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Distale Radiusfraktur - kurz erklärt

Bei der distalen Radiusfraktur handelt es sich um einen handgelenksnahen Bruch der Speiche (Radius). Ursächlich ist meist ein Sturz auf den ausgestreckten Arm, seltener eine direkte Gewalteinwirkung. Der Bruch führt zu Schmerzen in der betroffenen Region, manchmal ist eine Fehlstellung sichtbar. Durch die körperliche Untersuchung und Röntgenaufnahmen kann der Arzt den Bruch feststellen. Je nach Bruchform (mit oder ohne Gelenkbeteiligung), Bruchverlauf, Knochensubstanz und Alter des Patienten wird der Bruch entweder mit einem Gips versorgt oder operativ in die richtige Stellung gebracht und meist mit einer Metallplatte fixiert. Die Prognose der distalen Radiusfraktur ist günstig, Folgeschäden im Sinne einer schmerzhaften Funktionseinschränkung oder die Entwicklung einer Arthrose können aber auftreten.

Was ist eine distale Radiusfraktur?

Bei der distalen Radiusfraktur handelt es sich um einen Bruch  (Fraktur) der Speiche (Radius) nahe des Handgelenkes. Distal bedeutet an den Extremitäten die vom Körperstamm entfernte Region. Der Radius verfügt in Richtung Hand über zwei Gelenkflächen: auf der großen Gelenkfläche ruht die Handwurzel. Dieses umgangssprachliche "Handgelenk" ist im Wesentlichen für die Beugung und Streckung der Hand verantwortlich. Wichtig für die Funktion ist auch das kleine Gelenk zur distalen Elle (Ulna), um welche sich der Radius bei der Umwendbewegung des Unterarmes dreht.

Bei der Altersverteilung finden sich zwei Altersgipfel, der erste mit  Beginn der Schulzeit um das sechste Lebensjahr, der zweite um das 70.  Lebensjahr. Tritt ein Bruch ab dem 50. Lebensjahr auf, könnte dies auf  eine beginnende Osteoporose (Knochenschwund) hindeuten. Frauen sind im zweiten Altersgipfel häufiger betroffen als Männer.

Mit bis zu 25 Prozent aller Brüche stellt die distale Radiusfraktur die häufigste Bruchform beim Erwachsenen dar.

Gibt es Unterschiede zwischen der kindlichen und der erwachsenen distalen Radiusfraktur?

  • Kindliche distale Radiusfraktur

Im Kindesalter handelt es sich häufig um unkomplizierte Brüche (Stauchungsfraktur oder Aitken I Fraktur), bei denen die Bruchenden nicht deutlich verschoben oder versetzt sind. Diese Brüche können meist durch eine Gipsruhigstellung oder operativ mit Drähten versorgt werden.

  • Erwachsene distale Radiusfraktur

Im Erwachsenenalter kommt es deutlich häufiger zu Knochenbrüchen, bei denen die Bruchenden disloziert, also gegeneinander verschoben sind. Auch Brüche mit Beteiligung der Gelenkfläche des Handgelenkes sind häufiger.

Dieser Artikel bezieht sich auf die distale Radiusfraktur im Erwachsenenalter.

Formen der distalen Radiusfraktur: Wie werden die distalen Radiusfrakturen eingeteilt?

Die Brüche der distalen Radiusfraktur teilen Ärzte nach ihrer Lokalisation in extraartikulär (außerhalb der Gelenkflächen) und intraartikulär (mit Beteiligung der Gelenkflächen) ein. Deutlich häufiger ist ein "einfacher" Bruch ohne Gelenkbeteiligung.

Bei der distalen Radiusfraktur gibt es die sogenannte Flexionsfraktur ("Smith-Fraktur") und die Extensionsfraktur ("Colles-Fraktur"). Hierbei spielt der Sturzmechanismus auf eine gestreckte oder gebeugte Hand eine Rolle. Die Streckung des Handgelenkes bedeutet dabei das Abwinkeln der Hand in Richtung Handrücken (Dorsalflexion = Extension). Eine Beugung (Flexion) des Handgelenkes bedeutet das Abwinkeln der Hand in Richtung Handinnenfläche.

Einteilung der Brüche nach Extensions- und Flexionsfraktur:

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  • Extensionsfraktur = "Colles-Fraktur"

Entsteht durch einen Sturz auf die Handfläche. Extension bedeutet die   Streckung eines Gelenkes (siehe oben). Bei der Streckung des  Handgelenkes ist die  Hand zum Handrücken hin gebeugt. Daher spricht man  auch  von einer  Extensionsfraktur.

