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Ein Tag am Meer. Es braucht nur vier Wörter – und im Kopf startet das Sonnenprogramm. Bilder von Sand und Strand. Der Geruch des Wassers, Urlaubsgefühle. Doch natürlich ist der Sommer nie so perfekt wie in unseren Tagträumen. Unerträgliche Hitze ist nur ein Stichwort von vielen.

Wohl die meisten haben ihr Verhalten an die neuen Sommer, die Sommer im Klimawandel, angepasst. Galt es in den 1950er-Jahren als Statussymbol, nach zwei Wochen im italienischen Rimini und diversen Sonnenbränden braun gegerbt heimzukehren, benutzen inzwischen viele Menschen selbst unter dem Sonnenschirm ein Mittel mit Lichtschutzfaktor 50+.

Das ist gut so, denn die Situation verschlimmert sich messbar. „Die Anzahl der jährlichen Sonnenstunden in Deutschland ist zwischen 1951 und 2021 im Mittel um 132 Stunden gestiegen. Und auch die Zahl der Tage mit 25 Grad und mehr hat zugenommen“, berichtet Dr. Cornelia Baldermann vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Das macht sich bemerkbar. „Die Menschen zieht es öfter ins Freie, sodass sie mehr schädliche UV-Strahlung abbekommen können als früher“, so Baldermann. Als Mitarbeiterin des BfS ist sie an der Beratung der Bundesregierung beteiligt.

Der Drang nach Licht, nach Wärme, Luft, Bewegung, Begegnung und Natur ist nur allzu verständlich – vor allem nach den dunklen Wintermonaten in unseren Breitengraden. Er ist auch in vielerlei Hinsicht gesund: Der Organismus des Menschen folgt in vielen Bereichen dem Takt von Hell und Dunkel. Sonnenlicht entscheidet beispielsweise mit, ob wir gut schlafen, uns optimal konzentrieren können, ob wir mehr oder weniger Schmerzen spüren oder von Depressionen verschont bleiben.

Aber: Die Umweltbedingungen verändern sich derzeit so schnell, dass wir mit unserem Verhalten nicht mehr nachkommen. „UV-Schutz ist für viele Menschen wichtiger geworden“, sagt Professorin Carola Berking, Direktorin der Hautklinik am Universitätsklinikum Erlangen und zweite Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie. Doch das reicht nicht. „Die Zahl der Hautkrebserkrankungen nimmt in Deutschland seit Jahrzehnten stark zu“, erklärt die Hautkrebsexpertin. Insgesamt sehen sich momentan rund 220 000 Frauen und Männer jährlich mit der Diagnose konfrontiert. Viele Hauttumore und ihre Vorstufen lassen sich zwar sehr erfolgreich behandeln. Psychisch belastend und wegen ihrer Ausdehnung und Lokalisierung mitunter auch körperlich beeinträchtigend sind sie trotzdem.

Besonders kritisch ist der schwarze Hautkrebs: das maligne Melanom. Die Heilungschancen sind umso besser, je früher es entdeckt wird. Allerdings ist das oft schwierig. „Bei den 20- bis 30-Jährigen ist das Melanom die häufigste Krebsart“, sagt Berking. Es trifft also relativ viele Menschen in einem Alter, in dem sie an so eine Erkrankung gar nicht denken. Einige Krankenkassen bieten Früherkennungsuntersuchungen – das Hautkrebsscreening – schon ab der Geburt an. Standard ist das aber nicht. Und selbst die Personen ab 35 Jahren, die auf jeden Fall berechtigt wären, nehmen das Angebot meist nicht wahr, das es bei zertifizierten Hausärztinnen und Hausärzten oder zertifizierten Dermatologinnen und Dermatologen gibt. So belegte eine Umfrage einer großen Krankenkasse jüngst, dass 28 Prozent dieser Personengruppe ihre Haut noch nie auf Kassenkosten auf auffällige Veränderungen hin haben untersuchen lassen.

