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Neues Jahr, neue Regeln. Bunte Tattoos sind nun schwieriger zu bekommen. Die neuen Regeln der EU schränken über 4000 Chemikalien ein. Sie sind auch in bunten Tattoofarben enthalten. Das führt zu Sorge: Bei Tattoostudios, weil sie viele Farben nicht mehr verwenden dürfen. Bei bunt Tätowierten, weil sie die verbotenen Farben schon unter der Haut haben. Und bei Menschen, die sich gern ein buntes Tattoo stechen lassen wollen.

Bis zu 120 verschiedene Inhaltsstoffe

„Die Inhaltsstoffe der Farben, das können bis zu 120 verschiedene chemische Substanzen sein,“ erklärt Professor Wolfgang Bäumler. Er leitet eine Forschungsgruppe an der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Regensburg. Er beschäftigt sich mit gesundheitlichen Auswirkungen von Tattoos und deren Entfernung mit Laser. „Zum einen industrielle Farbpigmente, die weit weg von einer pharmazeutischen Reinheit sind. Die haben die Form von wasserunlöslichem Pulver, das kann man nicht tätowieren. Also braucht man Lösungsmittel, Emulgatoren, Stabilisatoren, Konservierungsmittel und so weiter. Es gibt eigentlich keine Zulassung für die Stoffe, die verwendet werden. Man kann deswegen erstmal nicht davon ausgehen, dass alle Inhaltsstoffe von Tattoofarben unbedenklich sind“, so Bäumler.

Außerdem können einige Bestandteile von Tattoofarben eine allergische Reaktion auslösen.

Die Inhaltsstoffe verteilen sich im Körper

Bei einem Tattoo sticht man das Farbgemisch unter die Hautoberfläche. Aber es bleibt nicht nur dort, sagt Bäumler: „Für die Haut sind die Stoffe in den Tattoofarben Fremdkörper, die vor Ort verstoffwechselt oder über Lymphgefäße in den Körper abtransportiert werden. So wird etwa die Hälfte der Tattoofarben  innerhalb von wenigen Wochen aus der Haut wegtransportiert.“ Die Bestandteile der Farben sammelten sich dann in den Lymphknoten, in Tierversuchen auch in Leber und Niere, manche scheide der Körper aus.

„Einmal in die Haut tätowiert, ist das Ganze quasi eine Reise durch den ganzen Körper“, meint Professor Bäumler. Doch was genau mit den Stoffen im Körper passiert, das ist unklar: „Sehen Sie sich mal die Weltkarte im 15. Jahrhundert an. Ähnlich lückenhaft ist heute unser Wissen zum Thema Abtransport der Tattoofarben.“

Auch wenn das Tattoo der Sonne ausgesetzt ist, kann sich das auswirken: Dann zersetzen sich die Farbstoffe in der Haut und es entstehen möglicherweise gefährlicher Stoffe, die sich im Körper verteilen. Auch bei einer Tattooentfernung mittels Laser werden die Farbstoffe zersetzt.

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Die wenigsten Leute bekämen es mit, dass ein Teil der Pigmente in der Sonne ausbleicht oder abtransportiert wird, so Bäumler. Denn die industriellen Pigmente seien extrem farbkräftig.

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Die neue Verordnung soll Tattoos sicherer machen

In Deutschland gibt es schon seit 2009 eine Tätowiermittel-Verordnung. Darin stehen Stoffe, die nicht in den Produkten enthalten sein dürfen. Auf EU-Ebene gab es bisher keine einheitlichen Regeln. Deswegen hat die EU-Kommission die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) beauftragt, solche Regelungen zu erarbeiten. Das Ergebnis: Die REACH-Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe wurde geändert.

REACH gibt es seit 2006. Die Verordnung soll die menschliche Gesundheit und die Umwelt schützen. Der Grundsatz: Die Hersteller, Importeure und Anwender übernehmen Verantwortung für ihre Chemikalien. Das bedeutet, dass sie garantieren müssen, dass ihre Produkte sicher sind. Ohne vorgelegte Daten zur Sicherheit dürfen die Chemikalien nicht auf den Markt.

Die neue, veränderte Verordnung gilt seit dem 04. Januar 2022. Die Tattoostudios hatten 12 Monate Zeit, sich um Ersatzfarben zu kümmern. Und die Hersteller hatten auch Zeit, die Daten zur Sicherheit zu liefern.

Das steht in der Verordnung

Die Verordnung beschränkt über 4000 gefährlichen Chemikalien in Tätowierfarben und Permanent Make-up. Darin stehen Höchstkonzentrationsgrenzwerte für einzelne Stoffe in Tätowierfarben oder Permanent Make-Up. Dazu gehören etwa Azofarbstoffe, krebserzeugende aromatische Amine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Metalle und Methanol.

Insgesamt werden Stoffe verboten, die

· Krebs verursachen

· das Erbgut schädigen

· die Entwicklung stören

· die Fortpflanzung schädigen

· die Augen reizen

· die Haut reizen

· manche Stoffe, die Allergien auslösen

Sie verbietet außerdem Stoffe in Tätowiermitteln, die schon in Kosmetika beschränkt sind. Denn Stoffe, die man nicht einmal auf die Haut auftragen sollte, die sollte man auch nicht in die Haut spritzen.

Professor Bäumler erklärt die strengen Regulierungen so: „Momentan ist das ein Analogieschluss. Diese Tätowierfarben enthalten Substanzen, die der Gesundheit nicht zuträglich sind. Da geht man erstmal davon aus, dass das nicht gut ist und verbietet sie.“

Diese Farben sind jetzt eingeschränkt

Alle Farben, in denen eine der etwa 4200 beschränkten Chemikalien enthalten ist, dürfen nicht mehr auf dem Markt sein.