Das zum Handgelenk hin gelegene Knochenstück ist Richtung Handrücken verschoben.

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  • Flexionsfraktur = "Smith-Fraktur"

Durch einen Sturz auf die gebeugte Hand kommt es zu einer   Flexionsfraktur. Flexion bedeutet die Beugung eines Gelenkes, im Falle   des Handgelenkes ist dies die Beugung der Hand in Richtung   Handinnenfläche.

Durch einen Sturz auf die gebeugte Hand verrutscht das     zum Handgelenk hin gelegene Knochenstück in Richtung     Handinnenfläche.

Einteilung der Brüche nach AO-Klassifikation:

Heutzutage (und um auch den anderen Bruchformen gerecht zu werden), erfolgt eine   Einteilung der distalen Radiusfrakturen nach der Arbeitsgemeinschaft für   Osteosynthese (AO) in drei Gruppen:

Typ A: Bruch außerhalb der Gelenkflächen (extraartikulär)

Typ B: Bruch mit teilweise bestehender Gelenkbeteiligung (partiell intraartikulär)

Typ C: Bruch mit kompletter Gelenkbeteiligung (intraartikulär)

Diese drei Einteilungen A, B und C werden noch in drei weitere   Untergruppen untergliedert (1, 2 und 3), welche die Beteiligung der Elle   (Ulna) sowie den Grad der Zerstörung mit einfließen lassen. Bedeutsam für die Therapieentscheidung und die Funktion ist die zusätzliche Beteiligung des Radio-Ulnar-Gelenkes (das Gelenk, zwischen Elle und Speiche im distalen Bereich), da verbleibende Fehlstellungen in diesem Gelenkanteil die Funktion der Umwendbewegung wesentlich beeinflussen können.

Ursachen: Wie kommte es zu einer distalen Radiusfraktur?

Ursache für eine distale Radiusfraktur ist fast immer ein Sturz, bei welchem versucht wird, sich mit der Hand abzustützen. Da man meistens versucht mit ausgestrecktem Arm und Handinnenfläche voraus den Sturz abzufangen kommt es besonders häufig zu einer Colles-Fraktur (siehe Formen der distalen Radiusfraktur). Bei älteren Menschen ist die Knochensubstanz häufiger geschwächt, wodurch es leichter zu Brüchen kommen kann. Bei Jüngeren ist meist eine größere Gewalteinwirkung (Trauma) nötig, wie beispielsweise ein Sturz beim Inlineskaten ohne Handgelenks-Schützer.

Symptome: Welche Beschwerden bereitet eine distale Radiusfraktur?

Bei einem Knochenbruch treten Schmerzen in der betroffenen Region auf. Insbesondere der Versuch, das Handgelenk oder den Unterarm zu drehen, verstärkt die Schmerzen. Begleitend kann es zu einer Schwellung und Blutergussbildung im Handgelenksbereich kommen. Manchmal kann eine Fehlstellung bereits sichtbar sein. Die Funktionsfähigkeit des Handgelenkes kann eingeschränkt sein, begleitend können ein Kraftverlust oder auch Gefühlsstörungen in der Hand auftreten.

Diagnose: Wie wird eine distale Radiusfraktur festgestellt?

Zunächst erkundigt sich der Arzt nach dem Unfallhergang und den Beschwerden (Anamnese). Anschließend sieht er sich das Handgelenk und den Unterarm an, um äußerliche Veränderungen wie beispielsweise eine Schwellung oder Fehlstellung zu erkennen. Außerdem prüft der Arzt, ob Durchblutungsstörungen, Störungen in der Beweglichkeit oder des Fühlens (Sensibilität) bestehen. Er tastet die betroffene Region ab und sucht nach weiteren Begleitverletzungen. Zur Sicherung der Diagnose wird eine Röntgenaufnahme des Unterarms und Handgelenkes mit Handwurzelknochen erstellt. In dieser ist ein Knochenbruch fast immer sichtbar. Ergänzend können, beispielsweise bei vermuteten Begleitverletzungen oder komplizierten Brüchen mit Beteiligung der Gelenkfläche, eine Computertomografie (CT) oder Magnetresonanz-Untersuchung (MRT) notwendig sein. Eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie) kommt nur bei speziellen Verletzungen zur Anwendung und gehört nicht zur Standarddiagnostik.

Therapie: Wie wird eine distale Radiusfraktur behandelt?