UV-Licht steht außerdem im Verdacht, bösartige Tumore in den Augen zu verursachen: die Aderhautmelanome. Daneben kann UV-Strahlung Entzündungen der Bindehaut und Hornhaut sowie Netzhaut­erkrankungen hervorrufen. Eine solche Veränderung, die Makuladegeneration, kann zur Erblindung führen. Ganz sicher ist die Strahlung mit Schuld am grauen Star – einer Linsentrübung, an der im Alter zwischen 52 und 64 Jahren bereits jede und jeder Zweite in Deutschland leidet. Jährlich erfolgen allein aufgrund grauen Stars 700 000 bis 800 000 Augenoperationen. Es existieren viele Gründe, warum unsere persönlichen Bemühungen um UV-Schutz so oft ins Leere laufen. „Niedrig-Ozon-Ereignisse führen dazu, dass wir in Deutschland häufiger schon im März oder April UV-Intensitäten erreichen, bei denen wir dringend ­einen Sonnenschutz bräuchten“, sagt Baldermann. Niedrig-Ozon-Ereignisse sind nichts anderes als ozonarme Luftmassen. Die Ozonschicht blockt einen Teil der UV-B-Strahlung ab. Ist weniger Ozon vorhanden, dringt mehr Strahlung bis zum Erdboden durch. „Wahrscheinlich erleben wir solche Niedrig-Ozon-Ereignisse demnächst noch häufiger“, sagt Baldermann.

Wie könnten wir uns absichern? „Recht einfach“, findet die Expertin. „ Man sollte noch mehr auf Sonnenschutz achten und seinen Alltag an die UV-Intensität anpassen. Dafür müsste es auf jedem öffentlichen Platz, in jedem Kindergarten, an jedem Arbeitsplatz im Freien, also überall, Anzeigetafeln für den aktuellen UV-Index geben.“ Der UV-Index ist ein Maß für die stärkste UV-Intensität an einem bestimmten Tag. Würden wir alle den UV-Index kennen, ließen sich Schutzmaßnahmen so selbstverständlich planen, wie wir jetzt unsere Kleidung nach dem Wetterbericht wählen. Um Hautschäden abzuwehren, ist UV-Schutz ab einem Index von 3 notwendig. In den Hochlagen der süddeutschen Gebirgsregionen werden im Sommer Werte bis 11 erreicht.

Doch UV-Index-Anzeigen im öffentlichen Raum sind eine Rarität. Genauso wie Sonnensegel zur Beschattung von Fußgängerzonen. Oder Bäume, die gezielt zur Abschirmung dienen. Verhältnisprävention heißen solche Maßnahmen in der Fachsprache. Das Konzept zielt darauf ab, die Bevölkerung insgesamt besser vor der Sonne zu schützen, statt nur jenen Teil der Bürgerinnen und Bürger, die besonders wachsam sind oder das Glück haben, in einem gut beschatteten Umfeld zu leben. „Deutschland fängt aber gerade erst an, Modellprojekte zu entwickeln“, sagt Baldermann.

Noch sind wir beim UV-Schutz auf uns selbst gestellt. Zwei wesentliche Erkenntnisse liefert die Forschung. Zum einen: „Die Haut vergisst nie“, sagt Dermatologin Carola Berking. Was nichts anderes heißt, als dass sich UV-Schäden aufsummieren – bis irgendwann eine Schwelle überschritten ist, ab der eine Erkrankung entsteht. Zum anderen: Es ist nie zu spät, um von Sonnenschutz zu profitieren. Optimal wäre es freilich, nie einen Sonnenbrand zu bekommen, auch keinen kleinen oder leichten, weil das Hautkrebsrisiko mit der Zahl und Schwere der Sonnenbrände zusammenhängt.

Säuglinge und Kleinkinder benötigen eine besonders konsequente Abschirmung. Ihre Haut und ihre Augen sind anfälliger für UV-Einflüsse als die Erwachsener. Babys unter einem Jahr sollten niemals direkt in die Sonne. Ansonsten gelten für den Umgang mit Sonnenschutzmitteln und die richtige Bekleidung altersabhängig spezielle Regeln, die Eltern am besten mit der Kinderärztin, dem Kinderarzt oder der Apothekerin und dem Apotheker besprechen.

