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Es sind Zahlen, die einen vorsichtigen Optimismus zulassen. Die Sterberate bei Covid-19-Patienten, die an deutschen Unikliniken stationär behandelt wurden, ist laut einer Studie der Uni Erlangen im Laufe des Jahres 2020 deutlich gesunken.

Die durchschnittliche Sterberate von anfangs 20,7 Prozent im Zeitraum von Januar bis April fiel auf 12,7 Prozent im Zeitraum von Mai bis September. Bei Patienten, die beatmet werden mussten, verringerte sich die Sterblichkeit ebenfalls im Lauf der Monate.

Verbesserte Therapie

„Diese Entwicklung könnte mit Veränderungen der Therapie zusammenhängen“, sagt Frank Wappler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI). Mitte des letzten Jahres habe man einen Überlebensvorteil bei Intensivpatienten gefunden, denen man das Cortison-Präparat Dexamethason verabreicht habe. „Seitdem gilt Dexamethason als elementarer Bestandteil der Therapie von Intensivpatienten mit COVID-19.“

Zudem hat man schon früh erkannt, dass COVID-19-Patienten nicht nur an schweren Lungenentzündungen und Lungenversagen sterben. Sie leiden auch auffällig häufig an Lungenembolien und ganz allgemein an Thrombosen. „Dadurch kam die Idee auf, Thrombosen vorzubeugen, indem man blutverdünnende Medikamente in höherer Dosis gibt als es üblich ist“, so Wappler. „Das ist dann tatsächlich in die Therapie eingeflossen und könnte mit zu dem Rückgang der Sterberaten geführt haben.“

Gefahr durch neue Virusvarianten

Angesichts der neuen Varianten von SARS-COV-2 stellt sich allerdings die Frage, ob man auch weiterhin mit einer geringeren Sterblichkeit rechnen kann. Eine britische Studie kam kürzlich zu folgendem Ergebnis: Im Vergleich zu den herkömmlichen Varianten war das Risiko innerhalb der nächsten vier Wochen zu versterben für Menschen, die sich mit der britischen Virusvariante B.1.1.7 infiziert hatten, um 64 Prozent höher als für Menschen, die mit anderen Varianten infiziert waren.

Statt 2,5 Todesfällen pro 1.000 positiv getesteten Personen waren es 4,1. Die Therapie könnte sich möglicherweise auch erschweren. Untersuchungen berichten beispielsweise von Resistenzen der britischen und südafrikanischen Variante gegenüber den monoklonalen Antikörpern, einer Behandlungsmethode, die gegen SARS-CoV-2 in Erprobung ist.

Nachtrag: Weitere Studienergebnisse zur britischen Variante

Zwei weitere im April 2021 veröffentlichte Studien stellten keine erhöhte Sterblichkeit durch die britische Virusvariante fest. Die Studien wurden in den Fachmagazinen «The Lancet Infectious Diseases» und «The Lancet Public Health» veröffentlicht. 

In der ersten Studie untersuchten Forscher des University College London mit PCR-Tests die Viruslast von Infizierten und werteten die in diesem Zeitraum aufgetretenen schweren Verläufe und Todesfälle aus. Bei Infizierten mit der sogenannten britischen Variante stellten sie eine höhere Viruslast fest. Der Anteil der Patienten, die an Covid-19 starben, war jedoch bei der Variante nicht erhöht.

Die zweite Studie wertete Symptome von Covid-Patienten aus, die diese über eine App des Gesundheitssystems meldeten. Mittels Gensequenzierung stellten sie zudem fest, an welcher Corona-Variante die Betroffenen erkrankt waren. Auch diese Studie stellte keine signifikanten Unterschiede bei der Schwere der Erkrankung sowie bei nachweisbaren Langzeitwirkungen einer Infektion fest. Die Forscher wiesen jedoch für die britische Variante eine deutliche Erhöhung des R-Wertes nach, der die Entwicklung der Pandemie beschreibt. Das spricht ebenfalls für eine erhöhte Übertragbarkeit der Variante.

