Chronisch lymphatische Leukämie (CLL)
Was ist eine chronisch lymphatische Leukämie (CLL)?
Bei der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) vermehren sich bestimmte weiße Blutkörperchen, die B-Lymphozyten, ungebremst. Es handelt sich hierbei um eher funktionsuntüchtige B-Lymphozyten, welche keine Krankheitserreger bekämpfen können. Diese B-Lymphozyten sammeln sich vor allem im Knochenmark, Blut, Lymphknoten, Milz und Leber an. Im Verlauf kommt es zunehmend zu einer Beeinträchtigung der normalen Blutbildung und einer Funktionseinschränkung der betroffenen Organe. Es entsteht ein Mangel an Blutplättchen sowie weißen und roten Blutkörperchen, was sich unter anderem in einer Blutungsneigung, einer Leistungsminderung und einer erhöhten Infektanfälligkeit äußert.
2014 erkrankten in Deutschland etwa 13.700 Menschen an einer Leukämie, bei 40 Prozent wurde eine chronisch lymphatische Leukämie diagnostiziert. Fast die Hälfte aller Patienten ist älter als 75 Jahre. Männer erkranken häufiger als Frauen.
Ursachen und Risikofaktoren für eine CLL
Die genauen Ursachen für die Entwicklung einer CLL sind noch unklar. Vermutlich kommt es im Verlauf des Lebens zu verschiedenen Veränderungen an der Erbsubstanz von B-Lymphozyten. Werden diese vom Körper nicht "repariert", können sie dazu führen, dass die Zellen nicht absterben und sich immer weiter teilen. Möglicherweise spielt bei der Entstehung der CLL auch eine genetische Veranlagung eine Rolle. Je älter ein Mensch ist, desto eher kann er prinzipiell an der CLL erkranken.
Bestimmte Umweltfaktoren und Lebensgewohnheiten können vermutlich das Risiko erhöhen, an einer chronischen lymphatischen Leukämie zu erkranken. Dazu zählen unter anderem bestimmte chemische Substanzen wie beispielsweise Benzol.
Symptome einer CLL
Anfangs treten bei einer chronischen lymphatischen Leukämie oft keine Symptome auf. Meist wird sie zufällig bei einer Routineuntersuchung des Blutes festgestellt, da die weißen Blutkörperchen im Blut erhöht sind (Leukozytose beziehungsweise Lymphozytose).
Durch eine vermehrte Ansammlung der entarteten B-Lymphozyten in den lymphatischen Organen kommt es zu einer schmerzlosen Schwellung der Lymphknoten. Ebenfalls kann es durch eine vermehrte Ansammlung in der Milz zu einer Milzvergrößerung kommen.
Schreitet die Erkrankung fort, kann es zu typischen Beschwerden durch eine eingeschränkte Blutbildung im Knochenmark kommen. Durch einen Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten) kann es zu einer Blutarmut (Anämie) kommen, welche sich durch Abgeschlagenheit, Leistungsknick, Müdigkeit und Blässe äußert.
Aufgrund eines Mangels an Blutplättchen (Thrombozyten) kann es zu einer erhöhten Blutungsneigung kommen. Nasenbluten, Schleimhautblutungen und Blutergüsse treten dann häufiger auf.
Aufgrund des Mangels an funktionstüchtigen weißen Blutzellen kommt es zu einer erhöhten Infektanfälligkeit.
Seltener treten sogenannte "B-Symptome" auf. Dazu zählen Fieber, verstärkter Nachtschweiß und starker Gewichtsverlust. Unter Nachtschweiß versteht man ein starkes nächtliches Schwitzen, bei dem der Betroffene mit nasser, durchgeschwitzter Nachtwäsche aufwacht und diese wechseln muss. Von starkem Gewichtsverlust spricht man, wenn über zehn Prozent des Ursprungsgewichts innerhalb von sechs Monaten abgenommen werden, ohne dass eine gewollte Gewichtsreduktion durch eine Diät erfolgte.
Diagnose einer CLL
Zunächst führt der Arzt ein ausführliches Gespräch über bestehende Beschwerden und mögliche Risikofaktoren (Anamnese) durch. Dann tastet er unter anderem Lymphknoten, Milz und Leber ab, da diese Organe bei einer chronischen lymphatischen Leukämie vergrößert sein können.
Um festzustellen, ob möglicherweise eine CLL vorliegt, erfolgt eine Blutuntersuchung. Bei einer chronischen lymphatischen Leukämie ist die Gesamtzahl der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und besonders der Anteil der Lymphozyten deutlich erhöht. Dies wird durch ein sogenanntes Differenzialblutbild, in welchem der jeweilige Anteil der weißen Blutkörperchen an der Gesamtmenge bestimmt wird, festgestellt. Gleichzeitig kann die Menge an roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) verringert sein. Das ist dann ebenfalls im Blutbild zu erkennen.
Auf einem dünnen Glasplättchen wird zusätzlich ein Bluttropfen ausgestrichen (der Blutausstrich), eingefärbt und unter dem Mikroskop untersucht. Bei einer CLL finden sich viele kleinere Lymphozyten. Außerdem können sogenannte Gumprechtsche Kernschatten gefunden werden, welcher durch eine mechanische Zerstörung der Zelle beim Ausstrich entsteht. Sie sind ein charakteristisches Zeichen einer CLL, kommen aber auch bei anderen Erkrankungen vor.
