Wie läuft eine Geburt ab?
Mehr als neun Monate lang wächst bei Schwangeren der Bauch. Am Ende ist er so dick, dass sich die werdende Mutter nicht einmal mehr die Schuhe binden kann. Dann denkt sich auch die glücklichste Schwangere irgendwann: Komm endlich raus, Baby! In die Ungeduld mischt sich aber oft auch das Bewusstsein, dass das ganz schön weh tun wird.
Klar ist: Eine Geburt ist eine große Leistung des weiblichen Körpers. Der letzte Akt der Entstehung eines Menschen verlangt ihm noch einmal alles ab. Gewebe muss sich um ein Vielfaches dehnen, Muskeln müssen das Kind und die Nachgeburt nach draußen befördern. Meist geht das mit starken Schmerzen einher. Oft dauert es länger, als es den Beteiligten lieb ist. Und nicht immer verläuft die Geburt ohne Komplikationen. Für die Mutter wie für das Baby ist die Geburt mit größten Anstrengungen verbunden.
Vorboten der Geburt
Auf diesen Kraftakt bereitet sich der weibliche Körper vor. Einige Wochen vor der Geburt treten sogenannte Übungswehen auf. Sie sind selten schmerzhaft. In den Tagen direkt vor der Geburt sinkt das Baby außerdem häufig etwas tiefer ins Becken. Weil das dann stärker auf Blase und Darm drückt, kann die Schwangere einen verstärkten Harn- oder Stuhldrang spüren. Meist fällt ihr das Atmen dagegen jedoch wieder leichter. Außerdem geht in dieser Zeit der Schleimpfropf ab, der den Muttermund bis dahin verschließt.
Die Geburt beginnt
Medizinisch gesehen beginnt der Geburtsvorgang dann, wenn sich der Muttermund öffnet. Zu erkennen ist das daran, dass die Wehen einsetzen. Zunächst treten sie meist unregelmäßig auf. Schwangere nach der 37. Woche können dann abwarten, bis die Wehen regelmäßig kommen, bevor sie in die Klinik fahren. Bei vorzeitigen Wehen sollte die werdende Mutter sofort zum Arzt oder ins Krankenhaus.
Von da an dauert es durchschnittlich 13 Stunden bei der ersten Geburt und etwa acht Stunden bei folgenden Geburten, bis das Kind auf der Welt ist. In Industrieländern treten ernste Probleme dabei nur noch selten auf. Wenn doch, bekommen die Ärzte sie meistens in den Griff. Hier der typische Geburtsverlauf im Überblick:
Die Latenzphase
Wenn die Wehen einsetzen, kommen sie zunächst unregelmäßig – meist treten etwa zwei bis drei Wehen in 30 Minuten auf, sie halten jeweils 30 bis 45 Sekunden an. Ihre Häufigkeit nimmt langsam zu, nach und nach werden sie regelmäßiger. Manchmal hören sie auch wieder auf.
Das Köpfchen des Kindes schiebt sich in den Beckenring. Der Gebärmutterhals verkürzt und erweitert sich. Der Muttermund beginnt sich zu öffnen. Diese Phase dauert manchmal bis zu 24 Stunden. Wenn die Schwangerschaft unauffällig verlaufen ist und die Frau sich wohl fühlt, bleibt sie währenddessen am besten in ihrer gewohnten Umgebung. Sie kann dabei die letzten Vorbereitungen treffen und ansonsten machen, was ihr guttut: Sich bewegen, entspannen und wenn möglich immer wieder schlafen.
Die Eröffnungsphase
Diese Phase beginnt, wenn der Muttermund drei bis vier Zentimeter geöffnet ist. Dann hat die Frau etwa alle zehn Minuten ein bis zwei Wehen, bei denen sie reflexartig mitatmet. Das ist ein guter Zeitpunkt, um ins Geburtshaus oder die Klinik zu fahren, oder bei einer Hausgeburt die Hebamme kommen zu lassen.
Die Hebamme kontrolliert die Herztöne des Kindes dann regelmäßig, meist mit einem Herztonwehenschreiber. Außerdem tastet sie immer wieder den Muttermund ab, um festzustellen, wie weit er sich bereits geöffnet hat und wo sich das Köpfchen des Babys befindet. Im Kreißsaal kann die werdende Mutter ein Bad in der Geburtswanne oder verschiedene Positionen ausprobieren, um die Schmerzen etwas zu erleichtern. Im äußersten Fall helfen Schmerzmittel.
Oft springt während der Eröffnungsphase die Fruchtblase. Manchmal öffnen sie die Geburtshelfer auch, um die Geburt zu beschleunigen. Denn ist die Blase geplatzt, drückt das Köpfchen des Kindes stärker in das Becken, was zu heftigeren Wehen führt.
Die Eröffnungsphase dauert beim ersten Kind meist zwischen 8 und 13 Stunden, bei weiteren Geburten durchschnittlich sechs Stunden. Am Ende der Phase sind viele Frauen sehr erschöpft, verlieren den Mut oder werden emotional. Oft hilft es dann, wenn Partner und Geburtshelfer sie zum Durchhalten ermutigen.
Die Frau gelangt durch die regelmäßige ruhige Atmung in einen Trancezustand. Dieser hilft ihr, den Wehenschmerz auszuhalten. Der Körper schüttet dann Endorphine aus, das sind schmerzlindernde körpereigene Hormone. Oft gibt es am Ende dieser Phase eine Wehenpause, in der Mutter und Kind noch mal Kraft schöpfen können.
Die Austreibungsphase
Wenn der Muttermund vollständig offen ist – also etwa zehn Zentimeter – beginnt die Austreibungsphase. Die Wehen kommen mittlerweile etwa sechs bis sieben Mal in 15 Minuten stark und regelmäßig und halten rund 60 Sekunden an.
Falls die Fruchtblase zu diesem Zeitpunkt noch nicht geplatzt ist, geschieht das meist jetzt. Der Kopf des Kindes befindet sich nun im Geburtskanal. Bei der Mutter löst das meistens einen Impuls zum Mitschieben aus. Am besten geht es, wenn sie dabei langsam und kräftig ausatmet. Zusammen mit den Wehen drückt dies das Baby aus dem Bauch. Dabei dreht es sich normalerweise um 90 Grad, weil es so am besten durch das Becken passt.
In dieser Phase überwacht die Hebamme laufend die Herztöne des Babys mit einem speziellen Ultraschallgerät, das auf dem Bauch der Mutter liegt. Oft ist es aber trotzdem möglich, dass die Gebärende verschiedene Positionen einnimmt – je nachdem, was ihr guttut. Die Geburt fördert häufig eine hockende oder knieende Position, die die Schwerkraft ausnutzt.
Wenn das Köpfchen des Babys zu sehen ist, stützt die Hebamme oft den Damm, damit er nicht so leicht reißt. Ein paar Wehen später ist das Köpfchen ganz im Freien. Danach folgt der Oberkörper, dann Rumpf und Beine.
Die Austreibungsphase dauert einige Minuten bis zwei Stunden.
So kommt das Baby aus dem Mutterleib
Die Nachgeburtsphase
Ist das Baby auf der Welt, brauchen Mutter und Kind einige Sekunden zum Verschnaufen, bis die Mutter ihr Kind zu sich auf die Brust nimmt. Dort wird es warm zugedeckt und von den Geburtshelfern genau beobachtet. Bei der Mutter können inzwischen Nachwehen auftreten. Dabei zieht sich die Gebärmutter stark zusammen, damit sich der Mutterkuchen – medizinisch: Plazenta – von der Gebärmutterwand löst und nach draußen gedrückt wird. Die Hebamme kontrolliert dies durch Abtasten. Treten die Nachwehen nicht innerhalb von etwa zehn Minuten nach der Geburt auf, kann es helfen, wenn das Baby an der Brust der Mutter saugt.
Ist die Plazenta aus der Gebärmutter gelangt, zieht sie die Hebamme nach draußen und kontrolliert, ob sie vollständig ist. Eventuelle Reste müssen die Geburtshelfer sonst noch entfernen. Auch eine eventuelle Damm- oder Genitalverletzung versorgen die Geburtshelfer jetzt.
Die Nachgeburtsphase dauert zehn Minuten bis zwei Stunden. Meist kann die Familie noch für einige Zeit im Kreißsaal bleiben.
Kaiserschnitt
Wenn eine natürliche Geburt mit einem zu hohen Risiko für Kind und Mutter verbunden ist, entscheiden sich Arzt, Hebamme und Eltern üblicherweise gemeinsam für einen Kaiserschnitt. Zu den Risiken gehören Notfallsituationen während der Geburt, eine vor dem Muttermund liegende Plazenta oder in bestimmten Fällen Mehrlinge. Auch die falsche Lage eines Babys kann einen Kaiserschnitt notwendig machen. Der Eingriff ist eine Operation und mit Risiken verbunden.
Beratende Expertin
Astrid Giesen ist ehemalige Vorsitzende des Bayerischen Hebammen Landesverband e.V. und Hebamme in Regensburg.