Rheuma bei Kindern
Rheuma? So etwas haben doch nur alte Leute! Von wegen: "In Deutschland leiden etwa 40.000 Kinder und Jugendliche an rheumatischen Erkrankungen", erklärt die Würzburger Kinderärztin Prof. Dr. Martina Prelog. Die jüngsten Patienten sind knapp zwei Jahre alt. Autoimmunerkrankungen können generell sogar schon im Säuglingsalter auftreten.
Rheuma: Fehlfunktion des Immunsystems
Grob gesagt greift dabei das Immunsystem den Körper an und verursacht schmerzhafte Entzündungen. Sie können sich fast überall im Körper, auch in Organen, abspielen. Entsprechend viele Krankheitsbilder gibt es. Beim Gelenkrheuma etwa sind hauptsächlich die Gelenke entzündet. Die juvenile idiopathische Arthritis ist die häufigste rheumatische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter und betrifft mehr als die Hälfte der Patienten in kinderrheumatologischen Praxen.
Rheuma verläuft oft schubförmig. Nach einem Anfall kommt es zu einer Ruhephase und nach einer gewissen Zeit erneut zu Beschwerden. Auslöser sind sogenannte Gedächtnis-T-Lymphozyten, die die Erinnerung an frühere Angriffe speichern. Sie ziehen sich, zeigen neue Studien, wenige Wochen ins Knochenmark oder andere lymphatische Organe zurück und schlummern dort bis zum nächsten Anfall. "Was einen Schub auslöst, wissen wir nicht: Es können Infekte sein, physikalische Reize oder Stress", erklärt die Expertin.
Ursachen von Rheuma unbekannt
Die Ursachen für die Fehlfunktion im Immunsystem sind nur zum Teil geklärt. "Rheuma", sagt Prelog, "hat viele Faktoren, unter anderem können Patienten eine genetische Neigung dazu haben und diese auch an ihre Kinder vererben." Eine ihrer Studien zeigte: Bei Kindern mit Autoimmunerkrankungen scheint das Immunsystem vorzeitig gealtert zu sein. "Es ist, wie bei älteren Menschen, nicht mehr so fit, reagiert nicht mehr so flexibel auf Angriffe von außen, ist aber auch sich selbst gegenüber nicht mehr so tolerant", erklärt die Expertin. Auch Infektionserkrankungen lösen manchmal Rheuma aus.
Ein Drittel ist als Erwachsener symptomfrei
Betroffene müssen schnell behandelt werden. Das verhindert, dass Gelenke oder Organe geschädigt werden. Rheuma ist oft eine schwere Erkrankung. Und dennoch: "Kinder-Rheumatologie hat auch etwas sehr Schönes", sagt die Expertin. "Wir haben heute potente, sichere Medikamente. Die Kinder können normale Schulen besuchen, meist auch den Sportunterricht. Studien zeigen sogar, dass sie im Schnitt einen besseren Schulabschluss und eine bessere Ausbildung erreichen als Gleichaltrige", so Prelog. Das hänge vielleicht damit zusammen, dass sie wegen der aufwendigen Behandlung früher selbstständig werden müssten. Die wirklich gute Nachricht: Bei einem Drittel der Kinder verschwinden die Symptome bis zum Erwachsenenalter durch den natürlichen Reifungsprozess des Immunsystems.
Rheuma: Vielschichtige Behandlung
Die Behandlung richtet sich nach der Schwere der Krankheit. "Da hat sich in den letzten 20 Jahren viel verbessert", so Prelog. In einer ersten Stufe erhalten die Kleinen entzündungshemmende Medikamente. Als Basistherapie geben Ärzte etwa Methotrexat, das den Folsäurestoffwechsel der Abwehrzellen hemmt. "Kortison kommt eher überbrückend zum Einsatz oder wird direkt in das entzündete Gelenk eingebracht, denn die Basistherapie braucht Zeit, bis sie greift", sagt Prelog. Eine Revolution in der Therapie von Autoimmunerkrankungen ist die Entwicklung sogenannter Biologika. Diese wirken vor allem auf Botenstoffe (Zytokine) des Immunsystems und Oberflächenmoleküle von Entzündungszellen. "Bei diesen neuartigen Therapien, die gezielt in das fehlgesteuerte Immunsystem eingreifen, hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan", sagt Prelog. Unterstützend helfen auch physikalische Anwendungen wie Kälte und Wärme. Wichtig für alle: gezielte Krankengymnastik und Bewegung.