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Braucht man trotz Pflegebedürftigkeit noch eine Haftpflichtversicherung?

Ja, auch Pflegebedürftige können hohe Schäden verursachen und sind dann dafür verantwortlich, wie jeder andere auch. Die Haftpflichtversicherung übernimmt diese Kosten und ist deshalb auch bei Pflegebedürftigkeit absolut unverzichtbar. Auch demenzkranke Menschen, die nicht mehr immer wissen, was sie tun, benötigen unbedingt eine Police. Die Haftpflichtversicherung hat nämlich nicht nur die Aufgabe, Schäden zu regulieren, sondern wehrt auch unberechtigte oder überhöhte Ansprüche ab.

Brauchen pflegende Angehörige eine Haftpflichtversicherung?

Ja, denn grundsätzlich haftet jeder für alle Schäden, für die er die Verantwortung trägt. Das hat mit der Pflege nichts zu tun. Außerdem haften pflegende Angehörige unter Umständen für Schäden, die der Pflegebedürftige angerichtet hat, beispielsweise wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Deshalb sollten pflegende Angehörige, wie jeder andere auch, unbedingt eine Haftpflichtversicherung haben.

Mein Ehepartner ist demenzkrank und wir haben einen gemeinsamen Haftpflichtvertrag. Kann das zu Problemen führen?

Schädigen sich die Ehepartner gegenseitig, zahlt die Versicherung sowieso nicht, denn bei gemeinsamen Verträgen sind Ansprüche gegeneinander immer ausgeschlossen. Wurde eine außenstehende Person geschädigt, zahlt die Versicherung, wenn einer der beiden Partner die Verantwortung für den Schaden trägt. Die gemeinsame Versicherung zahlt auch, wenn der demenzkranke Mensch selbst nicht mehr verantwortlich ist, aber der Ehepartner seine Aufsichtspflicht verletzt hat. Ist keiner der beiden Ehepartner für den Schaden verantwortlich zu machen, bleibt der Geschädigte in der Regel auf seinen Kosten sitzen.

Gibt es Haftpflichtversicherungen, die auch bei Demenz zahlen?

Solche Verträge sind relativ selten, aber möglich. Viele moderne Haftpflichtversicherungen übernehmen inzwischen Schäden von deliktunfähigen Kindern. In diesem Fall sind demenzkranke Erwachsene nicht eingeschlossen. Steht im Vertrag jedoch, dass die Versicherung Schäden von deliktunfähigen Personen reguliert, sind auch demenzkranke Erwachsene mit versichert. In vielen Fällen sind die Leistungen bei Deliktunfähigen aber gedeckelt. Hier gibt es große Unterschiede. Manche Versicherer übernehmen nur Schäden bis 5000 €, andere bis zu 100.000 €, 200.000 € oder sogar mehr.

Muss ich es der Haftpflichtversicherung melden, wenn die Diagnose Demenz da ist?

Nein, im Gegenteil, man kann nur dringend davor warnen, diese Diagnose dem Haftpflichtversicherer zu melden. Sobald die Versicherung Bescheid weiß, steigt nämlich das Risiko, dass sie den Vertrag regulär kündigt. Dann kann es schwierig werden, einen neuen Vertrag bei einem anderen Anbieter zu bekommen. Es besteht auch keine Verpflichtung, die Diagnose Demenz zu melden. Erkrankungen spielen bei der Haftpflichtversicherung nämlich keine Rolle. Beim Abschluss des Vertrages werden auch keine Gesundheitsfragen gestellt.

Haften demenzkranke Menschen überhaupt noch für Schäden, die sie anrichten?

Das kann man so pauschal nicht sagen, denn die Diagnose Demenz bedeutet nicht automatisch, dass jemand nicht mehr geschäftsfähig ist. Es kommt also darauf an, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Ist der demenzkranke Mensch noch einsichtsfähig, haftet er für Schäden, die er verursacht. Ist er nicht mehr einsichtsfähig, haftet er auch nicht mehr.

Allerdings haben demenzkranke Menschen selbst in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung häufig noch "lichte Momente", in denen sie verstehen, was sie tun. Deshalb muss immer im Einzelfall entschieden werden, ob der Demenzkranke noch für sein Tun verantwortlich ist oder nicht mehr. Dies wird bei Streitigkeiten in der Regel mithilfe von ärztlichen Gutachtern vor Gericht geklärt.

Welche Verantwortung trage ich als Angehöriger, wenn eine Demenz noch nicht diagnostiziert wurde?

Ein Angehöriger ist grundsätzlich nicht automatisch zuständig, wenn ein Familienmitglied demenziell erkrankt ist. Solange eine Demenz noch nicht diagnostiziert wurde, gilt die betreffende Person juristisch zunächst als voll geschäftsfähig und ist damit selbst für ihr Handeln verantwortlich. Es ist aber durchaus möglich, dass im Nachhinein vor Gericht entschieden wird, dass der Betreffende zum Zeitpunkt des Geschehens nicht mehr einsichtsfähig war und damit für den Schaden nicht haftet.

Unabhängig von einer eventuellen Demenzerkrankung kann man juristisch aber eine so genannte Garantenstellung für eine Person haben. Dann ist man verpflichtet einzugreifen, wenn dieser Mensch ganz offensichtlich nicht mehr weiß, was er tut und mit seinem Handeln sich oder andere gefährdet. Beispielsweise muss man einschreiten, wenn jemand völlig betrunken Auto fahren will, etwa indem man demjenigen in Autoschlüssel wegnimmt.

