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Die Chemikalien-Gruppe der PFAS ist heute Teil unseres Alltags, sie sind in Regenjacken, Bratpfannen oder Pappbechern enthalten. Warum will die EU-Kommission diese Gruppe jetzt verbieten?

Dieser Vorschlag ging zunächst von Behörden fünf europäischer Länder, darunter das Umweltbundesamt (UBA), aus. Wir sehen große Gefahren in dieser Stoffgruppe, die insgesamt mehr als 10.000 Chemikalien umfasst. Einmal in die Umwelt gelangt, bleiben sie dort für mehrere Jahrzehnte, Jahrhunderte oder noch länger – wir wissen es nicht. Sie sind nicht abbaubar und Belastungen der Umwelt können auch nur schwer bis gar nicht bereinigt werden. In der Vergangenheit wich die Industrie beim Verbot des einen Stoffes einfach auf einen anderen aus, der sich im Nachhinein oft als ebenso schädlich herausgestellt hat. Deshalb soll jetzt die gesamte Stoffgruppe weichen.

Was sind PFAS?

Die Gruppe der sogenannten Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen umfasst mehr als 10.000 verschiedene Chemikalien. Ihre Verwendung ist in der Industrie beliebt, denn sie sind besonders stabil. Viele PFAS reichern sich in der Umwelt sowie im menschlichen und tierischen Gewebe an und werden deshalb auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt. Viele der gesundheitlichen und ökologischen Wirkungen der Chemikaliengruppe sind bis heute nicht abschließend erforscht.

Die Stoffe sind bei der Industrie aber beliebt. Warum?

PFAS haben eine große Bandbreite an Eigenschaften: Vor allem sind sie sehr stabil, das heißt sie halten große Hitze, extreme Temperaturunterschiede oder hohe mechanische Belastung aus. Darum kommen sie in vielen verschiedenen Bereichen zum Einsatz. Diese Stabilität stellt dann in der Umwelt aber ein enormes Problem dar.

Welche Effekte hat das – auf Umwelt und Mensch?

Das ist oft noch unklar, weil viele der Stoffe noch nicht auf ihre Giftigkeit hin untersucht worden sind. Für einige gibt’s aber schon Hinweise, dass sie Effekte auf den menschlichen Stoffwechsel haben und Organe wie Leber oder Niere schädigen können. Sie können den Hormonhaushalt stören und auch die Fortpflanzung. Manche stehen im Verdacht, krebserregend zu sein oder das Immunsystem zu beeinflussen, sodass etwa die Immunantwort auf Impfungen reduziert ist. All das kann langfristige Auswirkungen auf Ökosysteme haben, wenn sich einzelne Arten nicht mehr fortpflanzen können oder in ihrer Entwicklung gestört werden.

Wie ist es überhaupt möglich, dass die Industrie Substanzen verwenden kann, über deren Wirkungsweisen zum jeweiligen Zeitpunkt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen?

Laut der REACH-Verordnung von 2007 müssen eigentlich alle Stoffe, die in der EU auf den Markt kommen sollen, eine Reihe an Tests durchlaufen. Weil PFAS aber so langlebig sind, können sie diese Tests teilweise bestehen, ohne auffällig zu werden. Wir vermuten aber, dass Effekte erst über mehrere Generationen hinweg auftreten. Das Frühwarnsystem funktioniert an dieser Stelle nicht.

Wie gelangen PFAS in die Umwelt?

Hauptsächlich über das Abwasser oder die Abluft der Produktionsanlagen, die diese Stoffe verwenden. Die Abfälle werden dann größtenteils verbrannt und Untersuchungen zeigen, dass dabei wiederum PFAS entstehen können, die über die Luft oder das Sickerwasser in die Umwelt gelangen. Aber auch bei der Verwendung kann das geschehen, etwa wenn man Fahrradketten mit PFAS-haltigem Öl einsprüht oder eine Jacke wäscht, die mit diesen Stoffen imprägniert wurde. Das Abwasser geht dann durch die Kläranlage in den Fluss.

Wie belastet ist die Umwelt in Deutschland?

Stark vereinfacht kann man sagen: Im Prinzip finden wir Spuren von PFAS überall dort, wo wir danach suchen. Noch gibt es aber nur wenige bekannte Hotspots in Deutschland, die stark verunreinigt sind.

Ist es möglich, die Umwelt von diesen Stoffen zu reinigen?

