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SENIOREN RATGEBER: Herr Professor Graw, mit welchen Medikamenten darf man nicht Auto fahren?

Graw: Das gilt zunächst mal für berauschende Substanzen wie Cannabisarzneien, Schmerzmittel mit Morphin und den Wirkstoff Lisdex­amfetamin gegen ADHS. Das grundsätzliche Verbot gilt laut Straßenverkehrsgesetz jedoch nicht, wenn der Arzt das Mittel begründet gegen eine Krankheit verordnet hat und es nach Vorschrift eingenommen wird.

Ansonsten gibt es für alle Arzneimittel im Straßenverkehr einen Freibrief?

Nein! Wenn das Medikament Symptome verursacht, die die Fahrsicherheit einschränken, muss das Auto stehen bleiben. Das gilt für viele Medikamente, vor allem zu Beginn der Behandlung. Der Arzt muss beobachten, wie sich die Krankheit und die Symptome entwickeln. Er entscheidet, wann er Ihnen wieder grünes Licht geben kann, oder ob das Fahren längerfristig tabu sein sollte.

Und wenn ich trotzdem fahre?

Wenn dann etwas passiert, machen Sie sich strafbar. ­Ihnen droht eine Geldstrafe oder sogar Haft. Ohnehin ist jeder, der sich ans Steuer setzt, selbst für seine Fahrtüchtigkeit verantwortlich. Er muss sich auch ohne Medikamente vergewissern, dass er keine Einschränkung hat, die seine Fahrsicherheit infrage stellt.

Darf der Arzt oder die Ärztin mir den Führerschein entziehen?

Nein. Er wird Sie im Normalfall wegen seiner Schweigepflicht auch nicht bei der Fahrerlaubnisbehörde melden. Wenn Sie uneinsichtig sind, darf er aber im Einzelfall die Behörde informieren, weil es dabei auch um die Gefährdung anderer geht. Wir Verkehrsmediziner würden das gerne konkreter regeln, damit der Arzt sich sicher sein kann, wann er seine Schweigepflicht brechen darf und wann nicht. Wir fordern aber keine generelle ärztliche Meldepflicht.

Darf mir die Polizei den Führerschein entziehen, wenn ich durch unsichere Fahrweise auffalle?

Wenn die Polizei eine unmittelbare Gefahr sieht, ist es sogar ihre Aufgabe einzugreifen. Im Einzelfall kann sie auch den Führerschein einziehen. Wenn Sie einen Unfall verursachen, wegen der Medikamenteneinnahme eigentlich nicht fahren durften und der Arzt sagt, ich habe darauf hingewiesen, ist das schon fast vorsätzlich. Umso höher fällt die Strafe aus.

Wie kann ich den Führerschein wiederbekommen?

Sie müssen sich bei der Fahrerlaubnisbehörde neu bewerben. Diese fordert in der Regel ein medizinisches und vielleicht auch ein medizinisch-psychologisches Gutachten ein. Das müssen Sie selbst beauftragen und auch selbst bezahlen. Der Arzt orientiert sich bei seiner Empfehlung pro oder contra an Begutachtungsleitlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen oder an aktuellen Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften.

Wann sollte ich freiwillig den Führerschein abgeben?

Daran sollte man spätestens denken, wenn Angehörige und Freunde nicht mehr bei einem mitfahren wollen. Aber erfahrungsgemäß geben häufig Menschen den Führerschein ab, bei denen es gar nicht nötig wäre.

Aber wer kann das beurteilen?

Man sollte sich zunächst vom Arzt beraten lassen. Der ADAC und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat bieten beispielsweise Tests an. Auch bei vielen Fahrschulen können Ältere zusammen mit einem Fahrlehrer herausfinden, wie fit sie noch am Steuer sind, was ihnen im Straßenverkehr Probleme bereitet und wie man diese beheben könnte. Als Verkehrsmediziner geht es mir darum, die Fahreignung und damit die Mobilität möglichst lange zu erhalten.


Quellen: