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Ihr Nach­name klingt süddeutsch oder ­österreichisch. Dabei sind Sie ­waschechter Schleswig-Holsteiner.

Zierl: Mein Großvater stammte aus Bayern, daher der Nachname. Mein Vater war Schlesier, kam durch Kriegs­wirren nach Schleswig-Holstein und verliebte sich in Kiel in meine Mutter. Er war dann Dorfsheriff in Dithmarschen. Dort als kleiner Junge aufzuwachsen, war schon hart. Du liest Karl May und reist über Schluchten, Berge und durch Wälder – dann schaust du aus dem Fenster und siehst Rübenfelder bis zum Horizont. Oder bis zum Deich.

Heute drehen Sie auf Mauritius für die TV-Serie "Die Inselärztin". Ist doch letztlich gut gelaufen ...

Ja, wir haben das dritte Jahr in Folge jeweils zwei Episoden gedreht. Aber durch das "Traumschiff" und etliche andere Fernsehfilme habe ich viele Länder kennengelernt und oft einen Privaturlaub rangehängt. Mein ständiges Fernweh habe ich jedenfalls ausleben können.

Ist auf Mauritius zu drehen denn so toll, wie man sich das vorstellt?

Einerseits ja, es ist eine Trauminsel. Andererseits war Regenzeit, das bedeutet: Es gießt vier-, fünfmal am Tag. Du hast eine Szene gerade angefangen, dann musst du dich wieder irgendwo unterstellen und warten. Die Sonne kommt zwar schnell wieder raus, aber dann ist es auch wahnsinnig schwül. In der Rolle des Hoteldirektors hatte ich zu Beginn sehr gelitten, in Anzug, Weste und Krawatte. Aber seit er seinen Job abgegeben und seinem Sohn alles übertragen hat, wird er immer lockerer. Das drückt sich auch in seiner Kleidung aus. Er flirtet jetzt sogar am Strand.

Das Loslassen-Dürfen als angenehme Begleiterscheinung des Älterwerdens.

Absolut. Er scheint es zu genießen.

Und was verbinden Sie privat mit dem Älterwerden? Möchten Sie es auch ruhiger angehen lassen?

Meine drei Söhne sind groß. Der Prozess des Loslassens ist mir beim letzten, der ausgezogen ist, besonders schwergefallen. Aber das gehört dazu, man muss sich freimachen von Sentimentalität. Natürlich denkt man öfter über die Endlichkeit nach. Enorm wichtig ist es fürs Alter, jung zu denken. Ich spiele viel Theater, drehe sehr viel, bin viel unterwegs, und das soll auch möglichst lange so bleiben. Als Langstreckenläufer ist mein Motto: Die Kraft so einteilen, dass man jederzeit einen kleinen Zwischenspurt einlegen kann.

Helmut Zierl

* 6. Oktober 1954 in Meldorf (Dithmarschen)

  •  Mit 17 Aufnahme an der Schauspielschule, TV-Debüt 1978.
  • Bekannt unter anderem durch "Max Wolkenstein", "Familie Sonnenfeld" und "Meine liebe Familie".
  • Mit Christine Zierl alias Dolly Dollar hat er drei erwachsene Söhne. 2001 – 2011 lebte er mit Schauspielkollegin Saskia Valencia zusammen.
  • Zierl wohnt in Lütjensee bei Hamburg.

Bieten sich mit dem Alter Chancen, dem Sunnyboy-Image zu entkommen?

Nach meinen Anfangsjahren am Theater und einigen Literaturverfilmungen konnte ich bei Filmdrehs im Ausland endlich ausleben, wovon ich als Kind geträumt hatte. Ich landete aber auch durch seichtere Filme schnell in der Schwiegermüttertraum-Ecke. Im Moment werden gerade so wunderbare historische Filme gedreht, aber da finde ich nicht statt. Produzenten und Redakteure sagen sich vermutlich: "Der war schon auf dem ‚Traumschiff’, im ‚Traumhotel’ und bei Frau Pilcher. Der geht nicht." Das ist eine bittere Erfahrung, und darum spiele ich für den künstlerischen Anspruch wieder mehr Theater. Für meinen Willi Loman im "Tod eines Handlungsreisenden" wurde ich in diesem Jahr mit drei Theaterpreisen ausgezeichnet. Tourneetheater bedeutet: eine Nacht hier, eine Nacht da.