Auf den Lymphozyten werden durch die so genannte Immunphänotypisierung bestimmte Merkmale an der Zelloberfläche (Oberflächenmarker) nachgewiesen. Tragen alle Zellen die gleichen Merkmale, zeigt dies, dass es sich um Tumorzellen handelt, die alle von einer Ursprungszelle abstammen.Die Diagnose einer CLL gilt als gesichert, wenn eine bestimmte Anzahl (mindestens 5.000 /µl beziehungsweise 5x10⁹/l) B-Lymphozyten im Blut vorliegt und diese alle die gleichen typischen Oberflächenmarker aufweisen.
Eine Untersuchung des Knochenmarks ist nicht unbedingt notwendig, um die Diagnose zu sichern. Sie kann jedoch im Krankheitsverlauf erforderlich werden. Und zwar dann, wenn es zu unklaren Veränderungen im Blutbild kommt oder der Arzt beurteilen muss, ob oder wie gut die Erkrankung auf die Therapie anspricht. Bildgebende Verfahren – wie eine Ultraschall-Untersuchung (Sonografie) oder eine Computertomografie (CT) – helfen, vergrößerte Organe und Lymphknoten im Körperinneren zu beurteilen.
Zur Einschätzung, wie weit sich die Erkrankung im Körper ausgebreitet hat, wird in Europa die Stadieneinteilung nach Binet verwendet (siehe seperaten Kasten unten).
Stadieneinteilung nach Binet
Stadium
|
vergrößerte Lymphknoten / Organregion |
Hämoglobin (Hb-Wert) |
Thrombozytenzahl |
---|---|---|---|
A |
maximal zwei |
≥ 10 g/dl |
≥ 100 000/μl |
B |
mindestens drei |
≥ 10 g/dl |
≥ 100 000/μl |
C |
unabhängig |
< 10 g/dl |
und/oder < 100 000/μl |
Therapie einer CLL
Eine CLL tritt meist erst in höherem Lebensalter auf und schreitet nur langsam fort. Deshalb beginnen Ärzte nicht zwingend sofort bei Diagnosestellung mit einer Therapie. Ist die Erkrankung noch nicht ausgebreitet (Stadium Binet A oder B) und ist der Patient beschwerdefrei, erfolgt zunächst eine regelmäßige Kontrolluntersuchung des Patienten sowie Blutentnahmen, um den Verlauf zu überwachen. Diese Strategie nennt sich "Watch and Wait".
Ist die Erkrankung schon weiter fortgeschritten (Stadium Binet C) beziehungsweise hat der Patient Beschwerden oder verschlechtern sich die Blutwerte, ist eine Therapie sinnvoll. In der Regel ist dies eine sogenannte Chemoimmunotherapie. Gebräuchlich ist dabei die Kombination eines Zytostatikums (Chemotherapie) mit einem monoklonalen Antikörper, wie beispielsweise Rituximab, Ofatumumab oder Obinutuzumab. Die Leukämiezellen besitzen auf ihrer Oberfläche Merkmale, gegen die sich diese Antikörper gezielt richten. Binden die Antikörper an die Leukämiezellen, sterben diese in der Folge. Patienten, deren Leukämiezellen eine bestimmte erworbene Genveränderung tragen (del 17p und/oder TP53-Mutation), erhalten eine Behandlung mit einer zielgerichteten Substanz (Ibrutinib, Idelalisib, Venetoclax), gegebenenfalls in Kombination mit einem Antikörper.
Welches Behandlungsschema zum Einsatz kommt, wird durch mehrere Faktoren mitbestimmt (unter anderem Alter, Begleiterkrankungen, Organfunktion, genetische Untersuchungen) und auf den einzelnen Patienten zugeschnitten. Therapeutisches Ziel ist es, Symptome zu lindern, das Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern und die Lebensqualität zu verbessern. Eine dauerhafte Heilung der CLL ist meist nicht möglich.
Für älteren Patienten werden entsprechend dem Gesundheitszustand und vorliegenden Begleiterkrankungen möglichst gut verträgliche Substanzen und Kombinationen ausgewählt. Ist ein jüngerer Mensch an der CLL erkrankt, zielt die Behandlung darauf ab, die Leukämiezellen für möglichst lange Zeit komplett zurückzudrängen. Die Therapie ist dafür entsprechend intensiver.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit junger und fitter Patienten ist die allogene Stammzellentransplantation. Diese intensive Behandlung ist aber mit einer hohen Komplikationsrate behaftet und kommt daher nur für wenige Patienten in Betracht. Hierbei werden dem Patienten fremde Blutstammzellen eines gesunden Spenders transplantiert. Bei rasch fortschreitender Erkrankung kann diese Transplantation die Erkrankung komplett zurückdrängen und die CLL eventuell sogar heilen.
Die CLL an sich, aber auch die Behandlung und Therapie bringen oft unerwünschte Begleiterscheinungen mit sich. Übelkeit, Erbrechen und auch Durchfall können auftreten. Patienten fühlen sich sehr müde und erschöpft (Fatigue-Syndrom). Zudem bekommen sie leichter Infekte, die aufgrund des geschwächten Immunsystems schwerer verlaufen können als bei gesunden Menschen. Manchmal ist auch die Blutungsneigung erhöht. Das heißt, Verletzungen heilen langsamer zu, Schnittwunden bluten länger. Die Lebensqualität der Patienten kann jedoch mit unterstützenden Therapien wesentlich verbessert werden. So können Medikamente gegen bestehende Übelkeit oder Durchfall verordnet werden. Bei einer Blutarmut (Anämie) können Bluttransfusionen helfen. Begleitende Infekte sollten zügig erkannt und therapiert werden. In bestimmten Situationen kann es auch sinnvoll sein, vorbeugend gegen Infektionen zu behandeln. Patienten sollten dies individuell mit ihrem Arzt besprechen.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
Mehr Informationen finden Sie auch beim Krebsinformationsdienst