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Für Susanne B. aus Wolfenbüttel fing die gefühlte Endzeit mit Anfang 50 an. "Ich esse jetzt, was ich will, und so viel ich will", konterte sie beim Klassentreffen die vorsichtige Anspielung auf ihre unübersehbare Gewichtszunahme. Die Figur spiele für sie keine Rolle mehr, mit dem Thema Männer habe sie ohnehin abgeschlossen. Auch zum Sport zwinge sie sich nicht mehr. Schluss mit der jahrelangen Selbstkasteiung, bemerkte sie beinahe trotzig und schob sich zum Beweis einen Schokotrüffel in den Mund.

Ein Einzelfall scheint Susanne B. nicht zu sein. Viele Menschen werden mit den Jahren bequem. Sie bewegen sich zu wenig, essen ungesund oder viel zu viel, lassen sich gehen und vernachlässigen ihre Gesundheitsvorsorge. Warum gehen beispielsweise nur rund 30 Prozent der über 65-jährigen Frauen regelmäßig zur Krebsvorsorgeuntersuchung? Bis zum Alter von 50 Jahren sind es hingegen 50 Prozent. Ein Paradox. Denn gerade in höherem Alter steigt das Krebsrisiko rasant. Das Durchschnittsalter, in dem Frauen an Brustkrebs erkranken, liegt bei 63 Jahren, das für Eierstockkrebs bei 66 Jahren. Angesichts dieser Tatsache sei es gerade auch für Frauen nach den Wechseljahren besonders wichtig, regelmäßig zum Arzt zu gehen, betont Professor Ludwig Kiesel, Leiter der Universitäts-Frauenklinik Münster. Doch da nur ein Drittel der älteren Frauen akute Probleme mit dem Klimakterium haben, bleibt die große Mehrheit den Praxen der Frauenärzte fern. Das Thema Vorsorge allein zieht offenbar nicht. Einer Studie zufolge ist die geringe Teilnahme von Seniorinnen an der Krebsvorsorge zu 80 Prozent auf Vergesslichkeit und Bequemlichkeit zurückzuführen.

Männer – oft Verdrängungskünstler

Bei den Männern sieht es nicht besser aus. Sie sind echte Vorsorgemuffel. In keiner Altersklasse bringen sie es auf mehr als 20 Prozent Teilnahme an der Krebsfrüherkennung. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa fragte nach den Gründen: Sechs von zehn befragten Männern gaben an, dass sie nur zum Arzt gehen, wenn sie wirklich krank sind. Knapp 40 Prozent meiden die Untersuchung, weil sie ihnen unangenehm ist. Fast jeder Dritte sagte, dass er sich nicht mit schlimmen Erkrankungen auseinandersetzen möchte. Forscher der britischen University of Birmingham stellten in einer Studie einen weiteren Hinderungsgrund fest: Angst. Die Männer würden gar nicht sorgloser als Frauen mit ihrer Gesundheit umgehen, betont Studienleiterin Susan Hale. Aber sie meiden Arztbesuche, weil sie sehr ängstlich in Bezug auf die Diagnose, mögliche Auswirkungen einer Erkrankung und deren Behandlung seien. Bei gesundheitlichen Beschwerden warten sie deshalb sehr lange, ehe sie zum Arzt zu gehen. Sie halten ihren Informationsstand so gering wie möglich oder spielen die Ernsthaftigkeit der Symptome herunter.

60 Prozent aller Krebspatienten sind älter als 65 Jahre. Je früher ein Krebs entdeckt wird, desto besser sind die Heilungsaussichten – und das auch in höherem Alter. Neue Forschung zeigt, dass ältere Menschen eine Krebserkrankung im Schnitt genauso lange überleben wie jüngere. Einer Studie spanischer Mediziner zufolge ist nicht so sehr das kalendarische Alter der Patienten für den Erfolg einer Krebstherapie ausschlaggebend, sondern Faktoren wie die körperliche und psychische Verfassung, die Anzahl und Verbreitung von Tochtergeschwüren (Metastasen) oder die Einschränkung von Organfunktionen durch den Krebs.