Es ist technisch sehr aufwendig, kostet sehr viel Geld und produziert immer noch giftige Abfälle. Gerade wenn der Boden belastet ist, kann man ihn nur bereinigen, indem man ihn sehr stark erhitzt oder lange auswäscht. Danach hat man aber keinen lebendigen Boden mehr.

Die flächendeckende Verunreinigung zeigt sich auch in Studien. 2014 bis 2017 wurden über 1000 Blutproben von Kindern aus Deutschland untersucht. In jeder einzelnen fanden sich PFAS. Wie lange bleiben die Chemikalien im Blut?

Wir sind zum Glück Organismen mit einem regen Stoffwechsel. Die untersuchten Stoffe haben eine Halbwertszeit von Wochen bis hin zu mehreren Jahren. Das ist immer noch sehr lange. Und weil die Stoffe weiter in der Umwelt sind, die Exposition also nicht aufhört, gelangen die PFAS immer wieder in unseren Körper. Wenn man ab heute die gesamte Kontamination in Deutschland beenden würde, hätte man in ein paar Jahren oder Jahrzehnten vermutlich den Zustand erreicht, dass das Blut wieder einigermaßen frei von PFAS ist.

Deshalb soll jetzt das EU-weite Verbot kommen. Wann rechnen Sie damit?

Im besten Fall tritt das Verbot 2025 in Kraft.

Inklusive der Übergangsfristen dauert es also noch eine Weile. Wie können Verbraucher und Verbraucherinnen bis dahin Produkte mit PFAS erkennen?

Leider gibt es für PFAS keine Kennzeichnungspflicht. Am einfachsten ist es noch bei Textilien und Outdoor-Ausrüstung herauszufinden. Siegel wie der Blaue Engel oder das GOTS-Zertifikat schließen die Nutzung von PFAS aus. Einige Hersteller haben sich selbst dazu verpflichtet, hier lohnt ein Besuch der Website. Vorsicht ist geboten bei Hinweisen, Produkte seien frei von PFOS oder PFOA: Das ist eine sinnlose Kennzeichnung, weil sie nur bestimmte Verbindungen ausschließt, die ohnehin schon lange verboten sind. Generell gilt: Bei allen Produkten, die versprechen, sehr hohe Temperaturen auszuhalten, sollte man stutzig werden. Bei Kosmetikprodukten kann man die Liste an Inhaltsstoffen nach allen Bezeichnungen, die „fluor-” in sich tragen, durchsuchen und im Internet nachlesen, was sich dahinter verbirgt. Das Umweltbundesamt hat mit Scan4Chem eine App entwickelt, mit der Verbraucher und Verbraucherinnen Barcodes scannen können. Die App gibt dann an ob besonders besorgniserregende Stoffe enthalten sind. Dazu gehören auch einige PFAS.

Und auf welche Alternativen können Verbraucherinnen und Verbraucher dann zurückgreifen?

Zum Braten muss es nicht die Teflon-Pfanne sein, das funktioniert auch hervorragend mit Pfannen aus Eisen oder Emaille. Zum Imprägnieren kann man auf klassische Wachse oder Imprägnierungen auf Wasserbasis zurückgreifen. Andere Stoffe sind von sich aus schon wasserabweisend, etwa Wolle. In der Industrie wird es schon schwieriger, Alternativen zu finden. Denn da ist oft eine breite Palette von Eigenschaften gefragt. So gibt es bei der Produktion von Autos, Halbleitern oder Medizinprodukten oft noch keine marktreifen Alternativen.

In diesen Bereichen soll es bei einem Verbot längere Übergangsfristen geben – auch bei Arzneimitteln, denn PFAS können etwa in Asthmasprays oder Augentropfen enthalten sein. Wie gefährlich ist das für Patientinnen und Patienten?

Ich gehe davon aus, dass die Zulassung von Arzneimitteln in Deutschland sehr gut reguliert ist. Wirkungen und Nebenwirkungen werden in Studien umfassend erfasst. Hier sehe ich eher das Problem, wenn die Stoffe bei der Herstellung und Entsorgung in die Umwelt gelangen.

Die EU hat sich das Ziel gesteckt, bis 2050 schadstofffrei zu sein. Gelingt das mit dem PFAS-Verbot?

Es gibt noch weitere Regulierungsverfahren. Mit dem PFAS-Verbot würden wir aber einen Präzedenzfall schaffen. Bisher hat kein anderes Verfahren so eine große Bandbreite an Stoffen und so viele Anwendungen gleichzeitig adressiert.

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