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Nein, Zeit heilt nicht alle Wunden. Emilie Buhl, Wundexpertin der Deutschen Dia­betes Gesellschaft (DDG) und der Initiative Chronische Wunden am Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup, versorgt täglich Menschen mit Diabetes, deren Fuß- oder Beinwunden sich nicht schließen. Manche reichen bis auf den Knochen. „Sehen wir innerhalb von sechs Wochen keine Heilungstendenz, sprechen wir von einer chronischen Wunde“, sagt die Krankenschwester.

Eine Amputation abwenden

Das sogenannte Diabetische Fußsyndrom ist in Deutschland die häufigste Ursache für eine Amputation. Rund 30.000-mal pro Jahr werden Diabeteskranken Teile des Beines abgenommen. Doch es gibt Hoffnung: „Mehr als 50 Prozent der Eingriffe lassen sich durch optimale Wundversorgung verhindern“, sagt der Gefäß- und Diabe­tesspezialist Dr. Berthold Amann, Chef­arzt der Klinik für Innere Medizin am Franziskus-Krankenhaus Berlin.

Am besten kommt es erst gar nicht so weit, dass ein Diabetisches Fußsyndrom entsteht. Dabei hilft, wenn Blutzucker und Blutdruck gut eingestellt sind. Auch wichtig: weg mit den Zigaretten.

Füsse

Diabetischer Fuß

Das diabetische Fuß-Syndrom ist eine häufige Folgeerkrankung bei Diabetes. Mehr zu Ursachen, Symptomen, Vorsorge und Therapie zum Artikel

Menschen mit Diabetes sollten zudem gut auf ihre Füße achten: Dazu gehört es, Schuhe zu tragen, die nicht drücken, Nägel mit einer Feile statt der Schere zu kürzen und Hornhaut sanft mit einem Bimsstein abzutragen. Besser noch ist der regelmäßige Besuch bei der medizinischen Fußpflege. Sollten Sie eine Wunde am Fuß bemerken, gehen Sie bitte sofort zum Hausarzt oder Diabetologen.

Den Blutfluss verbessern

Heilen Wunden schlecht, kann eine Durchblutungsstörung der Grund sein. „In diesem Fall müssen wir den Blutfluss verbessern“, sagt Amann. Verengte Arterien werden ­mithilfe eines Ballons geweitet, verstopfte mit einer Vene des Patienten oder einem Kunststoffschlauch überbrückt.

Viel zu selten würden die beiden Eingriffe durchgeführt, kritisiert Amann: „Fast jede zweite Amputation wird ohne den Versuch vorgenommen, die Durchblutung vorher zu verbessern — manchmal sogar, ohne den Zustand der Gefäße zu kennen.“ Gut zu wissen: Wenn ein Arzt zu einer Amputation rät, steht Betroffenen eine Zweitmeinung vom Spezialisten zu. So lässt sich manches abwenden.

Passende Wundauflage finden

Bevor Emilie Buhl eine offene Wunde versorgt, holt sie Patienten „von den Beinen“: Eine Gehhilfe sorgt für Druck­entlastung, Rollstuhl oder Bettruhe verhindern, dass die Wunde ständig neu aufreißt. Mit einer sterilen Kompresse und Kochsalzlösung reinigt Wundexpertin Buhl die verletzte Stelle, entfernt mit einem scharfen Löffel abgestorbenes und verschmutztes Gewebe.

Das sogenannte Debridement entzieht Bakterien den Nährboden, beugt Entzündungen vor und fördert die Heilung. Ein Abstrich auf Keime zeigt, ob die Wunde infiziert ist und mit Antibiotika behandelt werden muss. Wichtig ist die passende Wundauflage. „Sie soll überschüssige Wundflüssigkeit binden, aber die verletzte Stelle ausreichend feucht halten“, so die Expertin. Bei jedem Verbandswechsel wiederholt sie das Prozedere. So umsorgt, beginnt die Wunde meist binnen zehn bis 14 Tagen zu heilen.

Innovative Therapien

Manchmal klafft die Wunde dennoch weiter. Um eine Amputation abzuwenden, nutzen einige Zentren innovative Therapien. Dazu gibt es jedoch erst einzelne Studien und klinische Erfahrungen. „Die neuen Behandlungsansätze kommen nur zum Einsatz, wenn Standardmaßnahmen erfolglos waren“, sagt Amann. Im Einzelfall könnten sie eine Heilung anstoßen. Die Kassen zahlen sie meist nicht.

Neue Therapien

1. (Stamm-)Zelltherapie

Prinzip: Reparaturzellen aus dem Knochenmark können möglicherweise bei Durchblutungsstörungen das Wachstum von Umgehungskreisläufen anregen.

