Gespräch mit einer Klopapierrolle: „Ohne mich sind alle von der Rolle“
Ich begrüße heute einen Gast, der eine enorm wichtige Aufgabe erfüllt. Wie wichtig, das war auch mir nicht klar – bis zum Beginn der Corona-Krise.
Ja, da bekam meine Rolle endlich die gebührende Anerkennung. Manche Menschen blicken ja noch immer verschämt um sich, bevor sie eine Packung Klopapier aufs Kassenband legen. Aber als sie plötzlich vor leeren Regalen standen, da waren viele selbst ganz schön von der Rolle.
Ich muss zugeben, dass ich auch ein paar Packungen mit nach Hause genommen habe, für alle Fälle.
Dann gehören Sie also zu den Ängstlichen? Eine Studie hat herausgefunden, dass Menschen, die sich durch die Pandemie stärker bedroht fühlten, mehr Klopapier gehamstert haben. Ich fand die ganze Aufregung doch ziemlich übertrieben. Schließlich kommen weltweit die meisten Menschen ganz ohne mich aus.
Stimmt. Das ist mir auf Reisen auch schon aufgefallen. Ich habe mich gewundert, wie die Menschen das ganz ohne Sie machen.
Haben Sie sich schon mal gefragt, warum man sich zur Begrüßung immer die rechte Hand gibt?
Weil viele Rechtshänder sind?
Jein. Vielerorts auf der Welt ist die linke Hand für etwas anderes bestimmt.
Nicht etwa das, was ich denke.
Genau das! Natürlich benutzt man zusätzlich auch Wasser. Wenn man sich die Hände danach gut wäscht, ist das durchaus hygienischer als viele andere Methoden. Was haben die Menschen in der Not nicht schon alles genützt, um sich notdürftig zu reinigen.
Ach ja, was denn?
Sie kommen doch aus Bayern, richtig? Schon mal was von „Arschwurz“ gehört? Nein? So nennt man dort die Pestwurz, was auf die frühere Verwendung ihrer Blätter hinweist. Auch Moos, alte raue Stofffetzen und in Kriegszeiten zerschnittenes Zeitungspapier fanden ihre letzte Ruhe im Abort – nachdem sie noch der Toilettenhygiene gedient hatten.
Zeitungspapier? Wie unangenehm. Auch für die Abwasserrohre. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht selten zu Stockungen führt.
Das passiert leider auch heute noch. Obwohl mein Papier so gefertigt ist, dass es im Wasser schnell zerfällt. Dennoch sind die Rohre manchmal mit den Papierknäueln überfordert, die auf sie zukommen. Verursacher sind vor allem Angehörige Ihres Geschlechts, wenn ich das so sagen darf.
Was für eine Unterstellung!
Keineswegs. Ein Ergebnis tiefgründiger Toilettenforschung. Vor allem auf öffentlichen Aborten neigen Frauen dazu, die Klobrille mit mir abzudecken. Am Ende landet alles in der Schüssel. Ein findiger Wissenschaftler aus Gelsenkirchen hat daher ein kontaktfreies Urinal für Frauen entwickelt. Leider hat es sich bislang nicht durchgesetzt.
Ein Frauenurinal? Da setze ich doch lieber auf Sie.
Das ist mir natürlich recht. Doch sollten Sie maßhalten. Auch der Umwelt zuliebe. Denn bei meiner Herstellung werden schon mal Stoffe verwendet, die man nicht in Seen und Flüssen haben will.
Aber wie wird man denn mit wenig Papier richtig sauber?
An Ihrer Stelle würde ich auf eine Kombi setzen: Hilfreich ist ein Bidet, eine Toiletten-Brause oder auch eine mobile Po-Dusche. Das sind Fläschchen mit gebogenem Hals, in die man Wasser füllen kann. Und mich verwenden Sie dann nur zum Abtrocknen. Eine solche Reinigung ist sehr gründlich. Und sie führt in Krisenzeiten auch nicht zu Klopapier-Panik.