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Oft wird schlank mit gesund gleichgesetzt. Doch können auch schlanke Menschen Probleme mit dem Fettstoffwechsel haben?

Ja. Auch schlanke Menschen können ein erhöhtes Risiko haben, Krankheiten zu bekommen, die eigentlich mit Übergewicht in Zusammenhang stehen. Diese Personen sind normalgewichtig, der Bauchumfang liegt oft im Normbereich, oder ist nur leicht erhöht, auch der Body-Mass-Index ist unauffällig. Doch der Fettstoffwechsel kann trotzdem gestört sein. Das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Diabetes ist dann genauso erhöht wie bei klassisch fettleibigen Menschen.

Wie kommt man diesem erhöhten Risiko auf die Schliche?

Viele Schlanke wähnen sich in Sicherheit und gehen vielleicht seltener zum Arzt. Aber ich empfehle allen, regelmäßig die Gesundheitschecks wahrzunehmen, die zum Beispiel im Rahmen des „Check-up 35“ für gesetzlich Versicherte kostenlos sind, und bestimmte medizinische Werte untersuchen zu lassen. Die wichtigsten Parameter, um herauszufinden, ob man seitens des Stoffwechsels ungesund dick ist, sind: erhöhte Blutzuckerwerte, Bluthochdruck, niedrige HDL-Cholesterinwerte und hohe Triglyceride - Blutfette, die ein Risiko für Gefäßverkalkung (Arteriosklerose) anzeigen.

Sind zwei Werte auffällig, ist das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Auch hohe LDL-Cholesterinwerte zeigen solch ein erhöhtes Risiko an, da sie aber weniger gut durch eine Verbesserung des Lebensstils zu beeinflussen sind, werden sie gesondert betrachtet. Übrigens konnten wir in Studien am Tübinger Universitätsklinikum zeigen, dass bis zu 30 Prozent der übergewichtigen Menschen mit einem BMI von 30 bis 38 kg/m2 keine auffälligen Werte haben. Diese bezeichnen wir als dick und gesund. Sie sind weniger gefährdet, eine Insulinresistenz und später einen Typ-2-Diabetes oder Herzinfarkte zu entwickeln. Andere Studien bekräftigen diese Ergebnisse inzwischen.

Das so genannte viszerale Bauchfett, also der berühmte Rettungsring am Bauch, gilt doch auch noch als wichtiger Risikofaktor. Kann das vermehrt sein, auch wenn das Gewicht im Normalbereich liegt?

Ja. Es gibt Menschen, denen man nicht ansieht, dass sie gefährliches Bauchfett mit sich herumtragen. Sie haben einen Taillenumfang, der meist noch im Normalbereich liegt. Oft handelt es sich um Personen, die besonders dünne Beine und Arme haben und wenig Muskeln. Sie haben keinen auffallend dicken Bauch, aber trotzdem krank machendes Fettgewebe tiefer im Inneren des Bauchraums. Dieses Viszeralfett umschließt viele wichtige Organe und ist schlecht für die Gesundheit. Der Body-Mass-Index, der sich seit Jahrzehnten als Parameter für Übergewicht etabliert hat, sagt aber zum Beispiel überhaupt nichts aus über den Anteil des Körperfetts eines Menschen.

Wie findet man als schlanker Mensch heraus, ob man verborgenes Fett hat?

Auffällige Werte beim Arzt lassen einen Rückschluss zu. Sind beispielsweise die Cholesterinwerte und die Nüchternzuckerwerte erhöht, ist das ein Alarmzeichen, dass die Leber verfettet sein könnte. Ich empfehle daher, bei der Hausärztin oder dem Hausarzt eine Ultraschalluntersuchung der Leber machen zu lassen, wenn zwei oder mehr der vier entscheidenden Parameter auffällig sind. Kernspinuntersuchungen, um die inneren Fettpolster aufzuspüren, sind eine zu teure Methode und nicht sinnvoll. Auch ein erhöhtes Taillen-Hüft-Verhältnis (der Taillenumfang wird durch den Hüftumfang geteilt, kritischer Wert bei Männern ≥0,9, Frauen ≥0,85) deutet auf eine vermehrte verborgene Bauchfettmasse hin.

Professor Norbert Stefan ist Diabetologe am Universitätsklinikum Tübingen

Professor Norbert Stefan ist Diabetologe am Universitätsklinikum Tübingen

Welche Rolle spielt das Alter?

Die Fettverteilung ändert sich im Laufe des Lebens. Junge Menschen speichern die Energie aus der Nahrung im Unterhautfettgewebe. Das ist oft ein schützendes Fett, das sich meist unterhalb des Bauches befindet, an Hüfte, Po und Beinen. Für Frauen sind diese Reserven zum Beispiel wichtig in der Phase der Schwangerschaft oder nach der Geburt, wenn sie Energie brauchen zum Stillen. Wenn man älter wird, fällt bei Frauen das Östrogen ab, bei Männern das Testosteron. Diese Hormonveränderung führt dazu, dass die Unterhautfettspeicher verkümmern. Essen die Menschen aber die gleiche Menge an Kalorien, muss die aufgenommene Energie einen anderen Platz finden. Dann sammelt sich das Fett am Bauch und findet eben häufig seinen Weg in Organe, wie Leber oder Bauchspeicheldrüse.

Ist dieser Vorgang gefährlich?

Evolutionstechnisch betrachtet ist er sogar sinnvoll. Junge Menschen brauchen einen Langzeitspeicher in den unteren Körperbereichen, sie bewegen sich viel und benötigen Energie. Im Alter ist dieser Fettspeicher nicht mehr so wichtig. Für ältere Menschen ist schnelle Energie wichtig, sie muss ins Blut gehen. Das Gehirn verlangt nach Zucker. Gefährlich wird es, wenn wir mehr essen, als der Körper an Energie verbraucht. Wenn wir älter sind, brauchen wir nicht mehr die gleichen Portionen, wie junge Menschen. Viele essen aber unvermindert viel.

Schlank, aber auffällige Werte: Was nun?

Die gute Nachricht ist: Fettstoffwechselstörungen lassen sich durch eine Veränderung des Lebensstils wieder in den Griff bekommen. Man kann die Werte positiv beeinflussen, durch mehr Sport und die richtige Ernährung: weniger und gesünder essen, mit viel Gemüse, gesunden Ölen, dafür wenig Zucker und kaum stark verarbeiteten Lebensmitteln. Medikamente können unterstützen, sind häufig aber gar nicht notwendig. Oft gelingt es, die Werte allein durch eine Umstellung der Ernährung in den Normalbereich zu bekommen. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten sinkt, auch wenn die Waage vielleicht noch ein paar Kilos zu viel anzeigt. Letztendlich gilt aber, dass man diese Werte regelmäßig kontrollieren lässt und sie mit seiner Ärztin oder dem Arzt bespricht.

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