Impfen kann vor Krankheiten schützen

Gesundheitsvorsorge lohnt sich. In jedem Alter. Wie wichtig zum Beispiel auch die Schutzimpfungen sind, scheint aber vielen älteren Menschen gar nicht klar zu sein. Nach Beobachtung von Dr. Elke Bruns-Philipps vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt sind "insbesondere die altersbedingte Abnahme der Funktionsfähigkeit des Immunsystems, die Schwere möglicher Erkrankungsverläufe und Komplikationen nicht bekannt." Auch wüssten viele nicht, dass sie zu einer Gefahr für Babys in ihrem eigenen Umfeld werden können, weil sie Krankheitserreger übertragen können, ohne selbst die Symptome der Krankheit zu entwickeln.

Das Thema Impfen sollte also nicht erst bei der Planung einer Fernreise auf die Tagesordnung kommen. Mit Grippeschutz- und Pneumokokken-Impfung sowie den empfohlenen Auffrischungsimpfungen gegen Tetanus, Diphterie und Keuchhusten wappnen sich die Senioren gegen sehr gefährliche Krankheiten. Und sie tragen dazu bei, durch eine hohe Impfquote in der Bevölkerung auch jene Personen zu schützen, die aus bestimmten Gründen nicht geimpft werden können.

Wer den Ruhestand mit allen Sinnen genießen möchte, sollte außerdem regelmäßig überprüfen lassen, ob seine Augen und Ohren auch richtig mitspielen. Zunehmender Hörverlust ist eine typische Begleiterscheinung des Alters. Der Ausgleich durch ein Hörgerät ist wichtig, um uneingeschränkt am sozialen Leben teilzuhaben. Das kann sogar das Risiko für eine Demenz senken, wie Forscher des US-National Institute on Aging feststellten. Auch eine gute Sehhilfe scheint die geistige Fitness zu fördern – und den Blick auf das Leben zu verschönern. Das belegt eine Studie der University of Alabama: Bewohner von Altenheimen, die eine bis dahin nicht behandelte Sehschwäche hatten, wurde mit den passenden Brillen versorgt. Drei Monate später waren sie deutlich aktiver als zuvor, sie lasen mehr, nahmen Hobbys wieder auf – und zeigten deutlich weniger depressive Symptome als die Personen der Vergleichsgruppe.

In Bewegung bleiben

Eine tragende Säule der individuellen Gesundheitsvorsorge ist Sport. Seine hervorragende Wirkung ist hinlänglich belegt. Sportliche Aktivität schafft Befriedigung, ein gutes Körpergefühl, schützt vor diversen Krankheiten und wirkt antidepressiv. Es gibt viele gute Gründe, auch in fortgeschrittenem Alter damit zu starten. Wer länger pausiert hat oder chronisch krank ist, sollte zuvor allerdings seinen Arzt fragen, welche Sportarten infrage kommen und welches Pensum verträglich erscheint.

Die Wolfenbüttelerin Susanne B. hat mit Mitte 50 doch wieder den Weg zur Bewegung gefunden – als sie den Hund einer Nachbarin in Dauerpflege nahm. Die Spaziergänge an der frischen Luft brachten ihr Spaß und den Zugang zum Nordic Walking. Jetzt läuft sie mit Stöcken, Hund und wachsender Begeisterung. Und freut sich, dass ihre Rückenschmerzen zurückgegangen sind. Viktor von Weizsäcker, Arzt und Begründer der psychosomatischen Medizin, hat es so formuliert: "Die Gesundheit des Menschen ist eben nicht ein Kapital, das man aufzehren kann, sondern sie ist überhaupt nur dort vorhanden, wo sie in jedem Augenblick des Lebens erzeugt wird."