Baby und Familie

Hinterlistig sind vor allem die Übel, von denen man selbst erst mal gar nichts merkt. Kein Schmerz, kein Ziehen, kein Drücken. Schwangerschaftsdiabetes – auch Gestationsdiabetes genannt – ist eine von diesen heimtückischen Störungen ohne ersichtliche Beschwerden. Wenn man ihn allerdings nicht rechtzeitig behandelt, kann er schwerwiegende Folgen für Mutter und Kind haben.

Definition von Schwangerschaftsdiabetes

Diabetes in der Schwangerschaft? Was ist das eigentlich genau? "Ganz einfach ausgedrückt versteht man unter Schwangerschaftsdiabetes eine Störung, bei der es zu erhöhten Blutzuckerwerten bei werdenden Müttern kommt", erklärt Prof. Dr. Orsolya Genzel-Boroviczény, ehemals Leiterin der Neonatologie des Campus Innenstadt des Universitätsklinikums München. In den meisten Fällen verschwindet diese Erkrankung unmittelbar nach der Geburt wieder.

Laut dem Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) lag im Jahr 2016 bei 5,38 Prozent der Mütter ein Gestationsdiabetes vor. Besonders gefährdet sind ältere und übergewichtige Schwangere – beide gibt es immer häufiger, weshalb die Häufigkeit der Diagnose weltweit ansteigt.

"Im Endeffekt ist eine Schwangerschaft eine Art Stresstest", erklärt die Expertin. Der Körper der werdenden Mutter – und damit auch ihr Stoffwechsel – sind in dieser Zeit einer überdurchschnittlichen Belastung ausgesetzt. Besonders der rapide Anstieg an Schwangerschaftshormonen setzt den Frauen zu. Die plötzlich freigesetzten Hormone schrauben den Insulinbedarf hoch. Die werdende Mutter benötigt also mehr Insulin als sonst. Wenn nun die schwangere Frau diesen Bedarf nicht ausgleichen kann, steigt der Blutzuckerspiegel – und das auch beim ungeborenen Kind.

Diagnose von Gestationsdiabetes

Schwangere bemerken selbst erst einmal gar nichts von dem Diabetes. Auffälligkeiten bezüglich des Blutzuckers kann der Arzt aber feststellen. Zu den Vorsorgeuntersuchungen gehört deshalb ein entsprechender Screening-Test. Er kann zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche in Anspruch genommen werden.

Die Ärztin nimmt der Schwangeren in nüchternem Zustand Blut ab. Daraus wird der Nüchternblutzuckerwert bestimmt, der kleiner als 92 mg/dl sein soll. Dann gibt sie der Frau 75 Gramm in Wasser gelösten Zucker (Glukose) zu trinken. Nach einer Stunde wird ihr Blut abgenommen und der Blutzuckerwert bestimmt. Jetzt muss der Wert unter 180 mg/dl liegen und bei einer erneuten Abnahme zwei Stunden nach dem Trinken der Zuckerlösung unter 153 mg/dl. Sind alle drei Messungen unauffällig, ist der Test beendet. Mithilfe dieses sogenannten Zuckerbelastungstests, auch oraler Glukose-Toleranztest (oGTT) genannt, kann eine Diabeteserkrankung sicher festgestellt werden.

"Wichtig ist, dass diese strengeren Kriterien nur für den Schwangerschaftsdiabetes gelten", betont der Diabetologe Dr. Frank Best vom Berufsverband der diabetologischen Schwerpunktpraxen in Nordrhein (BdSN).

Risikopatientinnen für Schwangerschaftsdiabetes

Besonders gefährdet sind übergewichtige Frauen. "Schwangerschaftsdiabetes ähnelt in dieser Hinsicht sehr dem Typ-2-Diabetes", erklärt Genzel-Boroviczény. Aus diesem Grund haben auch Frauen ein höheres Risiko, in deren Familien Diabetes Typ 2 vorkommt. Doch auch normalgewichtige Frauen können von der Störung betroffen sein. Wenn bereits Schwangerschaften mit Gestationsdiabetes bestanden oder in der Vergangenheit ein überdurchschnittlich großes Kind (über 4000 Gramm bei Mädchen und über 4170 Gramm bei Jungen) zur Welt gebracht wurde, ist das Risiko für einen erneuten Diabetes ebenfalls höher. Auch bei Schwangeren über 35 Jahren wird von einer Diabetes-Risikogruppe gesprochen.

Risikopatientinnen und Schwangere, welche schon unter einem vorangegangenen Schwangerschaftsdiabetes litten oder aufgrund der Familiengeschichte ein erhöhtes Diabetesrisiko haben, sollten sich bereits ab der 13. Schwangerschaftswoche einem Test unterziehen.

Behandlung des Gestationsdiabetes

Ärzte können Schwangerschaftsdiabetes sehr gut therapieren. Nur in etwa 30 Prozent aller Fälle braucht die Frau eine Insulintherapie. Meistens behebt bereits eine Ernährungsumstellung oder eine entsprechende Diät den Diabetes. "Diät heißt in diesem Fall aber nicht zwingend, dass die Schwangere weniger essen soll", so Genzel-Boroviczény. "Sie soll das Richtige essen." Vollkornprodukte, fettarme Nahrungsmittel, viel Obst und Gemüse. Auch auf Kohlenhydrate verzichten? "Zumindest auf die einfachen, wie sie in Zucker und Weißbrot enthalten sind", sagt die Ärztin.

Wichtig bei dieser Ernährungsumstellung sei, so Genzel-Boroviczény weiter, dass sich die Schwangere auf jeden Fall von Experten beraten lässt. Denn wie die optimale Ernährung bei Gestationsdiabetes aussieht, hängt von mehreren Faktoren ab – zum Beispiel vom Glykämischen Index der Lebensmittel. Er gibt die blutzuckersteigernde Wirkung der Kohlenhydrate in dem entsprechenden Nahrungsmittel an. Denn es gibt Lebensmittel, die als sehr gesund gelten, die aber einen hohen Glykämischen Index haben – zum Beispiel gekochte Karotten oder Orangensaft.

Folgen eines Schwangerschaftsdiabetes

Aufgrund eines Schwangerschaftsdiabetes kann es bereits während der Schwangerschaft sowie bei und nach der Geburt zu Komplikationen kommen. Zum Beispiel kommen Harnwegsinfekte und Gestosen bei Gestationsdiabetikerinnen häufiger vor. Diese können eine Frühgeburt auslösen. "Zudem erhöht ein unbehandelter Schwangerschaftsdiabetes für Mutter und Kind die Gefahr, im späteren Leben an einem dauerhaften Diabetes zu erkranken", sagt Diabetologin Genzel-Boroviczény.

Worin liegt die Gefahr für das Kind? Wenn der Blutzuckerspiegel der Mutter hoch ist, dann ist der Blutzuckerspiegel des Kindes auch hoch. Das Baby im Mutterleib produziert dadurch verstärkt Insulin, wächst dadurch auch überproportional schnell. "Das ist kein gutes, kein gesundes Wachstum", so die Ärztin. Es kann zu Fehlbildungen wie einer schwachen Lunge oder Herzfehlern kommen. Geburtskomplikationen oder Kaiserschnitte sind bei Babys mit einem Gewicht von über 4500 Gramm oft die Folge.

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