familiären Umfeld auf dem Land.

Hans-Peter Duric bietet Wohnen für Hilfe: „Ich helfe und bekomme Hilfe“

Hans-Peter Duric, 81, teilt seine große Wohnung in Freiburg mit Studentin Lilli.

Hans-Peter Duric, 81, teilt seine große Wohnung in Freiburg mit Studentin Lilli.

„Im Herbst 2022 ist Lilli bei mir eingezogen. Sie kam als Studentin nach Freiburg und suchte beim Studentenwerk über die Initiative ‚Wohnen für Hilfe‘ eine Bleibe. Nun wohnt Lilli im ehemaligen Zimmer meiner Frau. Nach dem Tod meiner Frau fühlte ich mich allein in unserer 100-Quadratmeter-Wohnung. Diese Stille empfand ich als sehr belastend. Gleichzeitig wollte ich eine gute Tat tun. Ich war selbst mal Student und sehr arm, hatte ein winziges Zimmer mit Kohleofen. Für mich ist es ein schönes Gefühl, wieder jemanden um mich zu haben.“

Info: „Wohnen für Hilfe“ ist eine Initiative für bezahlbaren Wohnraum. Studierende, die sich auf dem Mietmarkt schwertun, ziehen zu Älteren und gehen diesen einige Stunden pro Woche helfend zur Hand, etwa beim Einkauf.

Petra Beckmann-Schulz zieht in ein Mehrgenerationenhaus: „Eine kleinere Wohnung bringt mir viele Vorteile“

Petra Beckmann-Schulz, 66, geht in Rente und verkleinert sich.

Petra Beckmann-Schulz, 66, geht in Rente und verkleinert sich.

„Mein künftiges Zuhause ist ein Mehrgenerationenhaus. In wenigen Tagen werde ich hier einziehen. Eine gute Sache, weil man sich ein bisschen umeinander kümmert. Ich will aber trotzdem nicht allzu sehr von Nachbarschaftsaktivitäten vereinnahmt werden, sondern weiter mein Leben leben. Ich zahle weniger Miete, weil es sich um eine Baugenossenschaft handelt. Der Neubau hat einen höheren energetischen Standard und ist barrierefrei. Ich kann dort bis ins hohe Alter wohnen.“

Info: Bei gemeinschaftlichen Wohnformen leben Menschen selbst organisiert zusammen. Oft teilen sie Räume für Aktivitäten. Baugenossenschaften ermöglichen Mitbestimmung und günstigere Mieten.

Elsbeth Rütten

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Quellen:

  • [1] Pestel Institut gGmbH Hannover: Wohnen im Alter, Prognose zum Wohnungsmarkt und zur Renten-Situation der Baby-Boomer. https://www.bdb-bfh.de/... (Abgerufen am 25.09.2023)
  • [2] Statistisches Bundesamt: Baugenehmigungen für Wohnungen im Januar 2023, -26,0 % gegenüber Vorjahresmonat. https://www.destatis.de/... (Abgerufen am 25.09.2023)
  • [3] Caren Lay/ DIe LINKE: Steigende Wohnkosten sind tickende Zeitbombe. Online: https://www.caren-lay.de/... (Abgerufen am 25.09.2023)
  • [4] Bundesregierung: MEHR FORTSCHRITT WAGEN, KOALITIONSVERTRAG ZWISCHEN SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UND FDP. Online: https://www.bundesregierung.de/... (Abgerufen am 25.09.2023)
  • [5] Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: Auftakt "Bündnis bezahlbarer Wohnraum". https://www.bmwsb.bund.de/... (Abgerufen am 25.09.2023)
  • [6] Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): Altersgerecht Umbauen – Kredit. https://www.kfw.de/... (Abgerufen am 25.09.2023)