Prinzipiell wird zwischen einer Versorgung ohne Operation (konservativ) und einer operativen Versorgung unterschieden. Welche Therapieform zum Einsatz kommt hängt unter anderem von der Bruchform und den Begleitverletzungen ab. Begleitverletzungen können zum Beispiel gerissene Bänder sein. Auch Alter, Allgemeinzustand und Wunsch des Patienten sowie die Knochenstruktur selbst spielen bei der Wahl der geeigneten Therapie eine Rolle. Ziel ist es, wieder die richtige Stellung der Knochen zu erlangen, damit Funktion und Kraft voll hergestellt werden.

  • Konservative Versorgung

Dieses Verfahren kommt vor allem bei "einfachen" Brüchen, entweder ohne Gelenkbeteiligung oder ohne deutliche Verschiebung der Bruchenden gegeneinander zum Einsatz. Bei einem geringen Versatz der Bruchenden können diese wieder in die korrekte Stellung zueinander gerückt werden (Reposition). Damit dies möglich ist, bekommt der Patient entsprechende Medikamente, die die Schmerzen unterdrücken. Dies kann entweder in Form von Spritzen und einer sogenannten Bruchspaltanästhesie erfolgen, aber auch mittels einer kurzen Narkose. Welches Verfahren angewandt wird ist abhängig von der Bruchart, da unterschiedliche Verfahren zur geeigneten "Wiedereinrichtung" der Bruchenden bestehen. Anschließend erfolgt eine Ruhigstellung mittels Gipsschiene oder eines Kunsstoff-Gipses (Cast-Schiene) für vier bis sechs Wochen, je nach Alter des Patienten und Knochensubstanz. Während dieser Zeit erfolgen Nachuntersuchungen und Röntgenkontrollen, um zu beobachten, ob der Knochen in der richtigen Position heilt.

Auch wenn beispielsweise aufgrund eines schlechten Allgmeinzustandes keine Operation möglich ist oder der Patient die Operation ablehnt, kann eine konservative Therapie erfolgen.

  • Operative Versorgung

Eine operative Versorgung ist bei folgenden Brüchen notwendig:

- die Bruchenden weichen deutlich voneinender ab (Dislokation)

- Offene Brüche (die Haut ist mitverletzt, daher besteht eine Verbindung zur Außenwelt)

- Trümmerbrüche (Mehrfragmentfrakturen)

- bestehende Begleitverletzungen (mitverletzte Gefäße, Nerven oder Handwurzelknochen)

Je nach Bruchart kommen unterschiedliche Verfahren zur Stabilisierung des Bruches (Osteosyntheseverfahren) zur Anwendung. Es können Schrauben, Drähte (sogenannte Kirschner-Drähte), Fixateur externe (eine äußerliche Haltevorrichtung bei Trümmerfrakturen) oder Metallplatten verwendet werden. Am häufigsten wird eine distale Radiusfraktur durch eine Metallplatte (winkelstabile Plattenosteosynthese) stabilisiert. Anschließend erfolgt meist die Anlage einer Gipsschiene. Über die Dauer der Gipsschiene entscheidet der Operateur, je nach Bruchart, angewandtem Verfahren, Begleitverletzungen und Knochensubstanz. Ob eine erneute Operation zur Entfernung der Materialien notwendig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem vom der Art des Osteosynthesematerials sowie vom Allgemeinzustand und Alter des Patienten.

Prognose: Wie stehen die Heilungschancen?

Die Prognose ist bei den meisten Radiusfrakturen günstig. Üblicherweise wird der Arm wieder gut funktionsfähig. Folgeschäden wie beispielsweise eine Arthrose können jedoch auftreten und sind abhängig vom Ausmaß der Verletzung des Handgelenkes.

Dr. Peter Gutsfeld

Dr. Peter Gutsfeld

Unser beratender Experte:

Dr. Peter Gutsfeld, Facharzt für Chirurgie, spezielle Unfallchirurgie,  Orthopädie und Unfallchirurgie, arbeitete bis Ende 2016 als leitender  Arzt der Unfallchirurgie und Sportorthopädie am Klinikum  Garmisch-Partenkirchen. 2017 wechselte Dr. Gutsfeld an die Ohlstadtklinik der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern.

Quellen:

  • Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V, Die Radiusfraktur, C. Müller, April 2017. Online: https://www.bdc.de/die-radiusfraktur/ (abgerufen am 14. Mai 2019)
  • Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie, Distale Radiusfraktur (= handgelenksnaher Speichenbruch). Online: https://www.dgu-online.de/patienten/haeufige-diagnosen/senioren/distale-radiusfraktur.html (abgerufen am 14. Mai 2019)

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.