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Seit vier Jahren arbeite ich in der ambulanten Pflege. Vorher war ich viele Jahre in einem Pflegeheim tätig – bis ich nicht mehr konnte. Der Schichtdienst setzte mir gesundheitlich zu, ständig dieser Wechsel: früh, spät, nachts. Ich konnte nicht mehr schlafen.

Mein Arbeitstag beginnt normalerweise morgens um 6.30 Uhr. Ich sehe mir den Tourenplan an, hole mir die Schlüssel für die Wohnungen der Patienten und fahre los. Wir haben überwiegend ältere Kunden, aber auch einige jüngere, zum Beispiel Menschen mit Behinderungen. Ich habe mich auf Palliativpflege spezialisiert und kümmere mich auch um sterbende Menschen zu Hause. Sechs Mal im Monat habe ich „geteilten Dienst“, das heißt, ich arbeite bis Mittag und dann nochmal ab 16 Uhr bis in den Abend hinein. Das ist anstrengend, vor allem wenn wir abends nicht pünktlich fertig werden.

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#RettetDiePflege

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Ich liebe meinen Beruf, ich würde ihn jederzeit wieder ergreifen, aber in den vergangenen Jahren haben sich die Dinge sehr verschlechtert. Der Druck wird ständig größer. Wir bekommen immer wieder von der Leitung zu hören, dass wir wirtschaftlich arbeiten müssen, mehr Klienten in eine Tour packen müssen. Es wird schlimmer und schlimmer. Mehrere meiner Kolleginnen sind schon zusammengebrochen vor lauter Stress. Ich wünsche mir, dass man uns Pflegekräfte wie Menschen behandelt! Wem es zu viel wird, der bekommt zu hören: „Such dir doch was anderes.“ Viele ältere Kolleginnen gehen irgendwann als Betreuungsassistentin in ein Heim. Dann sind sie zwar aus der Pflege raus, verdienen aber auch deutlich weniger.

Das kleine Gespräch zwischendurch

Hinzu kommt die Personalnot. Wir haben inzwischen viele Hilfskräfte, die kaum Deutsch können. Das gab es früher so nicht. Ich meine, Pflege ist ein kommunikativer Beruf, ich muss ja auch mit den Leuten reden. Für manche älteren Menschen sind wir der einzige Besuch am Tag, sie brauchen das kleine Gespräch zwischendurch. Ambulante Pflege ist nicht nur Kommen und Gehen. Außerdem haben wir es ja auch mit wichtigen medizinischen Informationen zu tun. Ich denke immer, irgendwann wird eine Bombe platzen, es ist ein Wunder, dass noch nichts Schlimmes passiert ist. Man muss nicht perfekt Deutsch können, überhaupt nicht, ich bin selbst vor 13 Jahren aus dem Ausland gekommen. Aber Grundkenntnisse müssen einfach da sein. Die Hilfskräfte werden auch fachlich kaum eingearbeitet. Sie fahren bei zwei Touren mit und sind dann auf sich allein gestellt. Das geht doch nicht!

Ich bin aber deswegen nicht wütend auf meine Leitung. Sie kann nichts für die Verhältnisse. Wir haben einen Wunsch-Dienstplan, der Urlaub ist kein Problem – das ist in der Pflege schon viel! Wütend bin ich auf die Politik und auch auf die Kassen: Wie kann man solche Zustände zulassen! Wir bekommen zum Beispiel für das Duschen nur 15 Minuten bezahlt – auch wenn es um sehr pflegebedürftige Menschen geht, die kaum aus dem Bett kommen und mehr Zeit brauchen.

Was mich auch ärgert, ist das schlechte Image des Berufs. Mir wurde schon gesagt: „Sie sind so nett. Sie finden doch bestimmt was anderes!“ Und „Altenpflegerin“ klingt für viele noch noch mal weniger wertvoll als „Krankenschwester“. Die Medien zeichnen so ein negatives Bild von der Pflege. Da können sich viele wohl einfach nicht vorstellen, dass man das freiwillig macht.

Sterbende zu Hause pflegen

Auch wenn ich manchmal müde und sauer bin: Den Beruf wechseln, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich pflege gern und glaube, dass ich bei den Patienten gut ankomme. Besonders viel bedeutet mir die Palliativpflege. Von meiner Arbeit hängt es ab, ob Menschen zu Hause sterben können, wie es sich die meisten ja wünschen. Ich habe da auch mehr Zeit als bei den anderen Kunden, wir können bis zu vier Mal am Tag zu den Patienten fahren. Die Pflege tut den Menschen spürbar gut, das Waschen, die kleinen Berührungen, die Hautpflege, das Lagern, sodass sie bequem liegen. Nie werde ich eine Angehörige vergessen, die wirklich sehr schwierig war. Sie beschimpfte uns Pflegekräfte vom Feinsten. Aber nachdem ihre Mutter friedlich eingeschlafen war – sie starb, wenn man so sagen darf, schön – dankte sie mir auf Knien.