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Sobald das Wetter schön ist, Kleider, kurze Hosen oder offene Schuhe getragen werden, zeigen viele von uns mehr von ihrem Körper als im Winter. Manch eine oder einer versteht das einmal mehr als Einladung, das äußere Erscheinungsbild anderer zu kommentieren oder zu bewerten. Dehnungsstreifen, Zehennägel, Behaarung oder Bauchumfang – Körper bieten viel Angriffsfläche. Doch ist es nötig, alles anzusprechen, was man sehen kann?

Woher kommt der Drang, Aussehen zu kommentieren?

Die Gründe für das Bedürfnis, einer Person etwa zu sagen „Oh, hast du zugenommen?”, seien individuell verschieden, sagt Katharina Bosbach, psychologische Psychotherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Wuppertal. Grundsätzlich habe es aber oft damit zu tun, dass wir uns gerne mit anderen vergleichen. „Das ist etwas total Menschliches”, so Bosbach. „Wir alle wachsen mit geltenden Schönheitsidealen auf und verfestigen so, was wir gelernt haben”. Gerade bei Kommentaren über Dritte könne so ein ausgesprochener Vergleich den Selbstwert kurzfristig erhöhen.

Was ist schlimm an Kommentaren zum äußeren Erscheinungsbild?

Doch langfristig gesehen knüpft man nicht nur den eigenen Selbstwert weiter an eine - teils unrealistische - Idealvorstellung von Schönheit. Auch stehen andere, die mit einer Bemerkung zu ihrem Aussehen nicht rechnen, damit sehr hilflos da. Besonders dann, wenn sie am kommentierten Merkmal - etwa an der Größe der Nase - ohne größeren Eingriff nichts ändern können. Selbst wenn es um grundsätzlich veränderbare Dinge wie eine Warze oder Übergewicht geht, sind die Möglichkeiten der Veränderung im Moment sehr gering. Was außerdem bleibt: ein schlechtes Gefühl.

Doch nicht nur das. Das Gefährliche ist: „Wir wissen nicht, was wir mit solchen Bemerkungen in anderen auslösen können”, sagt Katharina Bosbach. Auf das Aussehen bezogene Abwertung („Teasing”) kann ein Risikofaktor für sogenannte Körperbildstörungen wie bei Magersuchtsein. Ein Kommentar mache natürlich nicht gleich psychisch krank, sagt Bosbach. Doch er kann es wahrscheinlicher machen, dass wir eine psychische Störung entwickeln.

Warum auch positive Beurteilungen negativ sein können

Und sogar mit gut gemeinten Kommentaren kann man Schlimmes anrichten. Etwa, wenn man jemandem dazu gratuliert, abgenommen zu haben. Denn damit wird nicht nur deutlich gemacht, dass Aussehen wichtig ist. Dem Gegenüber wird auch vermittelt, dass es vorher schlechter aussah. „Es kann sogar die Angst schüren, wieder zuzunehmen und nicht mehr zu gefallen”, erklärt Psychotherapeutin Bosbach.

Gerade wenn man sein Gegenüber nicht kennt, kann ein Kommentar zum reduzierten Körpergewicht oder der schmalen Statur ein Fehler sein. Zum Beispiel kann die Person Gewicht verloren haben, weil sie krank war oder ist. Gewicht verliert man zum Beispiel durch Magen-Darm-Erkrankungen, Tumore oder psychische Krankheit. Menschen mit Essstörungen wie Anorexie (Magersucht) wiederum können Kommentare zu ihrer schlanken Figur darin bestätigen, weiter abzunehmen. Die Chance, hier einen Nerv zu treffen (den falschen), ist nicht gering. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erkranken von 1000 Mädchen und Frauen im Laufe ihres Lebens 28 an einer Binge-Eating-Störung, 19 an Bulimie und 14 an Magersucht. Bei Jungen und Männern sind es jeweils weniger als halb so viele[1].

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Es sind zwar weniger, aber auch Männer könnten also unter Körperbildstörungenleiden, sagt Katharina Bosbach. Hier spiele im Zusammenhang mit den Kommentaren anderer etwa die Angst eine Rolle, nicht muskulös genug zu sein. Forschungsdaten rund um das Thema gibt es jedoch überwiegend zu Frauen, da sie öfter an psychischer und psychologischer Forschung teilnehmen.

Wie umgehen mit Kommentaren zum Aussehen?

Wer mit einem verletzenden Kommentar konfrontiert wird, könne versuchen, daran zu denken, dass das Kommentieren von Äußerlichkeiten etwas Erlerntes ist und meistens gar nichts mit einem selbst zu tun hat, rät Bosbach.

„Hauptsächlich sehe ich die Verantwortung, mit dem Thema besser umzugehen, aber bei denjenigen, die kommentieren”, betont die Expertin. Man solle sich die Frage stellen, was man mit so einem Kommentar auslösen möchte.

Und: „Wenn man das Aussehen schon kommentiert hat, heißt das nicht, dass es keinen Weg zurück gibt”, sagt sie außerdem. Wer sich dabei ertappt, könne den Kommentar auch zurücknehmen oder erklären, dass er vermutlich hauptsächlich mit dem eigenen fragilen Selbstwertgefühl zu tun habe.

Warum Komplimente gut tun können

In jedem Fall gibt es auch jede Menge andere Möglichkeiten, Komplimente zu machen. Wenn sie sich unbedingt auf das äußere Erscheinungsbild beziehen sollen, könne man - so Bosbach - auch den Kleidungsstil und die aufwendige Flechtfrisur des Gegenübers loben.

„Komplimente bestärken unspositiv darin, dass wir etwas gut oder richtig gemacht haben beziehungsweise gemocht werden und gefallen“, sagt Katharina Bosbach. Das hebe die Stimmung und erhöhe den Selbstwert. Der wiederum sollte zwar am besten nicht nur auf unserem Aussehen aufbauen, beeinflusst der Expertin zufolge aber generell einige Aspekte unseres Lebens positiv: etwa unseren Beruf, unsere Beziehungen und mentale Gesundheit.


Quellen: