Schwere Grippewelle in Australien: Vorbote für den Herbst in Deutschland?
Zwei Jahre lang hatte das Influenzavirus wegen der strengen Corona-Maßnahmen fast überall Pause. Abstandsregeln und Maskenpflicht bremsten eine Ausbreitung. Nun aber melden die Behörden in Australien im Zuge der Lockerungen eine starke Grippewelle in vielen Landesteilen. Auf der Südhalbkugel bricht gerade der Winter an – und der frühe und heftige Ausbruch könnte ein Vorzeichen dafür sein, was in Europa in der kalten Jahreszeit zu erwarten ist.
Laut Zahlen des australischen Gesundheitsministeriums wurden von Januar bis November 2021 nur 598 Influenza-Fälle in Down Under gemeldet. Von Januar bis zum 22. Mai 2022 waren es bereits mehr als 38 700 Fälle. Mehr als 26 000 davon wurden zwischen dem 9. und 22. Mai verzeichnet – was zeigt, wie steil die Kurve ansteigt.
Aktuelle Grippewelle ähnlich heftig wie 2017
Besonders stark betroffen sind die östlichen Bundesstaaten New South Wales, Victoria und Queensland. Alle drei Regionen kündigten kostenlose Grippeimpfungen an, damit sich möglichst viele Bürger immunisieren lassen.
„Die Grippesaison in diesem Jahr ist sehr schlimm und vergleichbar mit den Zahlen, die wir 2017 hatten“, sagte die Premierministerin von Queensland, Annastacia Palaszczuk. „Wir müssen jetzt mit einem Präventivschlag reagieren und sicherstellen, dass wir vorbeugende Maßnahmen treffen.“
Die Grippewelle 2017 war besonders heftig: Damals waren in Australien mehr als 1200 Menschen an dem Virus gestorben. In Deutschland grassierte 2017/2018 laut Robert Koch-Institut (RKI) sogar die heftigste Grippewelle seit Jahrzehnten. Schätzungen zufolge starben dabei etwa 25 000 Menschen.
Wie ist die Situation in Deutschland?
Dagegen verliefen die beiden letzten Grippesaisons nach RKI-Daten extrem verhalten: Nach dem pandemiebedingten Ausfall der Ansteckungswelle im Winter 2020/21 reichten auch die Fallzahlen der Saison 2021/22 nicht an frühere Zeiten heran.
Seit Oktober 2021 seien insgesamt rund 14 400 im Labor bestätigte Influenzafälle übermittelt worden, hielt die RKI-Arbeitsgemeinschaft Influenza in ihrem jüngsten Bericht für die Woche vom 16. bis 22. Mai fest. Bei Grippe wird aber generell eine hohe Dunkelziffer nicht gemeldeter Fälle angenommen.
Auffallend ist in diesem Jahr: Noch nach den Osterferien breiteten sich Influenzaviren dem Bericht zufolge bei Kindern zunehmend aus. Seit der Woche ab 25. April sehen die RKI-Experten eine gering erhöhte Influenza-Aktivität.
Virologin Sandra Ciesek besorgt über den Anstieg
Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek äußerte sich auf Twitter besorgt über den starken und frühen Anstieg der Influenza-Fälle in Australien – als mögliches Vorzeichen für Deutschland. Denn zusätzlich nehmen hierzulande auch die Infektionen mit den SARS-CoV-2-Varianten BA.4 und BA.5 weiter zu.
„Genauso viel Respekt wie vor BA.4/5 habe ich vor der Influenza“, schrieb Ciesek am Mittwoch (01.06.) auf Twitter. Und weiter: „Das kann (analog zu RSV bei Kindern- das war auch zunächst in Australien beobachtet worden) bei uns genauso passieren und belastet bei gleichzeitigem Anstieg der BA.4/5 Fälle natürlich das Gesundheitswesen (auch ambulant).“
Laut der Virologin könnten einige ihre Teilimmunität gegen Influenza verloren haben, weil das Grippevirus seit zwei Jahren fast gar nicht zirkulierte.
Rechtzeitig an Grippe-Impfung denken
Entscheidend ist daher, dass besonders Risikogruppen sich im Herbst beizeiten um einen Termin für ihre Grippeschutzimpfung kümmern. Der neue Impfstoff für die Saison ist meist etwa ab Oktober in den Praxen erhältlich. Eine rechtzeitige Impfung ist auch deshalb wichtig, weil es etwa zwei Wochen dauert, ehe der Impfschutz voll aufgebaut ist.