Wann sollte das Kind zum Facharzt?
Die letzte U-Untersuchung war unauffällig. Aber sollte man nicht doch auch mal zum Augen-, Ohren- und Zahnarzt mit dem Kind gehen?
Ab welchem Alter das Kind zum Facharzt sollte
"In der Regel entscheidet der Kinderarzt, wann eine zusätzliche Vorstellung beim Facharzt sinnvoll ist. Er ist ja nicht nur verantwortlich für die primäre Versorgung des Kindes, sondern, nicht zu vergessen, auch selbst ein Facharzt, nämlich der Kinder- und Jugendmedizin", sagt Prof. Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin aus Tübingen. "Daher ist es ratsam, zunächst beim Kinderarzt nachzufragen und sich eine Überweisung zum Experten ausstellen zu lassen." Der Kinderarzt kann Fachärzte empfehlen, die sich mit den kindlichen Besonderheiten ihres Fachgebietes auskennen und einfühlsam auf Kinder eingehen können, was nicht gewährleistet ist, wenn man selbst aus dem Internet eine Adresse heraussucht.
"Grundsätzlich dürfen gesetzlich versicherte Eltern aber ohne Überweisung mit ihrem Kind zum Facharzt ihrer Wahl gehen", erklärt Heike Morris, juristische Leiterin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland in Berlin. "Der Kinderarzt kann bei medizinischer Notwendigkeit eine Überweisung mit Dringlichkeitsvermerk ausstellen. Dann besteht Anspruch auf eine zeitnahe Behandlung", erklärt Morris.
Wann zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt?
Ein bis zwei von tausend Kindern kommen mit einem Hörschaden zur Welt. Erkrankungen in den ersten Lebensjahren können den Hörsinn ebenfalls beeinträchtigen. Früh erkannt, lässt sich eine verminderte Hörleistung in der Regel gut behandeln. "Bei Neugeborenen führt der Kinderarzt in den ersten Tagen nach der Geburt ein Hörscreening durch. Zeigen sich Auffälligkeiten, sollte ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt weitere Tests durchführen", rät Prof. Dr. Jörg Lindemann, Oberarzt am Universitätsklinikum Ulm. War das Neugeborenen-Screening unauffällig, ist keine weitere Kontrolle notwendig.
Der Kinderarzt überprüft standardmäßig bei den U-Untersuchungen die Hörleistung, teilweise durch Tonsignale über Kopfhörer. Allerdings hängt die Aussagekraft solcher Tests auch davon ab, wie gut das Kind mitmacht und wie geschult der Arzt in der Anwendung und Auswertung ist.
Lindemann rät Eltern, sich nicht auf ein gutes Testergebnis zu verlassen, sondern auch auf das kindliche Verhalten und die Entwicklung zu achten: Dreht das Kind den CD-Spieler sehr laut auf, fragt es oft nach oder spricht es weniger als Gleichaltrige? "Bei Auffälligkeiten empfehle ich eine zeitnahe Vorstellung beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt, damit das Kind in seiner Sinnes- und Sprachentwicklung nicht zurückfällt. Das gilt auch bei gehäuften Infekten im Kopf- und Halsbereich", sagt Lindemann.
Wann zum Augenarzt?
Sechs Prozent der Sechsjährigen leiden unter Fehlsichtigkeit. Eine Zahl, die sich laut Prof. Dr. Klaus Rüther, Augenarzt in Berlin und Leiter des Ressorts Strabologie und Neuroophthalmologie des Berufsverbandes der Augenärzte, deutlich senken ließe, wenn Kinder früher dem Spezialisten vorgestellt würden. Insgesamt hat sich das Spektrum der Sehtests beim Kinderarzt in den letzten Jahren erweitert.
Seit 2017 gehört der Durchleuchtungstest nach Brückner zur U 4 bis U 7. Die von vielen Kinderärzten zudem für Kinder ab sechs Monaten angebotene Messung mit Infrarotlicht liefert zwar Hinweise auf die mögliche Notwendigkeit, eine Brille zu tragen. "Dennoch bleiben viele Formen der Sehschwäche unentdeckt, etwa ein nicht auffälliges Schielen", sagt Rüther. Deshalb rät er, spätestens zwischen dem 30. und 42. Lebensmonat die Augen des Kindes kontrollieren zu lassen.
Bei starker Fehlsichtigkeit von Mutter, Vater oder Geschwistern und bei erhöhtem Risiko (wie Frühgeburten) sollte ein Kind zwischen sechs und zwölf Monaten zum Augenarzt. Das gilt auch immer bei Auffälligkeiten wie Schielen, getrübter Linse oder Augenzittern. "Um eine Diagnose zu stellen und die Strukturen des Auges vollständig sichtbar zu machen, sind Spezialuntersuchungen beim Augenarzt nötig", so Rüther. Kommt man ohne Verdachtsdiagnose und Überweisung, können Kosten anfallen.
Wann zum Zahnarzt?
Fast 14 Prozent der Dreijährigen leiden unter Milchzahnkaries. "Wir können nicht oft genug darauf hinweisen, wie wichtig gründliche Zahnpflege ab dem ersten Zahn ist", betont Kinderzahnärztin Dr. Jacqueline Esch aus München. Der Kinderarzt berät zwar über Mundhygiene und zu langes Schnullern oder Daumenlutschen.
"Kinderärzte entdecken bei der Untersuchung teilweise Fehlstellungen oder beginnende Karies und überweisen dann zum Zahnarzt", sagt Esch. Der Kinderarzt empfiehlt im Rahmen der U 5 den ersten Besuch beim Zahnarzt. "Ich würde raten, das Kind auch bei unauffälligem Zustand der Zähne ab dann alle sechs Monate zur Kontrolle vorzustellen", so die Ärztin. Nur so lernen die Kleinen Zahnarztstuhl und Instrumente in entspannter Atmosphäre kennen, können anfangs auf Mamas oder Papas Schoß untersucht werden.
Fluoridgabe, welche Zahnbürste und -pasta, wie häufig putzen – diese Fragen können Eltern detailliert mit dem Facharzt besprechen. "Beginnende Karies lässt sich oft gut stoppen", sagt Esch. Die Krankenkassen bezahlen zwischen dem sechsten und dem 34. Lebensmonat drei Früherkennungsuntersuchungen beim Zahnarzt sowie das Auftragen von Flouridlack zweimal im Kalenderhalbjahr. Zwischen dem 34. Lebensmonat und dem vollendeten sechsten Lebensjahr werden ebenfalls drei Früherkennungsuntersuchungen bezahlt, ein Anspruch auf Flouridierung besteht bei hohem Kariesrisiko.