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Was bedeutet sexualisierte Gewalt?

Sexualisierte Gewalt ist jede Form von Gewalt, die einen sexuellen Anteil hat. Das beginnt bereits bei sexuellen Anspielungen, obszönen Wörtern oder Gesten, geht über das unerwünschte Zeigen von Genitalien oder Zusenden von Bildern von diesen (sogenannte „Dickpicks“) bis hin zu unerwünschten Berührungen oder Vergewaltigung.

Bei all diesen Handlungen ist die sexuelle Aktion nur ein Mittel, um Macht und Gewalt gegenüber einem anderen Menschen zu demonstrieren und auszuüben.

Sexualisierte Gewalt kommt daher häufig in Abhängigkeitsverhältnissen vor.

Was ist der Unterschied zu sexueller Gewalt?

Im Grunde genommen geht es hier darum, die Dinge besser voneinander abzugrenzen. Der Begriff sexualisierte Gewalt betont, dass es sich hier vor allem um eine spezielle (sexualisierte) Form der Gewalt handelt. Die Sexualität ist nur Mittel zum Zweck der Gewaltausübung. Damit ein Unterschied zu freiwilligen, einvernehmlichen sexuellen Handlungen klar wird, nutzt man inzwischen eher den Begriff der sexualisierten Gewalt statt der „sexuellen Gewalt“.

Ich bin mir unsicher, ob ich von sexualisierter Gewalt betroffen bin

Viele Opfer von sexualisierter Gewalt fühlen sich nach der Tat beschämt, befinden sich in einem Schock oder können die Ereignisse nicht mehr richtig einordnen, eventuell auch weil sie nicht mehr zurechnungsfähig waren. Zur besseren Einordnung, ob man sexualisierte Gewalt erfahren hat, helfen die folgenden Punkte. Von sexualisierter Gewalt kann man immer dann sprechen, wenn:

  • Die Handlungen gegen den eigenen Willen, beziehungsweise die eigene Zustimmung passierten
  • Man diesen Handlungen nicht bewusst ablehnen oder zustimmen konnte – zum Beispiel, wenn die betroffene Person bewusstlos war oder ihre eigenen Handlungen nicht (mehr) begreifen oder steuern konnte. Das kann allles der Fall sein bei starkem Alkoholeinfluss oder wenn K.O.-Tropfen oder andere Drogen zum Einsatz kamen. Auch, wenn die betroffene Person zwar wach ist, aber unter Schock, wie versteinert wirkt und nicht mehr „normal“ reagiert kann nicht von einer Zustimmung ausgegangen werden.
  • Kinder (Personen unter 14 Jahren) betroffen sind (hier spricht man von sexuellem Missbrauch)

Wo passiert sexualisierte Gewalt?

Die meisten Fälle passieren im direkten persönlichen Umfeld wie Arbeitsplatz, Familie oder Freundeskreis. Auch in Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen kann es zum sexualisierter Gewalt gegenüber den betreuten Personen kommen.

Charakteristisch ist häufig ein Machtgefälle oder Abhängigkeitsverhältnis. Aber im Grunde kann uns sexualisierte Gewalt überall begegnen: im Netz, auf der Geburtstagsfeier, beim Konzert der Lieblingsband.

Wo gibt es Hilfe für Betroffene?

Frauen und Mädchen sind deutlich häufiger von sexualisierter Gewalt betroffen als Männer, daher sind viele Angebote direkt an sie gerichtet. So zum Beispiel das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, erreichbar unter 116 016. Dies ist ein Angebot des Bundesamts für Familie. Auf der Website des Hilfetelefons ist auch eine Beratung per Sofort-Chat, Online, in anderen Sprachen und auf Gebärdensprache möglich. Viele Gemeinden oder Städte haben inzwischen eigene Beratungsstellen eingerichtet, die online, per Telefon oder Chat erreichbar sind. Ansprechstellen sind auch Frauenhäuser.

Für Männer, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, gibt es ebenfalls eigene Beratungsangebote, wie die Männerberatung Schleswig-Holstein oder das Münchner Informationszentrum für Männer. Alle Angebote richten sich auch an Nicht-Betroffene, die sexualisierte Gewalt in ihrem Umfeld vermuten und die Beratung wünschen, wie man am besten helfen kann.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat auch eine Übersichtsseite mit Anlaufstellen für Betroffene und ihr Umfeld erstellt.

Mir wurde sexualisierte Gewalt angetan – was soll ich tun?

Suchen Sie einen sicheren Ort auf, wo Sie Hilfe finden. Zum Beispiel bei anderen Familienmitgliedern, bei einer Freundin/einem Freund, in einem Krankenhaus, oder der Polizei.

Sprechen Sie mit jemandem, dem Sie vertrauen über die Tat. Die genannten Hilfetelefone und Anlaufstellen sind speziell ausgebildet, um Personen in einer solchen psychischen Ausnahmesituation zu helfen. Auch zu eventuellen rechtlichen Schritten können Sie hier beraten werden.

Wägen Sie ab, ob Sie medizinische Hilfe benötigen. Es gibt Krankenhäuser, die eine „vertrauliche Spurensicherung“ anbieten. Diese wird auch von den gesetzlichen Krankenversicherungen gezahlt. Nach einer Spurensicherung muss nicht zwingend eine Anzeige erstattet werden, die Daten werden bei der vertraulichen Spurensicherung nur dann an die Polizei weitergeleitet, wenn die betroffene Person es ausdrücklich wünscht. Es gibt zudem noch die „anonyme Spurensicherung“. Hierbei werden die Daten unter einem Pseudonym gespeichert und nur dann entschlüsselt, wenn die Betroffenen das – zum Beispiel bei einer Strafanzeige - wünschen.

Je früher mögliche Beweise gesichert werden, desto aussagekräftiger können diese sein.

Lassen Sie sich beraten wie Sie rechtliche Schritte einleiten können. Auch die Polizei hat hier spezielle Anlaufstellen für Opfer von Gewalt, bei denen zum Beispiel die Aussagen vor so wenig Personen wie möglich stattfinden.

Dieser Artikel beschäftigt sich explizit mit sexualisierter Gewalt gegenüber Erwachsenen. Wenn Sie Beratung bei sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen benötigen, finden Sie auf https://www.hilfe-telefon-missbrauch.online/ oder unter der Telefonnummer 0800 2255 530 Hilfe.

Fachliche Beratung: Martina Rudolph, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Spezielle Traumatherapie (DeGPT, EMDRIA), Leitende Ärztin an der Klinik am Waldschlößchen, Fachklinik für Psychosomatische Medizin und Zentrum für Psychotraumatherapie in Dresden


Quellen: