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Frau Werner, Sie behaupten von sich, ein Glückspilz zu sein. Woran machen Sie das fest?

An vielem. Etwa daran, dass ich etwas studieren durfte, woran ich vorher noch gar nicht gedacht hatte, nämlich Schauspiel. Dass ich jahrzehntelang zum Ensemble des Maxim-Gorki-Theaters gehörte. Und dass mir das mit dieser Wahnsinnsrolle im Film „Wolke 9“ passiert ist.

Der Film thematisierte Liebe und Sex im Alter. Geradezu ein Tabubruch. Wie haben Sie das erlebt?

Als mich der Regisseur Andreas Dresen anfragte, war ich sofort Feuer und Flamme. Dass damit Nacktszenen verbunden waren, verdrängte ich zunächst. Ich kannte Andreas und wusste: Das wird gut, keine Sekunde geschmacklos. Und das Thema war schon etwas, das einem auf der Seele lag. Doch dann war ich ein bisschen vor mir selber erschrocken: Was, du hast gerade zugesagt? Meine beiden Filmpartner gestanden mir später, dass es ihnen genauso ging.

Ursula Werner

  • geboren am 28.9.1943 in Eberswalde.
  • Die Schauspielerin lebt in Berlin, ist geschieden und hat drei Kinder.
  • Zahlreiche Theater- und Filmrollen. Im Film „Der Junge muss an die frische Luft“ spielt Ursula Werner Hape Kerkelings Großmutter Bertha. Aktuell ist sie im TV-Film „Weil wir Champions sind“ (Ausstrahlung: 25. Mai) zu sehen. Darin geht es um Menschen mit Behinderung, die eine Basketballmannschaft bilden.

Hat auch Ihr aktueller Film „Weil wir Champions sind“ das Zeug dazu, was zu bewegen? Es geht da um Menschen mit Behinderung …

Es war mir ein Bedürfnis, in dem Film mitzuspielen, der sich um so viel Menschlichkeit dreht und wie man miteinander umgeht als Mensch. Die Begegnungen mit den Menschen mit Behinderung waren unglaublich bereichernd. Wie herzlich und zugleich diszipliniert sie waren, wie sie aufeinander achteten.

Viele Schauspielerinnen werden mit 50 aussortiert. Bei Ihnen werden die Angebote immer besser …

Ja, auch hier kann ich sagen: Glück gehabt! Ich war oft zur rechten Zeit am rechten Ort. Es gibt viele, die mindestens genauso gut sind, aber längst nicht so gut im Geschäft.

Schauspielrolle in dem Film Wolke 9 (2008)

Schauspielrolle in dem Film Wolke 9 (2008)

Spüren Sie manchmal so etwas wie Altersweisheit?

Ende meiner 60er-Jahre, parallel zum Ergrauen meiner Haare. Es war ein allmählicher Prozess, verbunden mit Gedanken wie „Das geht mich nichts mehr an“, „Das erlaube ich mir“, „Das ärgert mich nicht mehr“. Es ist schön, dass man sich nicht mehr so aufregt über viele Dinge. Wobei: Unsere Zeit ist so turbulent, da bleibt genug, über das ich mich aufregen muss.

Wer hat Ihnen eigentlich das Schauspieltalent vererbt?

Mein Vater. Der war ein Urberliner mit sehr viel Mutterwitz. Auf Geburtstagen spielte er den Alleinunterhalter. Beruflich machte er etwas ganz anderes, er war Rohrleger.

Sie bewegen sich nach eigenen Worten „so unauffällig, dass man mich leicht übersieht“ …

Alles andere wäre mir viel zu anstrengend. Außerdem: Der unauffällige Typ ist wandelbarer. Ich gebe gerne alles auf der Bühne oder vor der Kamera. Aber nach Feierabend will ich einfach nur die Ulla vom Prenzlauer Berg sein. Beim Einkaufen werde ich erkannt, aber das nimmt nicht überhand. Wer mir im echten Leben begegnet, wundert sich, dass ich so klein bin. Da schauen viele automatisch über mich hinweg. Ich kleide mich unauffällig und benehme mich unauffällig.

Was würden Sie gern lernen?

Englisch. Aber ob ich die Geduld aufbringe? Eine fremde Sprache prägt sich nicht mehr so leicht ein wie in jüngeren Jahren. Ich merke ja schon, dass ich fürs Textlernen länger brauche. Also werde ich mich wohl weiterhin mit meinen paar Brocken Englisch durchschlagen.

Angenommen, Sie würden sich für ein politisches Amt bewerben. Was wäre Ihr Motto?

„Alle Macht den Müttern.“ Das klebt auch auf meinem Auto. Die Mütter bringen die Kinder zur Welt und quälen sich ab, damit sie ordentlich heranwachsen, und dann nehmen ihnen die Männer die Kinder weg und schicken sie in den Krieg. Die Mütter müssten dafür ihre Unterschrift geben und wenn sie sagen: „Nein, ich will das nicht“, dann müsste das gelten. Es ist empörend, dass die Mütter nie gefragt werden.

Sie wirken so fröhlich und. energiegeladen. Wie heitern Sie sich an trüben Tagen auf?

Man darf sich nicht verrückt machen lassen. Sobald ich wieder mit Leuten zusammenkomme, merke ich, dass ich vom Grunde her ein fröhliches Wesen bin. Es gibt auch Trauriges, das ich in mir selber verarbeite, worüber ich mit niemandem rede. Aber das erlebt man nicht oft bei mir.

Sie sagten mal: „Ich lehne es ab, krank zu werden.“

Das sage ich immer aus Spaß. Es heißt ja, dass man auch durch Willensstärke viel erreichen kann. Natürlich bin ich nicht gefeit gegen Krankheit. Aber ich bin das Gegenteil einer Hypochonderin. Ich hoffe, das bleibt so.

Sie sind geschieden. Würden Sie noch mal heiraten, wenn der Richtige käme?

Ich bin Single und ganz froh damit. Ich hatte Liebhaber und Freunde, man entwickelt sich ja nicht zur Nonne deswegen. Aber ich merke, wie gut es tut, wenn ich keine Verpflichtungen habe und nicht darüber nachdenken muss, ob ich heute dem Mann gefalle oder nicht.