Immer mehr jüngere Intensivpatienten

Vor diesem Hintergrund könne man natürlich über einen möglichen Anstieg der Sterberate spekulieren, sagt Frank Wappler. „Schon jetzt können wir beobachten, dass sich die Patienten verändern, die auf der Intensivstation behandelt werden.“ Anfangs waren es vor allem sehr alte Patienten und Patienten mit vielen Vorerkrankungen. „Mittlerweile hingegen kommen Patienten im Alter zwischen 50 bis 70 Jahren auf die Intensivstation.“

Zu ihnen gesellen sich laut Wappler Menschen, die sich in ihren Zwanzigern befinden und die möglicherweise auch grundlegend deutlich gesünder sind. „Die Gründe dafür sind vielfältig“, sagt er. „Wir haben es mit deutlich aggressiveren Virusvarianten zu tun.“ Sie könnten für die schweren Erkrankungen von jüngeren Patienten verantwortlich sein.

Außerdem seien die neuen Virusmutanten infektiöser. So könnten sich auch jüngere Menschen leichter damit anstecken als mit der ursprünglichen Variante.

Überschätzte Gefahr?

Tobias Welte sieht das anders. „Ich gehe nicht davon aus, dass die Virusvarianten die Sterblichkeit erhöhen werden“, so der Direktor der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Die britische Virusvariante sei ansteckender. „Sie ist aber aus meiner Sicht nicht tödlicher.“ Zwar gebe es Studien, die von einer höheren Tödlichkeit von B.1.1.7 berichten. „Sie haben allerdings die Überlastung des Gesundheitssystems in England nicht berücksichtigt.“

Als im Januar die Zahl der Neuinfektionen extrem nach oben gegangen ist, kollabierte das Gesundheitssystem für einige Wochen. Denn England verfügt über deutlich weniger Krankenhaus- und Intensivbetten als Deutschland. „Damit stieg die Sterblichkeit natürlich an, sagt Welte. „Und das war genau die Zeit, als sich die britische Virusvariante verbreitete.“

Nach einem harten Lockdown und umfangreichen Impfungen habe Großbritannien relativ geringe Neuinfektionszahlen und sehr niedrige Sterblichkeitszahlen. „Und das obwohl sie quasi zu 100 Prozent die britische Virusvariante haben.“

Auch bei den südafrikanischen und brasilianischen Virusvarianten befürchtet Welte keine höhere Sterblichkeit auf den Intensivstationen. „Wir wissen noch gar nicht, ob sie sich hierzulande gegenüber der sehr ansteckenden britischen durchsetzen werden. Außerdem sind die Daten aus den Ursprungsländern Südafrika und Brasilien noch sehr unvollständig."

Überlastung des Gesundheitssystems?

Doch könnte es nicht auch hierzulande zu einer ähnlichen Überlastung des Gesundheitssystems und auch zu einer steigenden Sterblichkeit kommen durch ansteckendere Virusvarianten? Tobias Welte glaubt das nicht: „Die Zahl der COVID19 Patienten auf Intensivstationen steigt zwar an, aber es bestehen weiter erhebliche Reserven im deutschen Gesundheitssystem."

Es könne möglicherweise regional zu Überlastungen kommen. Das müsse man dann durch Verlegungen in andere Häuser lösen, aber eine generelle Überlastung sei zurzeit nicht absehbar. "Man darf ja auch in diesem Zusammenhang eines nicht verkennen", sagt Welt: "Die Krankenhäuser haben während der ersten Welle erhebliche Mittel bekommen, um Intensivkapazitäten für COVID19 aufzubauen.

Christian Karagiannidis, der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters beurteilt die Lage weniger optimistisch und appellierte via Twitter an die politischen Entscheidungsträger, Maßnahmen zur Senkung der Inzidenzen zu ergreifen.

Auch der ehemalige Divi-Präsident Uwe Janssens äußerte gegenüber den Sendern RTL/ntv die Befürchtung, dass einige Krankenhäuser bei einer Auslastung zwischen 5000 und 6000 belegten Intensivbetten bald wieder auf Notbetrieb umstellen müssten.