Kind krank: Welche Rechte Berufstätige haben
Gestern noch ging es dem Kleinen gut, es hat herumgetobt und war im Kindergarten. Und heute früh liegt es mit Bauchkrämpfen und Durchfall im Bett. Eltern machen sich dann nicht nur Sorgen, sie müssen auch improvisieren. Und wenn keine Oma oder kein Opa in der Nähe wohnen, die einspringen können, müssen Mutter oder Vater zu Hause bleiben. Aber darf man das so einfach? Was ist dann mit dem Gehalt?
Kind krank: Anspruch auf Freistellung
"Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Freistellung", sagt Dr. Gabriele Hußlein-Stich, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Nürnberg und Vizepräsidentin des Verbands deutscher Arbeitsrechtsanwälte e.V. "Das ist klar geregelt in Paragraf 45 des Sozialgesetzbuches V." Demzufolge darf jeder Elternteil für die Betreuung seines kranken Kindes zehn Tage im Jahr freinehmen. Das gilt für Kinder unter zwölf Jahre, Ausnahmen gelten für behinderte oder auf Hilfe angewiesene. Als Kinder gelten auch Stief- und Adoptivkinder. Bei mehr als zwei Kindern besteht Anspruch auf maximal 25 Tage. Für Alleinerziehende gelten jeweils doppelt so viele Tage, also pro Kind und Jahr 20 Tage bzw. bei mehreren Kindern 50 Tage.
Unter bestimmten Umständen bezahlt der Arbeitgeber das volle Gehalt weiter. Denn Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches sieht vor, dass ein Arbeitnehmer, der "ohne sein Verschulden an seiner Dienstleistung verhindert wird" – dazu gehört auch die Erkrankung eines Kindes –, von der Arbeit bezahlt freigestellt wird. Allerdings ist das Gesetz nicht bindend – und gilt auch nur für einen beschränkten Zeitraum.
Bezahlte Freistellung nicht garantiert
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gelten fünf Arbeitstage als angemessen für die sogenannte "vorübergehende Verhinderung". Aber: "Diese bezahlte Freistellung ist gesetzlich nicht klar geregelt", sagt Gabriele Hußlein-Stich. Unklar ist nicht nur, wie lange ein Arbeitgeber die Freistellung bezahlt, sondern auch, ob überhaupt. "Viele Arbeits- und Tarifverträge schließen sie aus", sagt die Anwältin. Und wenn der Chef als Gegenleistung nachträgliche Überstunden verlangt? "Das ist nicht rechtens. Das würde ich ablehnen", sagt Gabriele Hußlein-Stich.
Auch Kündigungen oder Abmahnungen seien in diesem Zusammenhang nicht wirksam. Zahlt der Arbeitgeber nicht oder für weniger als zehn Tage, haben berufstätige Mütter und Väter Anspruch auf Kinderkrankengeld von ihrer Krankenversicherung. Es müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. "Der Anspruch gilt nur, wenn das kranke Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat und keine andere Person, die im Haushalt lebt, das Kind beaufsichtigen kann", erklärt die Anwältin. Um die Leistung zu erhalten, muss man ein Attest des Kinderarztes bei der Krankenkasse einreichen. Die Kassen zahlen dann einen Verdienstausfall. Die Höhe beträgt 70 Prozent des Bruttoeinkommens, aber maximal 90 Prozent des Nettolohns.
Achtung: Sind beide Eltern privat krankenversichert oder ein Elternteil und das Kind, dann erhalten sie kein Kinderkrankengeld.
Krankheitstage aufgebraucht – was jetzt?
Und was tun, wenn alle Krankheitstage aufgebraucht sind? Sich selbst krankschreiben lassen? "Besser nicht", rät Gabriele Hußlein-Stich. Das sei ein rechtlicher Verstoß und könne eine Kündigung nach sich ziehen. "Sind alle Tage aufgebraucht, gibt es immer noch die Möglichkeit, Urlaub zu beantragen oder von zu Hause zu arbeiten", sagt die Expertin. Ideal seien Arbeitszeitkonten. In Krankheitsfällen können dann Überstunden abgebaut oder Minusstunden gesammelt und später ausgeglichen werden.
Ist das Kind pflegebedürfig, haben die Eltern laut Pflegezeitgesetz Anspruch auf Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber. Die Pflegezeit beträgt maximal sechs Monate, der Arbeitgeber muss das Gehalt währenddessen nicht weiter bezahlen. Der Arbeitnehmer kann aber bei der Pflegeversicherung des Kindes Pflegeunterstützungsgeld beantragen.
Wenn ein Kind unter 12 Jahren unheilbar krank ist, haben Eltern zusätzlich Anspruch auf eine zeitlich unbegrenzte Freistellung und auf Krankengeld.
Vorgesetzten und Kollegen zügig informieren
Gabriele Hußlein-Stich rät Eltern, möglichst offen und frühzeitig mit dem Vorgesetzten zu besprechen, welche Möglichkeiten es im Krankheitsfall des Kindes gibt. "Wichtig ist, dass sich in den Köpfen der Menschen etwas ändert. Und das passiert nur, wenn man das Thema anspricht", meint Hußlein-Stich. Im akuten Krankheitsfall sollte man den Arbeitgeber so schnell wie möglich über die Abwesenheit informieren. "Am besten schickt man das ärztliche Attest noch am gleichen Tag per Post, Fax oder E-Mail", sagt die Anwältin. Gut fürs Arbeitsklima: Wenn man nach der ersten Hektik im Büro anruft und die Kollegen über anstehende Termine und Aufgaben informiert. In vielen Fällen, das zeige ihre Erfahrung, sei es "eher ein menschliches als ein rechtliches Problem", so Gabriele Hußlein-Stich.
Letzter Ausweg: Notdienst für die Kinderbetreuung
Das Kleine kann nicht in die Kita, aber Sie haben einen wichtigen Termin? Dann könnte ein Kindernotbetreuungsdienst helfen. "Das klappt in der Regel sehr gut, weil die Kinder in ihrer Umgebung bleiben", erklärt Angela Schmidt, die 2012 "Die Notfallmamas" in Hamburg gegründet hat. Die Kosten für die Betreuung müssen die Eltern tragen. Bei den "Notfallmamas" zahlen Eltern etwa 30 Euro pro Stunde, dafür vermittelt Angela Schmidt schnell erfahrene Betreuerinnen. "Innerhalb von zwei Stunden schaffen wir es überallhin in Hamburg", sagt Schmidt (www.notfallmamas.de*).
In vielen Städten findet man Vereine, die ehrenamtliche Helfer vermitteln. In München gibt es seit mehr als 20 Jahren den Verein "Zu Hause gesund werden". Die Kosten liegen bei 6,50 Euro pro Stunde plus Fahrtkosten (www.zu-hause-gesund-werden.de*). Auch der Notmütterdienst kann in vielen deutschen Städten stundenweise Betreuung vermitteln, Rund-um-die-Uhr-Betreuungen sogar bundesweit. Der Stundensatz beginnt bei 15,30 Euro. In der Regel sollte man sich zwei Tage vorher melden (www.notmuetterdienst.org*).
Gut zu wissen: Die Kosten können Eltern als Sonderausgaben bei der Steuer absetzen. "Immer häufiger beteiligen sich die Arbeitgeber", sagt Angela Schmidt. "Denn die profitieren am meisten, wenn Eltern nicht ausfallen." Ihr Tipp: Frühzeitig beim Chef nachfragen!