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Das Trinkwasser im alten Rom war eine ziemlich bleihaltige Angelegenheit. Das legen Analysen von Sediment aus dem antiken Hafen Roms und einem Tiberkanal nahe. In den alten Ablagerungen stießen Forscher auf erheblich erhöhte Werte von Blei aus den Wasserleitungen der Stadt. Besonders im frühen römischen Reich lag die Bleibelastung bei bis zum 100-Fachen über den natürlichen Werten.

Das würde es bei uns heutzutage nicht geben. Dafür sorgt schon die EU. Erst kürzlich hat sie die Grenzwerte für die Schwermetalle Blei und Cadmium in einer Vielzahl von Lebensmitteln weiter abgesenkt. Für Blei beispielsweise bei Säuglingsnahrung (jetzt: Pulver 20 µg/kg, Flüssigkeit 10 µg/kg), Gewürzen, Weinen (ältere Jahrgänge 200 µg/kg, ab 2016 150 µg/kg, ab 2022 100 µg/kg) und Salz. Für die meisten Salzsorten etwa gilt ein Höchstgehalt von einem Milligramm Blei je Kilogramm (1000 µg/kg). Davor lag der Wert bei zwei Milligramm pro Kilogramm. Auch die Cadmium-Grenzwerte für etliche Obst-, Gemüse- und Getreidesorten sowie Ölsaaten hat die EU abgesenkt.

Muscheln gehören zu den Lebensmitteln, die höhere Mengen an Blei und Cadmium enthalten können

Muscheln gehören zu den Lebensmitteln, die höhere Mengen an Blei und Cadmium enthalten können

Keine Unbedenklichkeitsschwelle

Was steckt hinter der Absenkung? Bei Blei etwa kann man keine Schwelle angeben, unterhalb derer gesundheitliche Schäden für den Menschen sicher ausgeschlossen werden können. Daher sollen die Konzentrationen, denen Verbraucher ausgesetzt sind, so weit wie vernünftigerweise erreichbar reduziert werden.

"Die Absenkung der Grenzwerte für Blei und Cadmium durch die EU ist sinnvoll“, sagt Andrea Hartwig, Professorin für Lebensmittelchemie und Toxikologie am Karlsruher Institut für Technologie. Beides seien giftige Schwermetalle. Zwar wurde die Hauptbelastung durch Blei für die Allgemeinbevölkerung bereits vor langer Zeit gesenkt. Und zwar durch die Einführung von bleifreiem Benzin. "Gleichwohl gibt es immer noch eine Belastung, da Blei ähnlich wie Cadmium noch in großem Maßstab industriell genutzt wird", so Hartwig. Über die Luft, über Düngemittel oder durch bleihaltige Jagdmunition kommt Blei in die Böden. Cadmium unter anderem über Phosphatdünger. Über Lebensmittel wie Getreide gelangen die Schwermetalle dann in den menschlichen Körper und reichern sich dort an.

Lebensmittel mit höherem Gehalt an Schwermetallen

Vergleichsweise hohe Bleigehalte hat man in Algen, Fisch, Meeresfrüchten und Nahrungsergänzungsmitteln nachgewiesen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung etwa fand in einer Studie vergleichsweise hohe Bleigehalte in Muscheln (115 µg/kg), Kakaopulver (113 µg/kg), Küchenkräutern (60 µg/kg), Algen (55 µg/kg), Pfifferlingen (26 µg/kg) und Oliven (24 µg/kg).

Laut Bundesumweltministerium tragen aber auch andere Lebensmittel wie zum Beispiel Getreideprodukte oder Gemüse zur Bleiaufnahme bei. "Weniger, weil darin besonders viel Blei enthalten ist", sagt Privatdozent Dr. Robert Pieper, Leiter der Abteilung Sicherheit in der Nahrungskette beim Bundesinstitut für Risikobewertung. "Sondern weil zum Beispiel Getreide in vergleichsweise hohen Mengen konsumiert wird.

Hohe Cadmiumwerte können vor allem in Algen, Meeresfrüchten, Innereien und Bitterschokolade vorkommen. Auf vergleichsweise hohe Cadmiumgehalte stieß das Bundesinstitut für Risikobewertung in Kakaopulver (275 µg/kg), Sonnenblumenkernen (265 µg/kg), Leinsamen (185 µg/kg), Tintenfisch (205 µg/kg), Algen (120 µg/kg), Spinat (87 µg/kg), Muscheln (84 µg/kg), Feinbackwaren mit Mohn (66 µg/kg) und in Dorschleber (64 µg/kg).

Nerven und Nieren können angegriffen werden

Doch was genau können die beiden Schwermetalle anrichten, wenn sie in den menschlichen Körper gelangen? "Blei ist in höheren Konzentrationen im Tierversuch krebserzeugend", sagt Andrea Hartwig. Die größte Gefahr gehe aber von der Neurotoxizität aus, der schädlichen Wirkung auf das Nervengewebe von Kindern und Erwachsenen. Bei Kindern können dadurch Entwicklungsstörungen auftreten. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit findet sich bereits bei wenigen Mikrogramm Blei pro Liter Blut bei Kindern ein Zusammenhang mit Entwicklungsstörungen des Nervensystems.

"Bei Erwachsenen hingegen sind die Nieren das empfindlichste Zielorgan für die toxikologische Wirkung von Blei", sagt Robert Pieper. Bei der Bleiaufnahme über Lebensmittel sei das Risiko für klinisch bedeutsame Effekte auf die Niere bei Erwachsenen aber gering bis vernachlässigbar.

Cadmium ist auch im Tabak

Auch Cadmium über Lebensmittel wie Getreide und Gemüse aufgenommen kann die Niere schädigen. "Dort reichert sich Cadmium an und hat eine Halbwertszeit von 20 bis 30 Jahren", erklärt Andrea Hartwig. Bei Tabakrauchern findet man übrigens im Vergleich zu Nichtrauchern eine etwa doppelt so hohe Cadmiumkonzentration in den Nieren. Denn Raucher nehmen über den Tabakrauch eine erhebliche zusätzliche Menge Cadmium auf.

Hohe Konzentrationen können zu Krebs führen

"Zudem ist Cadmium ist bei höheren Konzentrationen krebserzeugend, wenn man es etwa am Arbeitsplatz inhaliert", sagt Andrea Hartwig. „Der derzeitige Arbeitsplatz-Grenzwert in der EU, der vor der krebserzeugenden Wirkung nach Inhalation schützen soll, liegt bei einem Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.“ Wird Cadmium hingegen über die Nahrung aufgenommen, ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko zu rechnen. So schreibt das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auf seiner Internetseite.

Langzeiteinflüsse sind entscheidend

Lässt sich nun der gesundheitliche Schaden durch Blei und Cadmium auf handfeste Zahlen bringen? Zu wie vielen Vergiftungen kommt es im Jahr? Zunächst einmal: "Sowohl bei Blei als auch bei Cadmium geht es nicht um akute Vergiftungen“, sagt Andrea Hartwig. Diese treten in den industrialisierten Ländern mit hohen Umweltstandards praktisch nicht mehr auf. "Es geht vielmehr um eine Erhöhung des Risikos für gesundheitsschädliche Langzeitwirkungen." Die lassen sich aber derzeit nicht beziffern.

Auch ohne harte Zahlen lautet Andrea Hartwigs Fazit: „Jeder Schritt, die Grenzwerte für Blei und Cadmium in Lebensmitteln abzusenken, ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung."

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