Für Jung und Alt gleichermaßen gilt: „Sonnenschutzmittel sind immer nur eine Ergänzung zu anderen Maßnahmen“, betont Berking. Die Basis für wirksamen UV-Schutz sind eine passende Kopfbedeckung und UV-undurchlässige Kleidung, die Arme, Beine, Füße und sogenannte Sonnenbalkone, etwa die Ohren, schützt. Auch eine qualitativ hochwertige Sonnenbrille gehört dazu. „Ganz wichtig: Die Mittagssonne zwischen 11 und 15 Uhr meiden“, ergänzt Strahlenexpertin Cornelia Baldermann. Empfindliche Haut nimmt sonst auch trotz einer Creme mit hohem Lichtschutzfaktor Schaden. „Kein einziges Produkt blockt UV-Strahlung komplett ab“, erklärt Baldermann. Um den angegebenen Lichtschutzfaktor zu erreichen, muss man überall gleichmäßig zwei Milligramm eines Mittels pro Quadratzentimeter Haut auftragen. So wäre eine Flasche mit 200 Millilitern nach sechs Anwendungen leer. „Das ist kaum zu schaffen“, sagt Baldermann. „Der reale Sonnenschutz ist stets niedriger als der theoretische.“

Das erklärt auch teilweise, warum ein guter Sonnenschutz den Vitamin-D-Haushalt nicht gefährdet – was immer wieder einmal behauptet wird. Zwar gilt: Vitamin D kann der Körper nur selbst herstellen, wenn UV-Strahlung auf die Haut kommt. Richtig ist auch: Menschen benötigen das Vitamin für zahlreiche zentrale Vorgänge im Körper. Stabile Knochen sind nur ein Beispiel. Genauso gilt aber Folgendes: Für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese genügt es nach derzeitigen Erkenntnissen, Gesicht, Hände und Arme ungeschützt zwei- bis dreimal pro Woche der Hälfte der UV-Dosis auszusetzen, die einen Sonnenbrand auslösen würde. „Das ist die Hälfte der Zeit, in der sich die Haut sonst rötet“, erklärt Baldermann. Diese Spanne ist bei jedem etwas anders; so entsteht ausreichend Vitamin D im Sommer bei hellen Hauttypen innerhalb von Minuten. Diese Empfehlung haben Behörden, Fachgesellschaften und Fachverbände des Strahlenschutzes, der Gesundheit, der Risikobewertung, der Medizin und der Ernährungswissenschaften gemeinsam entwickelt, nachdem sie die Studien zu dem Thema ausgewertet haben.

Sind wir mitten im Klimawandel noch Fans der Sonne? Klar doch. Nur sollten wir jetzt noch deutlich mehr auf uns achten als bisher. Das unterstreicht eine Umfrage unter Versicherten einer großen Krankenkasse. Demnach haben momentan 40 Prozent der Befragten einmal oder sogar mehrmals pro Jahr einen Sonnenbrand.

So könnte es besser gehen: Statt nach unserem Überhitzungsgefühl richten wir uns lieber nach einem UV-Index, den uns beispielsweise das Bundesamt für Strahlenschutz auf seiner Website anzeigt. Statt eine klebrige Sonnencreme im Schrank liegen zu lassen, suchen wir lieber nach einem Produkt, das sich so gut anfühlt, dass wir es gerne und in ausreichender Menge auftragen. Und statt darauf zu warten, dass unsere Bushaltestelle endlich überdacht wird, kaufen wir uns einen Sonnenhut.

Leuchtende Blässe hat die knackige Bräune der Wirtschaftswunderzeit als Schönheitsideal vielerorts abgelöst. Vorbilder für ­einen positiven und zugleich gesunden Umgang mit der Sonne kommen zum Beispiel aus Australien. Dort feiern sportliche Menschen den Sommer, surfen, kiten, schwimmen oder machen Party am Strand – und tragen dabei ganz selbstverständlich einen sogenannten Rashguard, eine spezielle UV-abhaltende Sportbekleidung. Aus Japan kommt der Begriff „higasa danshi“. Er bezeichnet Männer, die mit einem Sonnenschirm vor die Tür gehen. Früher taten das dort nur die Frauen. Doch seit einer extremen Hitzewelle 2018 haben Männer das nützliche Accessoire für sich erobert. Noch mehr Tipps für möglichen Sonnenschutz finden Sie in den kleinen Texten auf allen Seiten dieser Titelgeschichte.


Quellen: