Verhüten mit Natürlicher Familienplanung
Wer nicht schwanger werden will, muss das auch nicht: Sex mit Kondomen ist (bei richtiger Anwendung) ziemlich sicher. Aber auf Dauer nicht jedes Paares Sache. Und schon ein flüchtiger Blick auf die Nebenwirkungen eines x-beliebigen Hormonpräparates macht verständlich, warum auch das nicht jede Frau möchte. Was bleibt? Zum Beispiel eine Verhütungsmethode, die ohne Hormone und damit ohne Nebenwirkungen auskommt, bei der auch der Mann gefragt ist und die zugleich (bei richtiger Anwendung) als sicher gilt: die natürliche Familienplanung, kurz NFP genannt.
Einfaches Prinzip
Bei der NFP werden im Grunde zwei Körpersymptome beobachtet, die eine Frau während ihres Zyklus hat – Schwankungen der Körpertemperatur und Veränderungen des Zervixschleims. "Mit beiden Parametern und bestimmten Regeln zum Auswerten kann man zuverlässig die fruchtbaren Tage bestimmen", erklärt Dr. Petra Frank-Herrmann von der Universitäts-Frauenklinik in Heidelberg. Die Gynäkologin leitet dort das Zentrum für natürliche Familienplanung und hat durch ihre Forschung federführend dazu beigetragen, dass die NFP heute in den offiziellen Leitlinien steht und von Frauenärzten empfohlen werden kann.
Den eigenen Zyklus kennenlernen
"Letztendlich geht es darum, dass Frauen ihr fruchtbares Fenster im aktuellen Zyklus selbst feststellen können", erklärt Frank-Herrmann. So verändert sich der Schleim im Gebärmutterhals zum Beispiel von klumpig und weiß über cremig bis hin zu glasklar und spinnbar zum Eisprung. Das liegt daran, dass sich der Östrogenspiegel im Laufe des Zyklus verändert (siehe Grafik). Für den Temperaturanstieg in der fruchtbaren Phase zeigt sich das Progesteron, das sogenannte Gelbkörperhormon, verantwortlich. "Den Östrogenanstieg gibt es vor dem Eisprung, und den Progesteronanstieg gibt es nach dem Eisprung. Und so bekomme ich eigentlich ein komplettes Bild des weiblichen Zyklus", sagt Frank-Herrmann.
Sicher wie die Pille
Durch beide Werte erhält man einen ziemlich genauen Status der fruchtbaren Tage. In der Regel geht man von sechs Tagen pro Zyklus aus (siehe Grafik) – mit einkalkuliert, dass Spermien im Körper der Frau bis zu fünf Tage überleben können. Bei der NFP wird jedoch zur Sicherheit ein größeres Zeitfenster von mindestens neun Tagen bestimmt. Wer eine Schwangerschaft vermeiden möchte, sollte in dieser Zeit Frank-Herrmann zufolge auf Sex verzichten oder Kondome benutzen.
Die richtige Anwendung vorausgesetzt, ist diese sogenannte symptothermale Methode laut Frank-Herrmann so sicher wie die Pille: In einer im Fachblatt Human Reproduction veröffentlichten Studie der Gynäkologin gab es zwei Schwangerschaften in 6022 Zyklen, in denen die Paare in der errechneten fruchtbaren Phase enthaltsam waren (Pearl-Index von 0,4). Zwei weitere Schwangerschaften traten in 4375 Zyklen auf, bei denen Paare während der fruchtbaren Tage Barrieremethoden wie Kondome verwendet hatten – ein Pearl-Index von 0,6. Zum Vergleich: Die Pille hat einen Pearl-Index von 0,1 bis 0,6.
Bequeme Helfer?
Klassischerweise bestimmen Frauen, die sich das Wissen zur NFP per Buch oder Kurs angeeignet haben, die fruchtbaren Tage mithilfe von Thermometer, Stift und Papier. Doch mit den guten Pearl-Index-Werten werben viele Anbieter von Zykluscomputern und Basalthermometern – jeweils in Kombination mit eigenen Apps zur Protokollierung und Interpretation der Messergebnisse. Und die Existenz solcher Produkte könnte logischer kaum sein: Schon vor dem Aufstehen messen die Frauen sozusagen noch im Halbschlaf ihre Basaltemperatur (Körperkerntemperatur). Das Thermometer sendet den Wert per Bluetooth an die App im Smartphone. Dort können zudem wichtige Punkte wie der Zervixschleim eingetragen werden, und das Programm zeigt einem dann in einer Art Ampelsystem die Fruchtbarkeit an. Bequemer geht es kaum. Na ja, doch. Je nach Hersteller kann man den Zykluskalender auch per App oder Dokument mit dem Partner teilen.
Keine Hersteller-Studien
Doch der Komfort kann einen Haken haben. "Es gibt in letzter Zeit wahnsinnig viele Apps, die irgendwas behaupten", sagt Frank-Herrmann. Das Problem: Die Angaben mancher Hersteller beziehen sich auf die symptothermale Methode an sich – jedoch nicht auf die eigene App oder den eigenen Minicomputer. "Eigentlich müssten die Hersteller selbst Studien mit ihren Geräten oder ihrer App durchführen, um einen auf ihr Produkt bezogenen, aussagekräftigen Pearl-Index zu erhalten", betont die Gynäkologin.
Vorhersagen nicht genau
Und wenn man einen Blick ins App-Innere wagt, zeige sich zudem, dass einige Hersteller in ihren Algorithmen überwiegend die Temperaturwerte berücksichtigen und darauf ihre Prognosen zur Fruchtbarkeit erstellen. Dabei sei die Konsistenz des Zervixschleims ebenso wichtig zur Bestimmung des fruchtbaren Fensters wie die Basaltemperatur.
Generell gilt, so Frank-Herrmann: "Apps, die das fruchtbare Fenster vorhersagen, sind zu ungenau." Problematisch sei das vor allem, wenn Frauen einen unregelmäßigen oder langen Zyklus haben. Im Schnitt dauert der Zyklus einer Frau 28 Tage. Er kann jedoch auch einen wesentlich kürzeren (22 Tage) sowie wesentlich längeren (über 35 Tage) Zeitraum umfassen und unregelmäßig sein. Das merken laut der Gynäkologin vor allem Frauen, die hormonell verhütet haben und dadurch bedingt einen ziemlich gleichmäßigen Zyklus hatten. "Wenn man jedoch nicht mehr mit Hormonen verhütet, kann sich das deutlich ändern", betont die Expertin. Apps, die das fruchtbare Fenster vorhersagen, tippen dann, warnt Petra Frank-Herrmann, womöglich beim Eisprung daneben. "Was dann schnell in einer ungewollten Schwangerschaft enden kann."
Kurs oder Buch empfohlen
Anders stehe es wiederum um Apps, die die Fruchtbarkeit nicht vorhersagen, sondern den Frauen dabei helfen, das fruchtbare Fenster im aktuellen Zyklus zu beobachten – sogenannte NFP-Apps. Doch auch sie könnten nur eine Stütze sein, wenn sich die Frau intensiv mit der symptothermalen Methode auseinandergesetzt habe, meint die Gynäkologin. "Entweder per Literatur oder man besucht einen Kurs."
Die NFP eigne sich prinzipiell für Frauen, die auch motiviert seien, sich etwas mehr mit ihrem Körper auseinanderzusetzen: "Die Frauen lernen ihren Körper besser kennen und bekommen ein Gefühl für ihren Zyklus – vielleicht nach Jahren mit der Pille zum ersten Mal. Das kann eine sehr schöne Erfahrung sein", sagt Frank-Herrmann.