19 Farben werden verboten, weil sie auch für Kosmetik verboten sind. Besondere Aufmerksamkeit gibt es für die Farben Grün und Blau. Genauer gesagt geht es um den blauen Phthalocyanin-Farbstoff (Pigment Blue 15:3) und den grünen Phthalocyanin-Farbstoff (Pigment Green 7). Nicht nur bei diesen beiden gibt es nicht genug Informationen über ihre Gefahreneigenschaften und über das Gesundheitsrisiko. Deswegen ist zum Beispiel ein Krebsrisiko nicht ausgeschlossen. Für die meisten Farben gibt es unbedenklichen Ersatz. Nur bei Blau und Grün gibt es keine guten Alternativen. Deswegen werden sie noch nicht direkt verboten: Die Hersteller haben noch bis zum 04. Januar 2023 Zeit, um Grün und Blau anders zu produzieren.

Zu wenig Daten über die alten Farben

Für Professor Bäumler kommt die neue Verordnung zu spät: Schon vor 20 Jahren hatte er sich für EU-weite Regulierungen eingesetzt. Dass die Regulierungen heute so gemacht wurden, läge daran, dass es kaum Daten zum Transport und zur Wirkung von Tattoofarben im Körper gebe: „Die Zeit hätte man nutzen können, solche Untersuchungen zu machen: Wie verteilen sich die Substanzen? Was bedeuten bedenkliche Stoffe für den tätowierten Menschen? Ist das ein wirkliches Risiko oder gibt es bei einer gewissen Menge keine messbaren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen?“

Er wünscht sich dazu Studien, zum Beispiel eine prospektive Kohortenstudie: Dabei vergleicht man die Gesundheit von Menschen über einen festgelegten Zeitraum. Man schaut, ob bestimmte Merkmale, wie etwa Tattoos, damit in Zusammenhang stehen.

Die Verordnung basiert also nicht auf solchen Fakten, sondern es wird das mögliche Risiko einzelner Substanzen betrachtet. Bäumler ordnet ihre Bedeutung ein: „Gesundheitsbedenklich heißt noch nicht, dass es automatisch damit für den Körper schädlich ist. Da spielen auch die Menge und die Verweildauer von solchen Substanzen im Körper eine Rolle.“

Was genau die Tattoo-Farben im Körper machen, ist unklar

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Die Hersteller müssen Daten liefern

Obwohl die Hersteller 12 Monate Zeit hatten, Daten zu liefern, sei nichts Essentielles passiert, so Bäumler. Er vermutet: „Wir haben keine Tattooindustrie in dem Sinne. Wir haben viele kleinere Firmen, die den Weltmarkt versorgen. Die darf man nicht vergleichen mit einem großen pharmazeutischen Unternehmen oder mit einem Kosmetik-Unternehmen. Da bin ich mir nicht sicher ob die willens oder in der Lage sind, auf diese Regulierung zu reagieren.“

Eine Analyse von Tattoofarben sei extrem aufwendig, das sei komplexe Chemie. Auch für die Landesbehörden in Deutschland seien solche Analysen eine Herausforderung. Denn sie müssten die Tattoo-Studios kontrollieren. „Eine Regulierung ist eben nur so gut wie sie auch kontrolliert wird“, fasst der Experte das Problem zusammen.

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Was muss ich beachten, wenn ich mir ein buntes Tattoo stechen lassen will?

Eigentlich wäre es gut, wenigstens zu wissen, was in den Farben enthalten ist. Aber: „Das wissen zum Teil die Tätowierer auch nicht genau, dafür braucht man schon fast ein Chemiestudium“, sagt Bäumler. „Das ist letztendlich immer ein eigenes Risiko, wenn man sich tätowieren lässt.“

Man könne nur bei der Wahl des Tattoo-Studios aufpassen.  Die Hygiene und die Fachkunde im Studio spielten eine wichtige Rolle. Auf keinen Fall solle man sich zum Beispiel im Urlaub am Strand  ein Tattoo stechen lassen.

Die neue Verordnung schreibt theoretisch Folgendes vor:

Auf Tattoofarben muss jetzt eine Kennzeichnung sein, wenn Nickel und Chrom enthalten sind. Einige Menschen sind allergisch auf Nickel und Chrom. Nachfragen sollte in jedem Fall, wer etwa allergisch auf Schmuck mit Nickel ist.

Außerdem sollte auf den verwendeten Farben stehen: „Gemisch zur Verwendung in Tätowierungen oder Permanent Make-up“. Dann kann man sich sicherer sein, dass die Farbe den neuen Vorschriften entspricht.

Und: Fragen kostet nichts! Man kann ganz einfach im Studio nachfragen, ob die Farben der neuen EU-Verordnung entsprechen. Damit bekommt man zumindest einen Eindruck, ob sich das Studio damit auseinandersetzt.

Quellen

Umweltbundesamt: Chemikalien/Reach. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/reach-chemikalien-reach (abgerufen am 13.01.2022)

Europäische Kommission: Verordnung (EU) 2020/2081 Der Kommission vom 14. Dezember 2020 zur Änderung des Anhangs XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) betreffend Stoffe in Tätowierfarben oder Permanent-Make-up. Online:  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32020R2081 (abgerufen am 13.01.2022)

Bundesamt für Risikobewertung: Tätowiermittel: Risikoeinschätzung von Pigment Blau 15:3 und Pigment Grün 7. Online: https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/taetowiermittel-risikoeinschaetzung-von-pigment-blau-15-3-und-pigment-gruen-7.pdf (abgerufen am 13.01.2022)

Europeam Chemicals Agency (ECHA): Tätowierfarben und Permanent Make-up. Online: https://echa.europa.eu/de/hot-topics/tattoo-inks (abgerufen am 13.01.2022)