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Nach harten Verhandlungen steht der Koalitionsvertrag für die Ampel-Koalition. Unter der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“ haben SPD, Grüne und FDP auf 177 Seiten umrissen, was sie in den nächsten vier Jahren umsetzen wollen. Acht Seiten widmen sie dem Themenbereich Gesundheit und Pflege. Die Parteien wollen Verantwortung übernehmen in einer Zeit, die von der Corona-Krise bestimmt wird. „Die Pandemie zu besiegen, ist in diesen Tagen unsere vordringlichste Aufgabe, der wir uns mit voller Kraft widmen“, so steht es in der Präambel des Vertrags. Damit sendet die künftige Regierung ein starkes gesundheitspolitisches Signal aus. Ein ständiger Corona-Krisenstab von Bund und Ländern im Kanzleramt soll schneller auf die aktuellen Entwicklungen in der Pandemie reagieren. Die Politik scheint gelernt zu haben, aus den Versäumnissen der ablaufenden Legislatur. In der Gesundheitspolitik gibt es aber auch abseits der Pandemiebekämpfung jede Menge zu tun. Ziel ist eine „moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik“. Wir haben die wichtigsten Punkte des Koalitionsvertrags im Bereich Gesundheit für Sie zusammengestellt:

Mehr Mitsprache für Patienten

Die künftigen Regierungsparteien räumen Kassenpatienten mehr Mitsprache dabei ein, welche Leistungen die gesetzlichen Versicherer zahlen müssen. Daneben sollen künftig auch Akteure aus Pflege- und anderen Gesundheitsberufen an den Entscheidungen über den bundesweiten Behandlungskatalog im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beteiligt werden, „sobald sie betroffen sind“, heißt es im Papier. Bislang bestimmen über den Leistungskatalog allein die Vertreter von Kassen, Niedergelassenen und Krankenhäusern. Patientenvertreter dürfen im Gemeinsamen Bundesausschuss zwar mitberaten und Anträge stellen, haben aber kein Stimmrecht. Die Stellung von Patienten stärken wollen die künftigen Koalitionäre auch bei der Haftung für Behandlungsfehler. Sie versprechen einen „Härtefallfonds mit gedeckelten Ansprüchen“.

Neuordnung der Institutionen

Grundlegend reformiert wird dem Koalitionsvertrag zufolge die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Sie soll in einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit am Gesundheitsministerium aufgehen, wo dann „Aktivitäten im Public-Health Bereich, die Vernetzung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und die Gesundheitskommunikation“ angesiedelt wären. Das Robert Koch-Institut soll in seiner wissenschaftlichen Arbeit weisungsungebunden sein.

Psychische Erkrankungen: Aufklärungskampagne

Die Ampel will eine bundesweite Aufklärungskampagne zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen ins Leben rufen. Zudem hat sie vor, die psychotherapeutische Bedarfsplanung zu reformieren, „um Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz, insbesondere für Kinder- und Jugendliche, aber auch in ländlichen und strukturschwachen Gebieten deutlich zu reduzieren“. Die Koalitionäre wollen auch die ambulante psychotherapeutische Versorgung insbesondere für Patienten mit schweren und komplexen Erkrankungen verbessern: „Die Kapazitäten bauen wir bedarfsgerecht, passgenau und stärker koordiniert aus.“ Im stationären Bereich wollen die künftig Regierenden für eine leitliniengerechte psychotherapeutische Versorgung und eine bedarfsgerechte Personalausstattung sorgen. Die psychiatrische Notfall- und Krisenversorgung soll flächendeckend ausgebaut werden.

Cannabis soll legalisiert werden

Die Ampelparteien wollen „die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einführen. Dadurch soll die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet werden. „Das Gesetz evaluieren wir nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen“, heißt es in dem Papier.

Alkohol- und Nikotinprävention

Bei der Alkohol- und Nikotinprävention setzt die Koalition auf die verstärkte Aufklärung mit besonderem Fokus auf Kinder, Jugendliche und schwangere Frauen. „Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis“, so der Wortlaut im Koalitionsvertrag.

Reform des Notrufs

„Durch eine Verschränkung der Rettungsleitstellen mit den KV-Leitstellen und standardisierten Einschätzungssystemen (telefonisch, telemedizinisch oder vor Ort) erreichen wir eine bedarfsgerechtere Steuerung“, steht im Papier. Heißt: Die Notruf-Systeme der Feuerwehr (112) und des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes (116117) sollen besser verzahnt werden.

Neuerungen bei Krankenkassen

Die gesetzlichen Krankenkassen sollen ihre Service- und Versorgungsqualität zukünftig anhand von einheitlichen Mindestkriterien offenlegen. Außerdem plant das neue Bündnis, Krankenkassen verstärkt die Möglichkeit zu geben, ihren Versicherten auch „monetäre Boni“ für die Teilnahme an Präventionsprogrammen zu gewähren. Die zukünftigen Koalitionspartner wollen für „Menschen mit ungeklärtem Versicherungsstatus, wie insbesondere Wohnungslose, den Zugang zur Krankenversicherung und zur Versorgung prüfen und im Sinne der Betroffenen klären.“

Apotheke: zusätzliche Dienstleistungen

Das „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ soll angepasst werden, um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren. Bedeutet: Apotheken sollen künftig verstärkt zusätzliche Dienstleistungen anbieten: etwa Arzneimittelsicherheitsanalysen, Beratung bei mangelnder Therapietreue sowie zur Vorsorge und Früherkennung von Volkskrankheiten wie Diabetes.

Kommission für Krankenhausreform

Für die Krankenhausreform kündigt die Koalition einen Bund-Länder-Pakt an. Eine Regierungskommission werde hierzu „Empfehlungen vorlegen“, um eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung auf den Weg zu bringen. Zukünftig soll nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziert werden. Kurzfristig, so das Papier, wollen die Koalitionäre für eine bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe sorgen.

Ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung

Der Bund will gemeinsam mit den Ländern die sektorenübergreifende Versorgungsplanung ausbauen – für den ambulanten und stationären Bereich. Um die medizinische Behandlung in ländlichen Regionen zu verbessern, soll die Gründung von kommunal getragenen Versorgungszentren erleichtert werden. Für Hausärzte sollen die Honorar-Budgets verschwinden.

Die Ampelparteien wollen die multiprofessionellen Gesundheits- und Notfallzentren ausbauen und stellen, so der Koalitionsvertrag, eine „wohnortnahe, bedarfsgerechte, ambulante und kurzstationäre Versorgung sicher und fördern diese durch spezifische Vergütungsstrukturen“.

Eine innovative Versorgung soll gestärkt werden, zum Beispiel so: „In besonders benachteiligten Kommunen und Stadtteilen (5 Prozent) errichten wir niedrigschwellige Beratungsangebote (z.B. Gesundheitskioske) für Behandlung und Prävention“, heißt es im Koalitionsvertrag. Im ländlichen Raum sollen Angebote durch Gemeindeschwestern und -lotsen ausgebaut werden.