Fällt Ihnen das schwer?

Heute eine Stadthalle, morgen ein altehrwürdiger Theaterbau, übermorgen eine Schulaula: Das ist zwar anstrengend, aber es bringt mir großen Spaß und ist sehr spannend. Nebenbei habe ich ein Buch geschrieben, das im Herbst erscheinen wird. Es geht um die drei Monate, in denen ich als Tramper unterwegs war.

Wie alt waren Sie da?

16 Jahre. Ich war von der Schule geflogen, und mein Vater sagte: "Mach, dass du hier raus kommst!" Natürlich im Affekt, aber ich nahm es ernst und packte meinen Rucksack. Danach war ich drei Monate weg. In dieser Zeit habe ich unglaubliche Dinge erlebt, die für einen 16-jährigen kaum zu verkraften waren, Exzesse mit harten Drogen, Todesfälle, Sekten ...

Helmut Zierl mit seiner Freundin in Hamburg.

Helmut Zierl mit seiner Freundin in Hamburg.

Wo waren Sie denn?

Hauptsächlich in Belgien und Holland. Amsterdam war damals das Hippie-Mekka. Ich hatte lange Haare, las Hermann Hesse und befand mich intensivst auf Sinnsuche. Der Glaube beschäftigte mich sehr. Damals führte ich viele Diskussionen mit Freunden, aber vor allem mit einem Pastor aus Brüssel, der mich kurzfristig aufgenommen hatte. Über den Glauben an sich, über Werte, über die Nazi-Generation meiner Eltern. Ich war ja Revoluzzer damals, habe sehr viel verurteilt. Der Pastor hat mich fantastisch geerdet.

Inwiefern ist Ihnen Ihr Glaube eine Stütze?

Weil es viel angenehmer ist, mit der Einstellung alt zu werden, dass es am Ende irgendwie weitergeht. Dass die Energie nicht verpufft. An der Religion faszinieren mich die Werte, der ganze soziologische Aspekt des Miteinander-Lebens, Sich-Helfens, Demütig-Seins.

Sie bezeichnen sich als "wahnsinnig harmoniesüchtig", was Sie durchaus leiden lässt. Warum?

Ich ertrage es beispielsweise nicht, wenn Regisseure einen Mitarbeiter zusammenschreien. Das geht einfach nicht. Niemand hat ein Recht dazu. Kreativität kann für mich nur in einer entspannten Arbeit entstehen. Nur dann kann ich mich öffnen. Ich halte nichts von Horoskopen, aber was man pauschal von Waage-Geborenen behauptet, trifft genau auf mich zu.

Sie meinen: Ausgeglichenheit?

Das ist genau der Irrtum: Waagen sind nicht ausgeglichen, sondern versuchen ihr Leben lang, die Waagschalen auszutarieren.

Woher haben Sie Ihr Talent?

Vermutlich von meinem Vater. Er war zwar Polizist, aber eigentlich ein Künstler. Er konnte diverse Instrumente spielen, singen, er konnte malen: Seine Kollegen kritzelten Strichmännchen in die Unfallskizzen, er malte das Geschehen perspektivisch. Was ihm auch Spott eintrug.

In Ihrer Jugend war das Geld knapp. Haben Sie später etwas nachgeholt, als es finanziell lief?

Auf jeden Fall das Reisen. Alles was ich nicht machen konnte, wollte ich meinen Kindern ermöglichen. Tennis, Reiten ... Aber die wollten das meist gar nicht. Auch das war eine spannende Erkenntnis. Sie haben ihre eigenen Pläne, und das ist gut so.

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