Bei der Einschätzung, ob jemand noch versteht, was er tut, oder nicht, kann man sich auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen. Ob eine solche Garantenstellung besteht oder nicht, muss im Einzelfall geklärt werden.

Welche Verantwortung trage ich als Angehöriger, wenn der Arzt eine Demenz diagnostiziert hat?

Auch wenn ein Arzt diagnostiziert hat, dass jemand an Demenz leidet, sagt dies noch nichts über dessen Einsichts- und Einwilligungsfähigkeit aus. Selbst in einem fortgeschrittenen Stadium können viele Erkrankte nämlich Alltagsgefahren oder Risiken durchaus noch richtig einschätzen.

Selbstverständlich muss der Angehörige aber einschreiten, wenn der Erkrankte durch sein Verhalten sich selbst oder andere gefährdet. Das gilt jedoch immer nur in der konkreten Situation, wenn der Demenzkranke beispielsweise vergessen hat, den Herd auszuschalten oder wenn er aus dem Haus geht, und man damit rechnen muss, dass er dabei unvermittelt auf die Fahrbahn läuft. Der Angehörige muss sich also kümmern, um eventuelle Gefahren abzuwenden.

Im rechtlichen Sinne haften Angehörige nur dann für Schäden, die der Demenzkranke anrichtet, wenn sie eine so genannte Garantenstellung haben. Dies ist juristisch ziemlich kompliziert und muss im Einzelfall geklärt werden. In der Praxis haften Angehörige erfahrungsgemäß nur in seltenen Ausnahmefällen.

Das Gericht hat mich zum Betreuer bestellt. Bin ich für Schäden verantwortlich, die mein demenzkranker Angehöriger anrichtet?

Die rechtliche Betreuung hat nichts mit der Pflege oder mit der Beaufsichtigung des Demenzkranken zu tun. Es geht nur um die rechtliche Zuständigkeit in den vom Gericht festgelegten Aufgabengebieten, beispielsweise wenn für den Erkrankten ein Heimvertrag abgeschlossen werden muss. Wer ausschließlich Betreuer im rechtlichen Sinne ist, hat keine Aufsichtspflicht!

Pflegende Angehörige haben aber häufig eine zweifache Position: Zum einen sind sie Betreuer im rechtlichen Sinne, zum anderen übernehmen sie die Pflege und Beaufsichtigung und haben darüber unter Umständen eine Aufsichtspflicht. Für solche Familienangehörige ist es besonders wichtig, dass sie gut versichert sind. Verletzen sie nämlich ihre Aufsichtspflicht, haften sie für Schäden, die der Erkrankte verursacht.

Familienangehörige sind in der Regel ehrenamtliche Betreuer, keine Berufsbetreuer. Ehrenamtliche Betreuer sind über eine Sammelhaftpflicht-Versicherung des Bundeslandes versichert, in dem sie leben. Diese Versicherung zahlt, wenn der Betreuer Fehler macht und dadurch Schäden entstehen.

Allerdings greift diese Sammelhaftpflicht-Versicherung nur für die Bereiche, für die auch Betreuung angeordnet wurde. Besteht beispielsweise nur in finanziellen Angelegenheiten Betreuung, besteht auch nur Versicherungsschutz bei Fehlern in diesem Bereich. Auch deshalb sollten betroffene Angehörige auf einen ausreichenden privaten Haftpflichtversicherungsschutz achten.

Haften Berufsbetreuer für Schäden, die der demenzkranke Mensch angerichtet hat?

Berufsbetreuer werden in der Regel für bestimmte Bereiche eingesetzt, beispielsweise für Entscheidungen über die Gesundheit, über die Finanzen usw. Sie haben eine Berufshaftpflichtversicherung, die einspringt, wenn der Betreuer Fehler bei der Betreuung der ihm anvertrauten Personen macht und deshalb Schäden entstehen. Berufsbetreuer haften aber nur für Schäden in ihren jeweiligen Betreuungsbereichen, nicht für Schäden außerhalb dieser Bereiche.

Beim Thema Haftung macht es in der Praxis kaum einen Unterschied, ob jemand Berufsbetreuer oder ehrenamtlicher Betreuer ist. Wenn der Erkrankte einen Schaden verursacht hat, haften beide normalerweise nur, wenn sie auch die Aufsichtspflicht über den Hilfsbedürftigen hatten und diese Aufsichtspflicht verletzt haben.

Ich bin kein Betreuer, sondern habe eine Generalvollmacht für meinen demenzkranken Angehörigen. Hafte ich für Schäden, die der Angehörige anrichtet?

Grundsätzlich sind Familienmitglieder nicht automatisch zuständig, wenn ein Angehöriger an Demenz erkrankt ist. Mit einer Generalvollmacht darf man allerdings über alle Lebensbereiche der betreffenden Person entscheiden. Trotzdem ist man nicht unbedingt für Schäden verantwortlich, die der demenzkranke Mensch verursacht. Nur wenn man auch die Pflege und Beaufsichtigung des Erkrankten übernommen hat, also eine Aufsichtspflicht besteht, haftet man unter Umständen für Schäden, die der Betreffende verursacht hat.

Für Inhaber einer Generalvollmacht gibt es keine Pflichtversicherung. Der Bevollmächtigte sollte also unbedingt eine Haftpflichtversicherung haben, da er sonst unter Umständen für eventuelle Schäden mit seinem gesamten Privatvermögen haftet.

Fachliche Beratung:
Thorsten Rudnik, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein
Rechtsanwältin Charlotte Guckenmus, LL.M., Geschäftsführender Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins
Prof. Ronald Richter, Professor für Sozialrecht, HAW Hamburg