Therapie: Die Reparaturzellen werden in die schlecht durchblutete Stelle gespritzt.

Hilft’s? Bei rund 50 Prozent der Patienten bessert sich der Blutfluss nach vier bis sechs Wochen: Die Wunde heilt.

2. „Vampirtherapie“ (PRP-Plasmatherapie)

Prinzip: Blutplättchen enthalten Botenstoffe, die das Gewebewachstum anregen.

Therapie: Aus Eigenblut entsteht ein Blutplättchen-Konzentrat, das als Gel auf die Wunde aufgetragen wird.

Hilft’s? Oberflächliche, große Wunden heilen oft sehr gut ab. Bei Durchblutungsstörungen wirkt die Therapie weniger.

3. Kaltplasmatherapie

Prinzip: Ionisierte Luft (Plasma) soll Keime zerstören und die Wundheilung fördern.

Therapie: Ein spezielles Gerät erzeugt Plasma und überträgt es auf die Wunde. Die Therapie dauert mehrere Wochen.

Hilft’s? Die Studienlage ist im Moment noch uneinheitlich. Es ist etwa noch nicht geklärt, ob Kaltplasma oder das Debridement davor die Heilung beschleunigt.

4. Hyperbare Sauerstofftherapie (HBO)

Prinzip: Zusätzlicher Sauerstoff soll die Wundheilung anregen.

Therapie: In einer Druckkammer atmen Patienten über mehrere Wochen täglich reinen Sauerstoff.

Hilft’s? Der Nutzen ist zwar nicht sicher bewiesen, die Krankenkassen zahlen die HBO aber als ergänzende Therapie, weil sich Wunden wohl teilweise besser schließen.


Quellen:

  • Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e.V. : S3-Leitlinie Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronisch venöse Insuffizienz. Leitlinie: 2012. (Abgerufen am 20.02.2023)

  • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen : Chronische Wunden. https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 20.02.2023)
  • Apotheken Umschau : Wie chronische Wunden wieder heilen. https://www.apotheken-umschau.de/... (Abgerufen am 20.02.2023)
  • Coloplast: WundWegWeiser In 5 Schritten zur Wundheilung. Online: https://www.coloplastprofessional.de/... (Abgerufen am 20.02.2023)
  • Apotheken Umschau: Diabetischer Fuß. https://www.apotheken-umschau.de/... (Abgerufen am 20.02.2023)
  • Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V., 08.12.2022, Kaltplasma, „Vampirtherapie“ und Co. - was können wir erwarten? Dr. Amman und Dr. Eckhardt im Talk, https://www.youtube.com/watch?v=1ZtFxAtDhB4

  • Fadini GP, Miorin M, Facco M et al.: Circulating Endothelial Progenitor Cells Are Reduced in Peripheral Vascular Complications of Type 2 Diabetes Mellitus. In: Journal of the American College of Cardiology 03.05.2005, 45: 1449-1457
  • Fadini GP, Spinetti G, Santopaolo M et al.: Impaired Regeneration Contributes to Poor Outcomes in Diabetic Peripheral Artery Disease. In: Arteriosclerosis, Thrombosis, and Vascular Biology 12.09.2019, 40: 34-44
  • Hossam EM, Alserr AHK, Antonopoulos CN et al.: Autologous Platelet Rich Plasma Promotes the Healing of Non-Ischemic Diabetic Foot Ulcers. A Randomized Controlled Trial. In: Annals of Vascular Surgery 08.12.2021, 82: 165-171
  • Moelleken M, Jockenhöfer F, Wiegand C et al. : Pilot study on the influence of cold atmospheric plasma on bacterial contamination and healing tendency of chronic wounds. In: Journal of the German Society of Dermatology 01.10.2020, 18: 1094-1101
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung: Hyperbare Sauerstofftherapie bei diabetischem Fußsyndrom. https://www.kbv.de/... (Abgerufen am 20.02.2023)
  • diabetesDE - Deutsche Diabetes Hilfe: Die Hyperbare Sauerstofftherapie ist beim Diabetischen Fußsyndrom (DFS) nicht zu empfehlen, Stellungnahme der AG Fuß der DDG. https://www.diabetesde.org/... (Abgerufen am 20.02.2023)
  • Gemeinsamer Bundesausschuss: Amputation beim Diabetischen Fußsyndrom: Patientinnen und Patienten können ärztliche Zweitmeinung zur empfohlenen Operation einholen. https://www.g-ba.de/... (Abgerufen am 17.03.2023)
  • Patienten-Information.de: Diabetes – Schäden an den Füßen. https://www.patienten-information.de/... (Abgerufen am 17.03.2023)
  • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Diabetischer Fuß: Vorbeugung von Wunden. https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 17.03.2023)