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Rund 80 Prozent der Menschen in Deutschland würden ihre Daten der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen. 70 Prozent wollen die von ihnen gesammelten Daten in die elektronische Patientenakte einfließen lassen oder ihrer Krankenkasse zukommen lassen. Sie erwarten sich dadurch bessere, da auf sie persönlich abgestimmte, Verhaltensempfehlungen. Selbst Gendaten würde die Hälfte der Wissenschaft zur Verfügung stellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung zum Umgang mit digitalen Gesundheitsdaten.

Welche Gesundheitsdaten erheben die Bürger:innen und was soll mit diesen Informationen geschehen? Das waren die Leitfragen des ersten „Self-Tracking-Report“, initiiert vom Markforschungsunternehmen EPatient Analytics. 5000 Menschen in Deutschland wurden für die Untersuchung im Frühjahr diesen Jahres befragt, repräsentativ für alle Onliner (90 Prozent der Bevölkerung). Auch der Digital Ratgeber hatte zur Teilnahme an der Online-Umfrage eingeladen.

Smartphone ist Gesundheitstracker Nummer 1

Das Smartphone ist bei den Deutschen das Messinstrument Nummer 1 für Gesundheitsdaten und Symptome. „Vier von fünf Bürger:innen sind Gesundheits-Tracker und vermessen ihre Gesundheit selbst“, berichtet Dr. Alexander Schachinger von EPatient Analytics bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Dies gestalte sich vom einfachen Gewicht messen mit der Waage bis hin zum Messen von Schlafqualität, Schmerzen oder Stress mit modernen Smartwatches und Apps. „75 Prozent messen ihr Gewicht, 38 Prozent ihren Blutdruck und sogar jede vierte Person misst ihre Schlafqualität - dies mehrheitlich mit Smartphone, Smartwatch & Co.“, so Schachinger. Schon 42 Prozent der Befragten erfassen die Gesundheitsdaten dabei komplett digital.

Gesundheitsdatenkompetenz ist gering

Mehr als jede zweite Person weiß jedoch im Grunde nicht, wie er mit den Messergebnissen umgehen soll. Gesundheitswissen sei, so Schachinger, nach ersten Detailanalysen, stark bildungsabhängig. Er appelliert an Ärzte und Krankenkassen, den Wunsch der Menschen nach Beratung und Begleitung aufzugreifen.

Daten sollen für eine bessere Medizin genutzt werden

Die Studie zeigt nicht nur ein detailliertes Bild, wer seine Gesundheit wie vermisst, sondern beleuchtet auch die Offenheit der Menschen gegenüber der Datenverwendung für Forschung und Medizin. Hier zeigt sich eine klare Tendenz: Die Menschen wünschen sich die Nutzung der Gesundheitsdaten von ihren Smartphones, Smartwatches und Trackern für bessere medizinische Forschung sowie für eine bessere Behandlung und individuelle Präventionsangebote

  • Vier von fünf Befragten sind für eine nationale Forschungsdatenbank, gefüllt mit ihren Patientendaten.
  • 70 Prozent sind für die sinnvolle Anwendung ihrer Gesundheitsdaten aus dem Smartphone, beispielsweise für das Einfließen in ihre Patientenakte für eine bessere Behandlung.
  • Ebenfalls wünschen sich sieben von zehn bei Verschlechterung ihrer Vitalwerte automatisch eine Meldung auf ihr Handy auf Grundlage ihrer Daten aus der elektronischen Patientenakte.
  • Und drei von vier Bürgern wünschen sich auf Basis ihrer individuellen Vitalwerte für sie zugeschnittene Präventionsangebote von ihrer Krankenkasse.

Appell an die Politik

“Es wurde Zeit, der Gesundheitspolitik dieses Bild vorzuführen: Die Bürger:innen wollen ihre Gesundheitsdaten für eine bessere und somit auch sichere Medizin nutzbar machen”, sagt Prof. Dr. Sylvia Thun, Direktorin für E-Health am Berlin Institute of Health der Charité und wissenschaftliche Beraterin der Studie.

Während die politische Diskussion oft um den Datenschutz kreise, sei die Bevölkerung bei der Nutzung digitaler Angebote zur Förderung der eigenen Gesundheit bereits viel weiter, ergänzt Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Professor of Public Health an der Hertie School Berlin, der ebenfalls an der Studie mitgewirkt hat. Zwar bestehe eine gewisse Unschärfe bei der Aussagekraft der Befragung, da nur Menschen befragt wurden, die Onlineangebote nutzen, doch die Richtung sei eindeutig. „Eine konsequente Digitalisierungsstrategie würde auf große Zustimmung stoßen. Viele warten geradezu darauf“, sagt Hurrelmann.

Systematische Bestandsaufnahme zur Selbstvermessung von Gesundheit

Die Studie zeigt den Status quo im Bereich Selbstvermessung von Gesundheit. Erstmals, wie Schachinger betont. Die deutliche Bereitschaft persönliche Daten, sogar Gendaten der forschenden Industrie zur Verfügung zu stellen, sei ein Vertrauensbeweis, der dem bisherigen öffentlichen Eindruck diametral widerspreche. Dass aufgrund der seit knapp 20 Jahren verzögerten Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems, die Mehrheit der Vitaldaten der Bevölkerung ins Ausland, zu Geräteherstellern wie Apple, Samsung oder Google, wandern, sei ein bedenkliches Versäumnis der Politik, so Schachinger.